Wahlen 2006: Wahlkampf aggressiv wie nie zuvor - Sorge um Wahlbeteiligung

Foto: CTK

Wie bereits unseren Nachrichten zu entnehmen war, haben in Tschechien die Wahlen 2006 begonnen. Vier Jahre nach der letzten Parlamentswahl haben landesweit die Wahllokale an 14.760 Orten ihre Tore geöffnet, in denen über 5000 Kandidaten von insgesamt 25 Parteien gewählt werden. Doch nur fünf von ihnen wird eine reale Chance auf den Einzug ins Abgeordnetenhaus eingeräumt. Die Antwort auf die Frage, wie viele von den rund 8.000.000 wahlberechtigten Bürgern an die Wahlurnen kommen werden, bleibt bis Samstag 14.00 eine Unbekannte. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir jedoch bereits einen Rückblick auf die Wahlkampagne 2006 werfen. Es folgt ein Beitrag von Lothar Martin:

Foto: CTK
Jetzt, in diesen Stunden, in denen die Wahllokale geöffnet sind, erlebt man vermutlich auch die ruhigsten Minuten der tschechischen Abgeordnetenhauswahlen 2006. Denn der Wahlkampf, der dem Urnengang voranging, war von einem solch hohen Maß an Aggressivität und persönlichen Anfeindungen geprägt, wie man ihn hierzulande - vielen Aussagen zufolge - noch nicht erlebt habe. Nur wenige Tage vor den Wahlen wurden - lanciert oder rein zufällig - immer wieder neue Affären an die Oberfläche gespült, in denen vor allem immer wieder Korruptionsvorwürfe gegen Politiker erhoben, von den Betroffenen aber stets zurückwiesen und als Intrigen des politischen Gegners gegeißelt wurden. Negativer Tiefpunkt der Wahlkampfschlachten war vermutlich eine in einem geheimen Bericht der Sondereinheit zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens publik gewordene Notiz, nach der sogar Vorwürfe von Kindesmissbrauch laut wurden.

Aufgrund viel versprechender Wahlprognosen stand erstmals auch mit Martin Bursik ein Vorsitzender der Partei der Grünen im Mittelpunkt der Wahlschlacht und der Medienöffentlichkeit. Und auch er zeigte sich eher ernüchtert, als er zum Abschluss des Wahlkampfes seine Meinung darüber kundtun sollte:

Martin Bursik
"Die Art und Weise, wie die Wahlkampagne geführt wurde, hat uns nicht begeistert. Die Aggressivität der politischen Parteien war groß, wir haben das auch am eigenen Leib gespürt. Das ist jedoch nicht so erheblich im Gegensatz zu unserer Sorge, dass die aggressiv geführte Wahlkampagne die Öffentlichkeit in großem Maße davon abhalten könnte, an den Wahlen teilzunehmen."

Etwas anderer Meinung ist da jedoch der Soziologe Petr Mateju, der die Auffassung vertritt, dass Skandale wie die Biosprit-Affäre die Bürger zu einer größeren Aktivität anspornen könnten. Seiner Ansicht nach hätten die Tschechen in den letzten Jahren das Vertrauen in die Politik schon derart verloren, dass eine Affäre mehr oder weniger sie nicht mehr erschüttern könne. Politologin Vladimira Dvorakova wiederum teilt die Meinung von Grünen-Chef Bursik. "In dem Moment, wo der Wähler das Gefühl hat, dass sich etwas tut, was nicht gut ist, wird es für ihn kompliziert, eine Entscheidung zu treffen", erklärte die Politologin. Aber so oder so, eine Entscheidung wird der Wähler treffen. Welche, das wird man frühestens bei den ersten Hochrechnungen am Samstagnachmittag wissen.