Unterkünfte für Geflüchtete
Über 200.000 Menschen sind bisher aus der Ukraine nach Tschechien geflohen. Rund 80 Prozent der Geflüchteten sind Frauen und 55 Prozent Kinder. Und täglich kommen weitere Geflüchtete. Das tschechische Regierungskabinett berät in diesen Tagen darüber, wie der Zustrom zu bewältigen ist.
Die bisher zur Verfügung gestellten Unterkunftskapazitäten werden Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) zufolge künftig vermutlich nicht ausreichen. Der Staat werde wahrscheinlich modulare Notunterkünfte errichten müssen, erklärte Fiala am Sonntag:
„Wir wollen diese Unterkünfte nicht an einem einzigen Ort, sondern an verschiedenen Orten Tschechiens einrichten. Darüber beraten wir nun weiter. Der Innenminister und der Minister für die Regionalentwicklung suchen in der Zusammenarbeit mit den Kommunen nach geeigneten Orten. Wichtig ist, dass wir vorbereitet sind.“
Da Tschechien selbst nur über sieben provisorische Unterkunftsmodule verfügt, ersuchte das Kabinett am Freitag die EU um weitere 25 Einheiten für insgesamt 50.000 Menschen. Der Premier möchte zudem meiden, die Geflüchteten in andere EU-Länder weiterzuschicken. Er erinnerte gegenüber dem privaten TV-Sender CNN Prima News daran, dass Tschechien 2015 die Flüchtlingsquoten bewusst abgelehnt hatte:
„Die Verteilung der Geflüchteten hat mehrere Dimensionen, und eine davon ist die menschliche. Womöglich werden die Flüchtlinge in ein Land geschickt, wohin sie gar nicht wollen. Es kann natürlich sein, dass ein Teil der Geflüchteten bereit ist, in ein anderes Land zu gehen. Denn schließlich sind sie geflohen, um ihr Leben und das Leben ihrer Kinder zu retten – das ist für sie das Wichtigste. Also werden wir alle Möglichkeiten erwägen.“
Der Premier machte zudem darauf aufmerksam, dass in den ersten Tagen nach Kriegsbeginn vor allem Menschen nach Tschechien kamen, die hierzulande Bekannte haben. Inzwischen haben die meisten Ankommenden hier keine eigenen Kontakte. Über ihre Aufnahme beriet die Regierung am Sonntag mit den Hauptleuten der 14 Kreise. Die Unterbringung soll in drei Kategorien gelöst werden. Für eine Notunterkunft von bis zu 30 Tagen ist bisher ein staatlicher Zuschuss von 180 Kronen (7,20 Euro) pro Tag im Gespräch. In diesem Fall könnten die Geflüchteten zunächst in Hotels, Pensionen oder Herbergen wohnen. Den staatlichen Zuschuss halten einige der Kreisvertreter für zu niedrig. Jan Grolich (Christdemokraten) ist Hauptmann im südmährischen Kreis. Der Betrag von 180 Kronen pro Person und Tag wirke seinen Worten nach für die Mehrheit der kommerziellen Vermieter kaum motivierend:
„Wenn die Summe aufgestockt wird, werden sich mehr Betreiber von Unterkünften finden, die Geflüchteten aufnehmen würden. Ich nehme an, dass wir uns über einen Zuschuss von mindestens 250 Kronen einigen sollten.“
Dies wären umgerechnet zehn Euro. Auch der Prager Oberbürgermeister Zdeněk Hřib (Piraten) erklärte am Sonntag, dass eine Aufstockung des Zuschusses bei der Suche nach kommerziellen Unterkünften helfen würde. Die Hauptfrau von Mittelböhmen, Petra Pecková (Stan), wünscht sich hingegen eine Kompromisslösung, die auch für den Staatshaushalt tragbar wäre:
„Wenn man die Zuschüsse beispielsweise für eine Mutter mit zwei Kindern unter zehn Jahre sowie der Großmutter zusammenrechnet, kommt man auf die Summe von rund 17.000 Kronen für einen Monat. Dafür kann eine Wohnung in Prag gemietet werden, das ist nicht wenig Geld.“
17.000 Kronen sind etwa 680 Euro.
Über die staatlichen Zuschüsse für Vermieter sowie für Privatfamilien, die Geflüchtete aufnehmen, will das Kabinett nach weiteren Gesprächen mit den Kreisverwaltungen am Mittwoch entscheiden.