Vor 120 Jahren schloss die erste Frau in Prag ein Medizinstudium ab

Anna Honzáková

Am 17. März 1902 bestand Anna Honzáková als erste Frau ein Medizinexamen an der Prager Karl-Ferdinands-Universität. Sie kämpfte für Frauenrechte und gegen die Abtreibung. In ihrer gynäkologischen Praxis behandelte sie auch arme Frauen – ohne dafür eine Krone anzunehmen.

Elizabeth Blackwell | Quelle:  Hobart and William Smith Colleges Archives,  Wikimedia Commons,  public domain

Lange Zeit galt die Medizin als zu anspruchsvoll und ungeeignet für das „schwächere Geschlecht“. Und in der Habsburgischen Monarchie herrschte diese Meinung noch länger vor als anderswo. Elizabeth Blackwell schloss bereits im Jahr 1849 in New York ihr Medizinstudium ab – als erste US-Amerikanerin. In den folgenden Jahrzehnten durften Ärztinnen auch in Großbritannien und Frankreich praktizieren. Hingegen mussten Frauen in Österreich-Ungarn bis Anfang des 20. Jahrhunderts warten, ehe sie zum Medizinstudium zugelassen wurden.

Anna Honzáková 1902 | Quelle: Atelier Langhans,  Zeitschrift Ženské listy,  Wikimedia Commons,  public domain

Als eines von sechs Kindern von Jan Honzák, einem Arzt aus dem ostböhmischen Kopidlno, interessierte sich Anna schon als kleines Kind für Medizin. Nachdem sie 1895 ihr Abitur am Ersten Mädchengymnasium in Prag abgelegt hatte, bewarb sie sich um einen Studienplatz an der Karl-Ferdinands-Universität – ohne Erfolg. 1897 durfte sie immerhin die medizinischen Lehrveranstaltungen als Gasthörerin besuchen, zunächst nur an der deutschen Fakultät, drei Jahre später auch an der tschechischen. Für die Prüfungen jedoch wurde sie nicht zugelassen. Erst im Jahr 1900 wurde Frauen das reguläre Studium an der Medizinischen Fakultät gestattet.

Erstaunte Kommilitonen

Diplom von Anna Honzáková | Quelle:  Museum des Gesundheitswesens - Nationale Medizinbibliothek

Zu dieser Zeit konnte jedermann einer Prüfung beiwohnen – und die von Anna Honzáková riefen bei ihren männlichen Mitstudierenden besonders großes Interesse hervor. Während des praktischen Teils ihres Rigorosums soll der Hörsaal bis auf den letzten Platz gefüllt gewesen sein. Letzten Endes überwand sie alle Hindernisse, und am 17. März 1902 promovierte Anna Honzáková als erste Frau an der böhmischen Karl-Ferdinands-Universität in Prag. Obwohl es sich um ein revolutionäres Ereignis handelte, schrieben ausschließlich Frauenzeitschriften über die Promotion.

Werbung für die Arztpraxis | Quelle:  Tschechische Nationalbibliothek

Nach ihrem Abschluss musste Anna noch ein dreijähriges unbezahltes Praktikum in einer Klinik absolvieren. Es folgte die schwierige Suche nach einem Arbeitsplatz: Viele Direktoren wollten keine Frau einstellen. Mediziner, aber auch Patienten waren einer Ärztin gegenüber äußerst skeptisch. Im Jahr 1905 beschloss sie schließlich, eine eigene gynäkologische Praxis im Zentrum von Prag zu eröffnen. Zu ihren Patienten gehörten Stars des Nationaltheaters, Ehefrauen von Industriellen, aber auch arme Frauen, die Anna Honzáková kostenlos behandelte.

Emanzipation und Aufklärung

Anna Honzáková | Quelle:  Zeitschrift Eva,  Wikimedia Commons,  public domain

Honzáková war Mitglied des Vereins „Minerva“, der das Mädchengymnasium in der Prager Neustadt verwaltete. Sie engagierte sich im „Tschechischen Frauenverein“ (Ženský klub český) und war auch im „Ausschuss für das Frauenwahlrecht“ aktiv. Außerdem setzte sie sich für eine verantwortungsvolle Elternschaft ein und propagierte die Aufklärung über Empfängnisverhütung.

Eine Legalisierung der Abtreibung, wie sie in der Ersten Republik von linksgerichteten Aktivistinnen und der kommunistischen Partei gefordert wurde, lehnte Honzáková strikt ab. Sie befürchtete, ein Schwangerschaftsabbruch könnte den betreffenden Frauen sowohl in medizinischer als auch moralischer Hinsicht schaden. 1939 musste sie ihre Praxis aus gesundheitlichen Gründen schließen. Anna Honzáková starb am 13. Oktober 1940 im Alter von 65 Jahren in Prag.

Heute stellen Frauen rund die Hälfte des medizinischen Personals in Tschechien. Noch höher ist der Frauenanteil bei den Medizinern mit Hochschulabschluss: Etwa sechs von zehn Absolventen sind weiblich.

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