Wahlkampf: Kandidatin Kalabkova setzt auf Niederlage
In einem Monat, am ersten Juniwochenende, stehen die Parlamentswahlen an. Um die Irrungen und Wirrungen des Wahlkampfes und eine Kandidatin, die auf ihre Niederlage wettet, geht es im folgenden Radio-Feuilleton von Thomas Kirschner.
Zäh und langweilig zieht er sich seit Wochen dahin, der Wahlkampf in Tschechien - da sind sich die meisten Beobachter einig. Sicherheit und Prosperität versprechen die Sozialdemokraten (CSSD), Sicherheit und Steuersenkungen die konkurrierenden Bürgerdemokraten (ODS). Einen gewissen Humor beweist allenfalls die derzeit mitregierende Freiheitsunion, die nach allen Umfragen irgendwo im Bodensatz der Bedeutungslosigkeit landen dürfte. In einem neuen Wahlkampfhaken wendet sich die Freiheitsunion daher gegen "die da oben" - immerhin kurios für eine Partei, die den amtierenden Justizminister stellt. Wenn´s schon nicht hilft, so sei es wenigstens ein originelles Ende, heißt es sinngemäß auf der Internetseite der Partei. Auch so kann man´s sehen.
Ein originelles Ende ihrer eigenen Kampagne hat offensichtlich auch die Sozialdemokratin Gabriela Kalabkova gesucht, die in Prag um ein Abgeordnetenmandat kandidiert. Da kam der Besuch des deutschen Altkanzlers Gerhard Schröder gerade recht: Abseits aller Gasprom-Affären sollte er in Tschechien seine alten Fähigkeiten als Wahlkampf-Lokomotive nochmals unter Beweis stellen. Und ziehen lassen wollte sich auch Kalabkova. Also flugs eine Wette abgeschlossen: um ein großes Bier und die Frage, ob Kalabkova es denn schaffen wird ins Abgeordnetenhaus. Ein verquerer Kneipenschnappschuss dazu, auf dem Schröder neben Kalabkova mit einem Kerzenhalter ins Bild prostet, ein paar Sätze Wahlkampfprosa über Söhnchen Honza und die Hobbys - fertig ist die Pressemeldung. Eine Kleinigkeit hat Kandidatin Kalabkova allerdings offensichtlich übersehen: Nicht um ihren Sieg hat sie mit Altkanzler Schröder gewettet, sondern um ihre Niederlage: Sollte sie es ins Abgeordnetenhaus schaffen, so heißt es in der Wette, dann muss die bekennende Abstinenzlerin ein großes Bier austrinken. Ganz klar also eine Strafe. Etwas überspitzt, aber klassischer formuliert: Kandidatin Kalabkova erklärt per Pressemitteilung, dass sie einen Besen frisst, wenn sie gewählt wird. Ungewöhnliche Töne in Wahlkampfzeiten! Die neue Offenheit der Sozialdemokraten? Oder vielleicht Zeichen einer schleichenden Unterwanderung durch den politischen Gegner? Immerhin trägt die kandidierende Sozialdemokratin auf dem Schröder-Foto einen strahlend blauen Pullover - Parteifarbe des politischen Hauptgegners, der Bürgerdemokraten, die dem Land wenn nicht das blaue Wunder, so doch immerhin "modra sance", die blaue Chance versprechen.
Was steckt hinter all diesen Wirrungen? Vielleicht gibt der Wetteinsatz von Altkanzler Schröder einen Hinweis: Wenn Kalabkova gewählt wird, dann will Bierliebhaber Schröder nämlich einen Liter tschechisches Sodawasser austrinken - ceska soda. Und genau das ist der Titel der bissigsten Satiresendung des Tschechischen Fernsehens. Die nun offensichtlich ihre Fortsetzung in der Realität gefunden hat.