Von Tschechien nach Deutschland: Auslandspraktikum trotz Corona-Krise
Belinda Petáková ist eine junge Schreinerin aus Prag. Während ihrer Ausbildung absolvierte sie ein Praktikum in Bayern. Gemeinsam mit Tandem, dem Koordinierungszentrum für den Deutsch-Tschechischen Jugendaustausch, plante sie ihren Auslandsaufenthalt mitten in der Corona-Pandemie. Im Interview mit Radio Prag International sprach die 26-Jährige über ihre Erlebnisse.
Belinda, kannst du dich bitte unseren Hörerinnen und Hörern vorstellen?
Ich heiße Belinda Petáková, bin 26 Jahre alt und in Prag aufgewachsen. Bis heute lebe ich dort. Ich habe Bauingenieurwesen studiert und den Beruf der Schreinerin gelernt.
Warum hast du dich dazu entschieden, Schreinerin zu werden?
Mein Studium an der Universität war sehr theoretisch. Ich wollte aber etwas mit meinen Händen machen. Außerdem mag ich Holz und nutze es gern als Material gern damit. Als Schreinerin kann man selbstständig arbeiten, was mir sehr gefällt.
Wie lange dauerte deine Ausbildung? Und was ist für dich das Besondere an diesem Beruf?
Da ich vorher Abitur gemacht habe, dauerte meine Ausbildung nur zwei Jahre. Mir gefällt an dem Beruf, dass man nach jedem Tag sieht, was man gemacht hat. Jeder Tag ist anders.
Das Besondere an deiner Ausbildung ist, dass du ein Praktikum in Deutschland gemacht hast. Wo war das?
Ich habe das Praktikum in Zwiesel, also in Bayern, gemacht. Und zwar in der kleinen, aber sehr schönen Schreinerei bei Familie Reiß. Das Team bestand aus einem Ehepaar, denen die Werkstatt gehört, und einem Angestellten, mit dem ich meistens zusammengearbeitet habe.
Wie bist du zu diesem Praktikum gekommen und wie hat dich Tandem unterstützt?
Mein Schwager kommt aus Deutschland und er arbeitet für die Organisation Tandem, die den Austausch von jungen Menschen zwischen Tschechien und Deutschland fördert. Er riet mir, ich solle einfach ein Auslandspraktikum versuchen. Gemeinsam haben wir die Schreinerei gefunden. Die Verantwortlichen von Tandem haben sie dann kontaktiert und die Rahmenbedingungen meines Praktikums abgesprochen. Außerdem haben sie mich finanziell gefördert.
Du sprichst sehr gut deutsch. War das schon vor deinem Aufenthalt in Deutschland so?
Danke! Ich habe deutsch schon in der Grundschule gelernt. Gemeinsam mit meiner Schwester habe ich an deutsch-tschechischen Theaterprojekten teilgenommen. Da kam ich natürlich auch in Kontakt mit vielen jungen Leuten aus Deutschland. Während meines Studiums habe ich leider wieder viel vergessen. Als ich dann während meines Praktikums in Deutschland war, musste ich einfach sprechen. Das hat mit sehr geholfen, die Sprache zu lernen.
Wie hat es dir in Zwiesel gefallen? Hattest du neben deinem Praktikum Zeit, Ausflüge zu machen?
Im Bayerischen Wald hat es mir sehr gut gefallen. Dort war ich im Herbst. Die Natur und die Berge haben mich begeistert. Ich habe viele Ausflüge in die Natur gemacht. Leider haben die Corona-Maßnahmen die Freizeitmöglichkeiten beschränkt. Es war trotzdem sehr schön.
Wie hat die Corona-Pandemie dein Praktikum beeinflusst?
Als ich Ende September nach Deutschland kam, gab es kaum Beschränkungen. Ich musste nur den negativen Corona-Test vorweisen. Natürlich musste ich in der Werkstatt eine Maske tragen. In den folgenden Wochen wurden Restaurants und Theater geschlossen, und die Lage verschlimmerte sich immer weiter.
Hast du heute noch Kontakt zu dem Ehepaar aus Zwiesel?
Ich stehe weiterhin in Verbindung zu Familie Reiß und habe sie inzwischen auch wieder besucht. Sie haben mir auch den Kontakt zu anderen Schreinereien vermittelt, bei denen ich mich bewerben konnte und Vorstellungsgespräche hatte. Ich habe dann aber eine Arbeitsstelle in Prag gefunden und mich entschieden, in Tschechien zu bleiben.
Arbeitest du jetzt in Prag in einer Schreinerei?
Nein. Ich habe einen Job gefunden, wo ich auch die Kenntnisse aus meinem Studium einbringen kann. Die Firma stellt kanadische Blockhütten her. Also habe ich dort auch mit Holz zu tun. Das macht mir Spaß, aber ich bin dort erst seit zwei Monaten und muss noch viel lernen.
Du arbeitest als Frau in einem Handwerks-Beruf. Das ist eher ungewöhnlich. Gibt es weitere Frauen in deiner Branche?
In der Firma, in der ich arbeite gibt es viele Frauen, sowohl in der Produktion als auch im Verkaufsbereich. In der Schreinerei in Zwiesel arbeitete Frau Reiß neben ihrem Mann, und ihre Tochter macht auch eine Ausbildung in diesem Metier. Ich habe also schon viele Schreinerinnen getroffen.
Gab es mal eine Situation, in der du auf Grund deines Geschlechts im Nachteil warst?
Das habe ich noch nie erlebt. Manchmal ist das Holz zu schwer für mich, dann kann ich es nicht tragen. Aber wenn dies der Fall ist, kann mir immer jemand helfen.
Empfiehlst du es anderen jungen Menschen, ebenfalls ein Praktikum im Ausland zu machen?
Sicher. Ich finde es gut, wenn man eine andere Umgebung kennenlernt und sich allein zurechtfinden muss. Außerdem ist es ein großer Vorteil, wenn man eine Sprache lernen will. Denn wenn man im Ausland lebt, muss man auch die Landessprache sprechen.
Wie beurteilst du die tschechisch-deutschen Beziehungen?
Aus meiner Sicht sind sie gut. Ich habe in Bayern niemanden getroffen, der ein Problem mit Tschechen hatte. Ich stelle eher fest, dass in Tschechien die Menschen nicht immer offen gegenüber den Deutschen sind.
Gab es etwas, was sich unterscheidet zwischen den beiden Ländern?
Da fällt mir spontan nichts ein. (Ich habe beim Essen auch keinen Unterschied festgestellt. Aber ich habe noch eine kleine Anekdote. An meinem Geburtstag wollte ich Chlebíčky, also Brötchen mit Salami, Käse und Ei zur Party mitbringen. In Prag ist das ganz normal. Aber in Deutschland konnte ich das nirgendwo finden. Dann habe ich Kuchen gekauft.
Du hättest die Chlebíčky auch selber machen können.
Das stimmt, aber darin bin ich nicht sehr gut.
Kannst du dir vorstellen, mal deine eigene Schreinerei zu eröffnen?
Das wäre sehr schön und ist auch mein Traum. Aber leider ist das mit hohen Kosten verbunden, deswegen ist es im Moment unmöglich für mich.
Vielen Dank für das Gespräch Belinda!