Volksfest auf Ski: der Isergebirgslauf

Foto: Eva Turečková

Es ist das größte Langlaufereignis in Tschechien: Die Jizerská 50, oder auf Deutsch: der 50-Kilometer-Isergebirgslauf. Mehr über den Traditionsmarathon hören Sie in unserer Serie über die Skigebiete des Landes.

Foto: Eva Turečková

Jaroslav Haupt  (Foto: Eva Turečková)
Am Sonntag fällt in Bedřichov / Friedrichswald wieder der Startschuss. Dann machen sich mehrere Tausend Langläufer auf die Strecke. Seit langem gehört dazu auch Jaroslav Haupt, der mittlerweile 80 Jahre alt ist:

„Mich hat vor 40 oder 50 Jahren einer meiner Kumpels dazu gebracht. Er ist heute schon im Langläuferhimmel. Aber ich habe seine Ski geerbt. Sein Sohn hat sie mir zur Erinnerung vermacht. Wenn ich davon spreche, treibt es mir die Tränen in die Augen.“

Jaroslav Haupt hat seine Langlaufkarriere mit ungefähr dreißig Jahren nach einem schweren Schicksalsschlag gestartet. Er wollte so das Erlebte aus sich herauslaufen. Wie häufig er schon in Bedřichov am Start war, das weiß er selbst gar nicht so genau.

Foto: Eva Turečková,  Radio Prague International
„Ich mache keine Statistiken. Rein aus Interesse habe ich aber mal die Aufkleber auf den Ski gezählt. Demnach muss ich mindestens bereits 20 Isergebirgsläufe hinter mir haben – vielleicht aber auch mehr“, so Haupt.

In der Kneipe beim Bier geboren

Dieses Jahr wird der 52. Jahrgang des Traditionsmarathons ausgetragen. David Douša organisiert das Ereignis:

„Wie viele andere gute Ideen in Böhmen wurde auch diese in einer Kneipe beim Bier geboren. Es war das Ergebnis einer Wette unter den Bergsteigern des Vereins Lokomotiva Liberec. Sie wollten wissen, wer am schnellsten von Bedřichov zur Siedlung Jizerka und zurück laufen kann. So wurde im April 1968 der erste Isergebirgslauf ausgerichtet. An ihm nahmen 52 Langläufer teil, der Start kostete fünf Kronen, und im Ziel gab es heißen Tee und zwei Tatranky.“

David Douša  (Foto: Eva Turečková)
Tatranky, das ist eine tschechische Schoko-Waffel und gilt als Muss für viele, die in die Berge fahren. Allerdings hatte der humorige Beginn ein tragisches Nachspiel. Im Jahr 1970 gingen 15 Gründer des heute größten tschechischen Langlaufrennens zu einer Bergexpedition nach Peru. Sie wollten den 6768 Meter hohen Huascarán besteigen. In den Anden wurden sie vom schwersten Erdbeben überrascht, das je in Südamerika gemessen wurde. Alle Teilnehmer kamen ums Leben, genauso wie rund 70.000 Bewohner Perus und benachbarter Staaten.

„Ihr Vermächtnis lebte aber weiter. Und 1971 wurde der Isergebirgslauf dann als Gedenkveranstaltung zur Peru-Expedition ausgerichtet. In den 1970er und 1980er Jahren war das Rennen nicht nur in der Tschechoslowakei sehr populär, sondern auch in Deutschland und Polen“, so der Organisator Douša.

Jaroslav Haupt  (Foto: Eva Turečková)
Dabei hat es die Strecke ganz schön in sich. Das Profil lässt sich schwer vergleichen mit weiteren solchen Rennen im Ausland – sei es nun der Wasalauf, der König-Ludwig-Lauf oder der Engadiner Skimarathon. Langlauf-Veteran Haupt:

„Ich würde sagen, dass die Strecke schwerer ist als bei anderen Läufen. Hier liegt der Start in Bedřichov auf vielleicht 650 oder 700 Meter Höhe, und man muss erst einmal hinauf zum Rozmezí auf rund 1000 Höhenmetern. Die ersten neun Kilometer gehen konstant bergan.“

Bis aus Neuseeland

Dennoch hat sich der Lauf zu einem Großereignis entwickelt. Früher machten Begeisterte aus dem Ausland noch 40 Prozent der Teilnehmer aus, heute sind es nur noch 25 Prozent. Denn vor allem die Zahl der Einheimischen ist gestiegen. Kein Wunder, dass die Band Tata Bojs der Jizerská 50 sogar einen Popsong gewidmet hat. Im vergangenen Jahr nahmen 7300 Aktive teil. Und manche kamen von richtig weit her, wie David Douša betont:

Jizerská 50  (Foto: Zitronenpresse,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)
„Es gibt auch Teilnehmer aus exotischen Ländern. Wir haben mal ausgerechnet, welcher die weiteste Entfernung hierher zurücklegen musste. Das waren 15.000 Kilometer aus Neuseeland. Im vergangenen Jahr hatten wir aber auch Anmeldungen von den Kapverden, es kommen Japaner, Kanadier und Amerikaner.“

In diesem Jahr gehen noch einmal mehr Teilnehmer an den Start. Schließlich kommt es nicht darauf an zu gewinnen.

„Eigentlich darf jeder mitmachen, der langlaufen kann, da gibt es keine Beschränkungen. Außerdem richten wir nicht nur das klassische 50-Kilometerrennen aus, sondern insgesamt mittlerweile sieben Läufe. Deswegen beginnen wir offiziell bei Kindern ab vier Jahren, und der älteste Teilnehmer ist über 90 Jahre alt“, so der Organisator.

Daher umfasst die Gruppe der Profis auch nur etwa 120 bis 130 Spitzenläufer. Wie bei Volksläufen üblich, müssen allerdings bestimmte Zeiten eingehalten werden. David Douša:

Foto: Eva Turečková
„Es gibt Zeitlimits, zu denen die Läufer bestimmte Messstellen passiert haben müssen. Diese befinden sich in Jizerka, an der Hütte Smědava und an der Imbissbude Hřebínek. Falls ein Läufer erst nach dem Zeitlimit dort auftaucht, wird er aus dem Rennen genommen. An den genannten Orten steht jeweils ein Bus bereit, der die Nachzügler zum Ziel bringt.“

Bloß nicht verwachsen

Jaroslav Haupt hat vergangenes Jahr das Rennen in der Altersklasse „ab 80 Jahre bis unendlich“ gewonnen. Aber auch er erinnert sich an den schmerzhaften Beginn seiner Langläuferkarriere beim Isergebirgslauf:

Foto: Eva Turečková
„Damals haben Soldaten für die Verpflegung gesorgt. Sie hatten eine Gulaschkanone dabei, haben Bratwürste warm gemacht und dazu Bier ausgeschenkt. Man setzte sich dazu erst einmal auf einen Baumstamm, bevor man weiterlief. Ich bin dann so lange gelaufen, bis ich Krämpfe bekam. Das tat ziemlich weh. Deswegen bin ich vielleicht eine Viertelstunde stehen geblieben oder habe mich sonst irgendwie bewegt, bis die Schmerzen nachließen. Heute ist alles sehr professionell organisiert. Und ich nehme beim Lauf eigentlich nur noch heiße isotonische Getränke zu mir, gerade wegen der Krämpfe, und hie und da ein paar Rosinen oder ein Stückchen Schokolade.“

Immer wieder bangen die Veranstalter um das Wetter. Nicht immer ist – wie in dem Song von den Tata Bojs – der Himmel blau und die Loipe weiß. Längere Zeit wurde der Lauf auch gleich Anfang Januar ausgerichtet, und da war nie sicher, wie viel Schnee bereits liegt. In diesem Jahr ist das immerhin nicht das Problem, auch wenn deutliche Plusgrade angekündigt sind. Dann könnte es aber problematisch werden mit dem Wachsen. Es ist ja schließlich ein Lauf im klassischen Stil. Und bei Wachs und Klister sollte man sich lieber nicht allzu sehr vertun, findet auch Jaroslav Haupt:

„Wenn man schlecht gewachst hat, dann hilft nur eine gute Kondition. Wenn man gut gewachst hat, aber nicht in Form ist, dann kommt man immer noch irgendwie an…“


Alle Infos zum Isergebirgslauf finden Sie auf der offiziellen Website unter www.jiz50.cz, und zwar auch auf Deutsch und Englisch.

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