Vorgezogene Neuwahlen – Spannung bis zum Ende der Auszählung?

Foto: Filip Jandourek, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Am Freitag um 14 Uhr wurden in Tschechien die Wahllokale geöffnet. Über acht Millionen Menschen sind dazu aufgerufen, in vorgezogenen Neuwahlen über ein neues Abgeordnetenhaus abzustimmen. Dabei werden 200 Sitze vergeben. Die Wahlen waren notwendig geworden, nachdem sich das Abgeordnetenhaus im August aufgelöst hatte.

Miloš Zeman  (Foto: ČTK)
Im Juni war der damalige konservative Premier Petr Nečas über eine Korruptions- und Bespitzelungsaffäre gestolpert. Seitdem befindet sich Tschechien in einer politischen Krise – deswegen die vorgezogenen Neuwahlen. Staatspräsident Miloš Zeman appellierte am Vortag des Urnengangs noch einmal an seine Mitbürger:

„Gehen Sie zu den Wahlen, für wen Sie sich auch immer entscheiden werden! Jeder, der nicht wählt, wählt trotzdem, auch wenn er es nicht weiß.“

Traditionell wird in Tschechien am Freitag und Samstag gewählt. Denn viele tschechische Bürger fahren über das Wochenende aufs Land, und so können sie noch vorher an ihrem Wohnsitz abstimmen gehen. In manchen Fällen dürfte aber auch das diesmal nicht helfen, wie sich Jaroslava aus Prag beschwert:

Foto: ČTK
„Ich finde, der Wahltermin wurde nicht sehr glücklich gelegt, weil Schulferien sind. Vor allem die großen Städte im Land dürften daher ziemlich leer sein.“

Wer ins Ausland verreist, der muss unter Umständen sogar auf die Wahl verzichten. Anders als in Deutschland kann man nicht per Brief abstimmen, sondern nur in ausgewählten Botschaften der Tschechischen Republik.

Insgesamt treten diesmal 23 Parteien und politische Gruppierungen an. Die 200 Plätze im Abgeordnetenhaus werden durch ein Verhältniswahlrecht besetzt, dieses heißt auch „lose gebundenes Listenwahlrecht“. Auf den Wahlzetteln ist nicht nur der Spitzenkandidat oder die Spitzenkandidatin aufgelistet. Vielmehr stehen dort für jede Partei alle Bewerber im Wahlbezirk, und mit insgesamt vier Vorzugsstimmen kann man ihre Reihenfolge noch verändern. Im Wahllokal steckt man dann die Liste nur einer Partei in den Wahlumschlag, damit gibt man zu erkennen, dass man diese Partei wählt. Andrea Horáková gehört der Wahlkommission im zweiten Prager Stadtbezirk an:

Illustrationsfoto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Die Wahlzettel wurden den Wählern im Vorfeld per Post zugestellt. Wir haben aber auch im Wahllokal noch Ersatz-Exemplare, falls jemand seine zu Hause vergisst oder sie nicht erhalten hat.“

Die Wahllokale schließen dann am Samstag um 14 Uhr. Nachfolgend beginnt die Auszählung in den Wahlbezirken, die Ergebnisse fließen alle in Prag beim staatlichen Statistikamt zusammen. Den ersten Trend könnte das Amt bereits gegen 14.30 Uhr veröffentlichen. Bei vergangenen Wahlen gab es dann gegen 17 Uhr eine relativ verlässliche Hochrechnung. Dieses Jahr könnten die wichtigen Entscheidungen jedoch später fallen. Stanislav Drápal ist stellvertretender Leiter des Statistikamtes.

Stanislav Drápal  (Foto: Alžběta Švarcová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Die Auszählung wird zwar in derselben Geschwindigkeit ablaufen wie zum Beispiel bei den Präsidentenwahlen im Januar oder den Parlamentswahlen 2010. Diesmal haben aber wohl mehr Parteien als je zuvor die Chance, die Fünfprozenthürde zu überspringen und ins Abgeordnetenhaus einzuziehen. Früher haben wir immer gesagt, dass es nach der Auszählung von 90 Prozent der Wahlbezirke fast sicher ist, wie die Wahlen ausgegangen sind. Jetzt glaube ich aber, dass die Spannung bis zur Auszählung der letzten Wahlbezirke anhalten wird.“