Vor 50 Jahren: Abrechnung mit dem Prager Frühling
Am 14. Januar 1971 veröffentlichte die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KPTsch) ein Dokument, das den Prager Frühling definitiv beendete. Es wurde zu einem Stützpfeiler des Regimes in der neostalinistischen Zeit der „Normalisierung“.
Unter dem Titel „Poučení z krizového vývoje“ (zu Deutsch: Lehren aus der krisenhaften Entwicklung) interpretierte die kommunistische Führung die Reformbemühungen vom Frühjahr 1968 als Initiative „konterrevolutionärer Elemente“. Das Dokument wurde als Beilage der Zeitung „Rudé právo“ sowie als eigenständige Broschüre in hoher Auflage verbreitet. Auch der Tschechoslowakische Rundfunk sendete entsprechende Redebeiträge hoher KPTsch-Funktionäre.
Im Folgenden nahmen die sogenannten Prüfungskommissionen ihre Arbeit auf. Sie sollten „den gesunden Kern der kommunistischen Partei“ von Menschen befreien, die sich im Prager Frühling für gesellschaftliche Reformen eingesetzt hatten. 326.817 Parteiausweise wurden aberkannt, was mehr als einem Fünftel der Mitgliederbasis entsprach. Schon vor Beginn der Überprüfung war es zu zahlreichen freiwilligen Parteiaustritten gekommen.
Druck wurde auch auf Nicht-Mitglieder ausgeübt. Ehemalige politische Gefangene, die sich um ihre Rehabilitierung bemühten, Pädagogen und viele weitere mussten mit ihrer Unterschrift rückwirkend dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen zustimmen. Wer sich weigerte, verlor seine Arbeit oder durfte nicht weiter studieren. Auf diese Weise wurden mehr als 300.000 Menschen vom öffentlichen Leben ausgeschlossen.