Vystrčil will mit Taiwan-Reise zeigen, dass Tschechien zu seinen Werten steht
Ist die offizielle Reise eines Politikers aus Prag nach Taiwan im Interesse Tschechiens oder gefährdet sie die Beziehungen zur Volksrepublik China? Zu dieser Frage gibt es hierzulande keine Einigkeit. Denn während das Kabinett und Präsident Miloš Zeman das Verhältnis zu China als einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor preisen, kritisiert der Senat, dass der asiatische Staat mit seinem aggressiven Verhalten die Souveränität Tschechiens bereits mehrfach verletzt habe. Deshalb war man gespannt, ob Senatschef Miloš Vystrčil (ODS) seine geplante Taiwan-Reise auch antreten wird oder nicht.
Die streitbare Taiwan-Reise hat eine traurige Vorgeschichte. Eigentlich wollte sie Vystrčils Parteikollege und Vorgänger im Amt, Jaroslav Kubera, zusammen mit einer Delegation von Wirtschaftsvertretern unternehmen. Kubera starb jedoch unerwartet am 20. Januar dieses Jahres, und nur einige Tage später fand seine Frau Věra in der Aktentasche des Verstorbenen einen Drohbrief von der chinesischen Botschaft und einen weiteren Brief, dessen Absender die Kanzlei des tschechischen Präsidenten war. In beiden Schriftstücken wurde ihrem Mann mit aller Deutlichkeit von der Reise nach Fernost abgeraten.
Warum es diese Schreiben gab und ob sie einen bestimmten Einfluss auf Kuberas Tod gehabt haben könnten, das wollte Senatschef Vystrčil nach seiner Amtseinführung in Erfahrung bringen. Von den Ergebnissen seiner Recherche wollte er auch ableiten, ob er selbst anstelle von Kubera nach Taiwan reist. Am Dienstag gab er nun vor Journalisten die Antwort:
„Mein Fazit ist: Ich werde nach Taiwan fliegen. Und dafür gibt es zwei Gründe.“
Vystrčil weiter:
„Der erste Grund ist meine Überzeugung, dass es der richtige Schritt ist hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes sowie der Entwicklung von Bildung, Wissenschaft und Kultur.“
Und dazu wolle und werde auch der Senat und sein Vorsitzender einen Beitrag leisten, ergänzte Vystrčil. Der zweite Grund sei für ihn ein innerstaatlicher. Denn während der Diskussionen um seine Reise nach Taiwan habe sich gezeigt, dass man erneut vor einem Wertekonflikt stehe, der eigentlich mit der Samtenen Revolution gelöst schien, so Vystrčil. Dazu sagte er:
„Es ist der Konflikt zwischen den Grundwerten und Prinzipien, auf denen unser Staat aufbaut, und einer Vorgehensweise, die ich als ‚Groschenzählen‘ bezeichne. Zu den angesprochenen Prinzipien zähle ich die Souveränität, Unabhängigkeit, den Rechtsstaat, Freiheit und Demokratie. Entweder halten wir uns an diese Prinzipien und Werte, oder wir zählen Groschen.“
Damit kritisierte Vystrčil unmissverständlich das politische Lager um Präsident Miloš Zeman und Premier Andrej Babis (Partei Ano), das regelmäßig die wirtschaftliche Bedeutung Chinas hervorhebt – und dabei in seinen Augen ständig vor Peking kuscht. Dazu nannte Vystrčil ein aktuelles Beispiel aus der schwierigen Zeit zu Beginn der Corona-Pandemie:
„Ich war Zeuge dessen, wie die Hilflosen den Mächtigen ausgeliefert sind. Ich war Zeuge dessen, wie der Premier und der Innenminister in einer Lage steckten, in der sie völlig abhängig davon waren, was ein großes undemokratisches Land macht. Es ging darum, ob es Tschechien nun Schutzmittel liefert oder nicht.“
Auch am Beispiel des Drohbriefs der chinesischen Botschaft an seinen Vorgänger Jaroslav Kubera habe er herausgelesen, dass man China nicht als einen verlässlichen Partner ansehen könne. Vielmehr benutze Peking Länder wie Tschechien nur dafür, um leichter auf den europäischen Markt Fuß fassen zu können, so der Senatschef.
China reagiert daher auch sehr empfindlich, wenn andere Länder eigene Beziehungen zu Taiwan pflegen. Die Volksrepublik sieht den demokratischen Inselstaat als einen Teil seines Machtbereichs an. Und das haben selbst die USA und die EU einschließlich Tschechien offiziell so anerkannt. Auf der anderen Seite hält Tschechien diplomatische Beziehungen zu Taiwan aufrecht. Deshalb werde er die einst von seinem Vorgänger geplante Reise nach Taiwan nun vom 30. August bis zum 5. September antreten, informierte der Senatsvorsitzende. Und schließlich erklärte er, dass auch die Witwe von Jaroslav Kubera seiner Delegation angehören werde.