Von England inspiriert: die Familienhäuser von Architekt Jan Kotěra

Villa Trmal

Er war ein international anerkannter Architekt und der Wegbereiter der modernen tschechischen Architektur. Als Pädagoge beeinflusste er eine ganze Generation von Architekten. Jan Kotěra hat sich zudem um den modernen Familienwohnbau verdient gemacht. Ende des vergangenen Jahres sind 140 Jahre seit Kotěras Geburt vergangen. Aus diesem Anlass wurde das Jahr 2011 zum Kotěra-Jahr ausgerufen. In einem von Kotěras ersten Bauwerken wurde diese Woche eine Ausstellung über den Architekten und die von ihm entworfenen Familienhäuser eröffnet.

Villa Trmal
Das Villenviertel im Prager Stadtteil Strašnice ist bis heute erhalten geblieben. Anfang des 20. Jahrhunderts, als dort Architekt Jan Kotěra ein Familienhaus für František Trmal baute, war Strašnice eine selbständige Gemeinde am Rande Prags, die keine direkte Verkehrsverbindung in die Hauptstadt hatte. Heute liegt die Straße Vilová, in der das von Kotěra erbaute malerische Landhaus steht, unweit der Metro-Haltestelle Strašnická. Die Villa ist mit Volkskunstelementen verziert und nicht zu übersehen. In der Eingangshalle im Erdgeschoss ist der Hauptteil der neuen Ausstellung installiert. Die Ausstellung stellt insgesamt 13 Familienhäuser vor, die Kotěra entworfen hat, darunter auch seine eigene Villa, die bis heute in der Straße Hradešínská steht. Kuratorin Kristýna Jirátová war bemüht, die Entwicklung des Architekten von seinen ersten Bauten bis zum Höhepunkt seines Schaffens zu zeigen.

Zeitausstellung - výstava
„Jan Kotěra setzte sich für eine neue Art des Familienwohnens ein. Er studierte in Wien und sah die Architektur im europäischen Zusammenhang. Neu war seine Gestaltung des inneren Raums. In seinen Häusern war nicht nur das Äußere wichtig, sondern es ging ihm sehr um die Gliederung des Raums. Nach Inspiration hat er bei den Landhäusern in England gesucht. Der Einfluss der englischen Architektur ist an der Villa Trmal beispielsweise deutlich zu sehen. Sie wurde 1903 erbaut. Als Höhepunkt in Kotěras Laufbahn gelten die Jahre 1907 und 1908. Zu der Zeit baute er seine eigene Villa in der Straße Hradešínská. Sie ist einfacher als die Villa Trmal und weniger verziert. Als Architekt nutzte er sehr gern Naturmaterial. Von den späteren Bauten lässt sich das Schloss in Ratboř erwähnen, das eher im klassizistischen Geist erbaut wurde. Zu Kotěras Spätwerk gehört die Villa Štenc im mittelböhmischen Všenory, die 1922 entstanden ist.“

Kristýna Jirátová
Zu den besonders geschätzten Bauten von Kotěra gehört das Museum im ostböhmischen Hradec Králové / Königgrätz, das im selben strengen Stil wie Kotěras eigene Villa in der Straße Hradešínská in Prag erbaut wurde. Der Architekt habe es nicht leicht gehabt, als er nach Prag kam, glaubt die Kuratorin:

„Er wurde damals von den Architekten, die hier gearbeitet haben, nicht anerkannt. Diese haben sich immer noch mit dem historisierenden Stil in der Architektur beschäftigt und ließen sich meist von der Vergangenheit inspirieren. Kotěra wurde nicht entsprechend geschätzt. Er hätte es verdient, mehr Häuser in Prag zu bauen.“

Daniela Karasová
An der Ausstellung über Jan Kotěra beteiligt sich auch das Prager Kunstgewerbemuseum. Seine Mitarbeiterin Daniela Karasová hält Kotěras Studium bei Otto Wagner an der Wiener Akademie für ausschlaggebend für seine Karriere.

„Wien war damals sehr stark auf Großbritannien orientiert. Konkret handelt es sich um die Inspirationen durch Charles Rennie Mackintosh, der den schottischen Jugendstil repräsentiert hat. Er wurde nach Wien eingeladen und hat die Wiener Sezession stark beeinflusst. Zudem verbreitete er in Wien sowie in anderen Städten Europas die Idee des Familienhauses. Gemeinsam mit einigen weiteren Künstlern gehörte er zur Bewegung Arts &Crafts. Sie prägten das Konzept eines Familienhauses, das einen Halleneingang hat. Die Treppe führt von dort in die erste Etage. Unten befinden sich die gemeinsamen Räumlichkeiten und oben Privatzimmer, Schlafzimmer und Weiteres.“

Die Mehrheit der Architekten, einschließlich Kotěra, habe dieses Konzept übernommen und es mit anderen Elementen kombiniert, erzählt Karasová. Anfang des 20. Jahrhunderts war ihren Worten zufolge die Volksarchitektur in Mode. Dies hängt der Kuratorin zufolge mit der großen Ethnografischen Ausstellung zusammen, die 1895 in Prag stattfand.

„Als Kotěra mit 28 Jahren nach Prag kam, fing er an der Kunstgewerbeschule an zu arbeiten. Für seine Ideen wurde er hart kritisiert. Darum bekam er in Prag kaum Aufträge und konzentrierte sich auf den Bau von Familienvillen. Typisch war für ihn die Verbindung des Interieurs mit dem Exterieur. Gebäude von Jan Kotěra gibt es nicht nur in Tschechien, sondern auch in Deutschland, Österreich oder in Kroatien. Kotěra entwarf aber auch Industriedesign sowie Möbel.“

Einige seiner Möbel sind in der Ausstellung in der Villa Trmal zu sehen. Die Ausstellung ist täglich außer Montag von 10 bis 18 Uhr bis zum 31. August geöffnet.

Damit sind wir fast am Ende des heutigen Spaziergangs durch Prag angelangt, in dem wir Sie durch die Ausstellung über das Werk des tschechischen Architekten Jan Kotěra geführt haben. Neben der Villa Trmal, in der die Ausstellung zu sehen ist, findet man in Prag mehrere weitere Gebäude, die Kotěra entworfen hat: beispielsweise das Haus des Verlegers Jan Laichter im Stadtteil Vinohrady, das Mozarteum in der Jungmannova-Straße in der Neustadt, das Gebäude der juristischen Fakultät der Karlsuniversität oder auch das Wasserwerk im Stadtteil Michle.


Jan Kotěra starb im Jahr 1923. An seine Arbeit haben einige seiner Schüler angeknüpft. Falls Sie den Namen eines bekannten Architekten kennen, der zu Kotěras Schülern gehörte, dann können Sie uns dies schreiben. Aus den richtigen Antworten wird ein Gewinner eines Buchs über Prag ausgelost. Ihre Zuschriften richten Sie bitte an Radio Prag, Vinohradská 12, PLZ 120 99 Prag 2, Tschechien. Natürlich können Sie uns auch eine Mail schicken an die Adresse: [email protected].

In der Sendung über das Dominikanerkloster fragten wir Sie vor einem Monat danach, seit welchem Jahrhundert die Dominikaner im St. Ägidius in Prag tätig sind. Die richtige Antwort lautet: seit dem 17. Jahrhundert. Ein Buch über Prag geht diesmal an Wolfgang Bruch aus Schwarzenbach.