Vom Renaissancekleid zur mährischen Brauttracht

Foto: Martina Schneibergová

Was haben Kostüme aus der Renaissance-Zeit mit mährischen Volkstrachten gemein? Worin besteht die zeitlose Schönheit historischer Kleider? Antworten auf diese Fragen gibt eine Ausstellung, die im Schloss Litomyšl / Leitomischl zu sehen ist.

Foto: Martina Schneibergová

Foto: Martina Schneibergová
Das Schloss im ostböhmischen Litomyšl stammt aus dem 16. Jahrhundert und ist eine der schönsten Renaissanceresidenzen in Mitteleuropa. Der damalige Oberstkanzler von Böhmen, Vratislav von Pernstein, ließ es erbauen. Vor 20 Jahren wurde das Baudenkmal von der Unesco in die Liste des Weltkulturerbes eingetragen. Dies ist der Anlass für einige Sonderveranstaltungen, die in diesem Jahr im Schloss stattfinden. Eine davon ist die Ausstellung mit dem Titel „Vivat Grácie!“. Sie wurde von Kristýna Petříčková zusammengestellt, die das Atelier für Kleidungsdesign an der Tomáš-Baťa-Universität im mährischen Zlín leitet. Zdeňka Kalová ist Kastellanin des Schlosses:

„In der Schau werden die Verflechtungen zwischen den festlichen Gewändern des Adels und den feierlichen Bauerntrachten aus Mähren dargestellt. Wenn man sich die Repliken der Renaissancekleidung genau ansieht, erkennt man viele Motive jener Stickereien, mit denen Trachten noch bis in das 19. Jahrhundert verziert wurden. Diese Verbindung zwischen früher aristokratischer Bekleidung und den viel später entstandenen Trachten ist eines der Hauptmottos der Ausstellung. Der Adel hat natürlich die Modetrends gesetzt. Diese wurden dann von den bürgerlichen Schichten übernommen und sie spiegelten sich später ebenso in den Trachten.“

Replik französischer und englischer Mode vom Ende des 16. Jahrhunderts  (Foto: Martina Schneibergová)
Das Schloss in Litomyšl steht wegen seiner Renaissance-Architektur auf der Liste des Weltkulturerbes. Allerdings ist die Originalausstattung von damals nicht erhalten. Mit der Ausstellung werde auch an die Zeit der Entstehung der Residenz erinnert, erzählt die Kastellanin. Im Audienzsaal macht sie auf eine Puppe mit einem prunkvollen goldenen Kleid aufmerksam:

„Bei diesem herrlichen Kleid handelt es sich um eine Replik französischer und englischer Mode vom Ende des 16. Jahrhundert. Hinter der Puppe steht ein Paravent, auf dem passend dazu Verse von Shakespeare stehen. Die Autorin der Ausstellung nutzt die Paravents dazu, unterschiedliche Muster zu zeigen, mit denen die Stoffe damals verziert waren. Die Paravents sind mit Kopien von historischen Stoffen bezogen. Dafür wurden Originalstoffe aus einem Archiv in Wien geliehen.“

Chaperon und Korsett

Einfacheres Kleid mit einer Kopfbedeckung aus dem 15. Jahrhundert  (Foto: Martina Schneibergová)
Im Grünen Saal wird ein etwas einfacheres Kleid mit einer Kopfbedeckung gezeigt. Auch dieses Kleid trug der weibliche Adel. Die Kastellanin:

„Das Originalkleid kommt aus Frankreich und stammt aus dem 15. Jahrhundert. Design-Studenten von der Universität in Zlín haben davon eine Replik gefertigt. Auf großformatigen Fotos zeigen wir, wie die Kleider getragen wurden. Es sind Models oder Kolleginnen der Autorin, die diese Kleider anhaben. Denn es ist ein großer Unterschied, ob ein Kleid nur an einer Puppe oder aber an einem Menschen zu sehen ist.“

Aber nicht nur Damenmode, sondern auch eine Männerbekleidung wird gezeigt. So etwa die Replik eines burgundischen Herzogsgewands aus dem 15. Jahrhundert. Breite Schultern und eine schmale Taille, die durch einen Gürtel betont wurde – so sah die damalige typische Herrenmode aus. Dazu trug der Mann spitz zulaufende Schuhe und einen sogenannten Chaperon – eine Kopfbedeckung, die aus einer Kapuze mit einer langen, herabhängenden Spitze hervorging.

Um ihrem Kleid die entsprechende Form zu verleihen, trugen die Damen früher, bis auf die Empire-Zeit, sehr komplizierte Unterwäsche. An einer Puppe sind die Bestandteile der Unterwäsche aus dem 16. Jahrhundert zu sehen. Kastellanin Kalová:

„Zuerst zog die Dame ein Unterhemd aus Leinen an und darüber ein Korsett. Dieses war vorne flach. Das war der Trend zu Zeiten der Renaissance. Hinzu kam ein Unterrock, der durch Reifen aus Metall oder Holz gespreizt war. Ebenso wurden unterschiedliche Polsterungen benutzt. Wir haben die Schau um Kopien von historischen Korsetten aus dem 18. und 19. Jahrhundert ergänzt.“

Rosenblüten und Ritt der Könige

Foto: Martina Schneibergová
Im zweiten Teil der Ausstellung stehen Trachten im Blickpunkt, die zu festlichen Anlässen getragen wurden. Sie habe für die Schau mehrere historische Trachten erwerben können, erzählt Zdenka Kalová:

„Diese Trachten sind im 19. Jahrhundert entstanden. Sie stammen aus Uherské Hradiště, Blatnice pod svatým Antonínkem, Blatnička und Vlčnov. Alles sind festliche Trachten, die bei Hochzeiten getragen wurden. Abschließend wird sogar die Hochzeitstracht gezeigt, in der die Autorin der Ausstellung selbst geheiratet hat. Sie ist ein Werk des 21. Jahrhunderts.“

Der Paravent in diesem Raum ist mit Stoff bezogen, der mit kleinen Rosenblüten geschmückt ist.

Foto: Martina Schneibergová
„Es handelt sich um ein historisches Stoffmuster, das ebenfalls aus dem Archiv in Wien stammt. Bei einem genaueren Blick auf die Stickereien auf der Hochzeitstracht erkennt man dasselbe Rosenblütenmuster, mit dem zur Zeit des Rokoko die Kleidung von Adeligen bedruckt oder bestickt war. Dies belegt, dass historische Muster auch von Herstellern gängiger Bekleidung übernommen wurden.“

Gegen Ende der Ausstellung folgt eine Hochzeitstracht aus dem 20. Jahrhundert. Den feierlichen Schlusspunkt setzt jedoch eine herrliche Haube, die beim sogenannten Ritt der Könige im mährischen Vlčnov / Hauerschilt getragen wurde.

Die Ausstellung mit dem Titel „Vivat Grácie!“ ist auf Schloss Litomyšl zu sehen, und zwar noch bis 1. September. Sie ist täglich außer montags zugänglich, die Öffnungszeiten sind von 10 bis 17 Uhr.

„Der Ritt der Könige wurde vor einigen Jahren in die Unesco-Liste des immateriellen Weltkulturerbes eingetragen. Mit zu dem Brauch gehören Reiterumzüge. Deswegen ist dieser Teil der Ausstellung im Pferdevorraum installiert, in dem Gemälde der herrlichen Hengste der Familie Waldstein aus dem 18. Jahrhundert hängen.“

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