„Wahnsinnige“ 80 Jahre des Schriftstellers Ivan Klíma

Ivan Klíma

Ivan Klíma ist einer der bekanntesten und meistübersetzten tschechischen Schriftsteller. Der Autor der Prosawerke „Die Liebenden für eine Nacht“, „Liebe und Müll“ oder „Der Richter in eigener Sache“ feiert am Mittwoch seinen 80. Geburtstag. Sein Schaffen wurde von Franz Kafka sowie von Karel Čapek und dessen tolerantem Humanismus beeinflusst.

„Mein wahnsinniges Jahrhundert“,  1. Band | Foto: Academia
„Mein wahnsinniges Jahrhundert“. So hat Ivan Klíma seine zweibändigen Memoiren genannt, in denen er sein bewegtes Leben im 20. Jahrhundert beschreibt. Klíma wurde 1931 in Prag geboren.

Als Kind musste er dreieinhalb Jahre im KZ Theresienstadt verbringen, dies war ein prägendes Erlebnis für ihn. Über den Aufenthalt im KZ und den weiteren Werdegang Ivan Klímas spricht der Literaturhistoriker Jiří Holý:

„Das war eine sehr erniedrigende Erfahrung. Nur wenige Kinder haben es überlebt. Interessant ist aber, dass er in seinem Werk diese Erfahrung nicht so oft reflektiert, wie etwa Arnošt Lustig oder andere tschechische Autoren. Nach dem Krieg wurde er ein eifriger Anhänger des Kommunismus. Wie aber bei einigen Kommunisten der jüngeren Generation, kam es auch bei ihm in den 1960er Jahren zu einer Desillusion und er versuchte, den Kommunismus zu reformieren. Interessant sind seine Rede auf dem Schriftstellerkongress 1967 und sein Engagement im Jahre 1968. Er gehörte zu einer Gruppe um die Zeitschrift Literární noviny, die damals jede Woche in einer Auflage von 300.000 Exemplaren erschien. Nach dem Scheitern des Prager Frühlings konnte er, wie manch andere, nicht mehr publizieren. Er war ein Jahr in den Vereinigten Staaten, kam aber zurück und war einer der Autoren, die im Samizdat und im Exil publizierten. Er hat sehr oft seine Erfahrungen mit dem Kommunismus thematisiert, seine Entzauberung oder Desillusion von den kommunistischen Ideen.“

Ivan Klíma
Gerade die 1960er Jahre waren auch jene Etappe, in der Ivan Klíma – so Holý – den größten Widerhall sowohl in der Literatur als auch in der Gesellschaft fand.

„Klíma war damals Autor von Erzählungen, die sehr viel gelesen wurden und ein riesiges Echo in der Gesellschaft fanden. Das hängt auch mit der Rolle der Schriftsteller in den 1960er Jahren in der Tschechoslowakei zusammen. Die Schriftsteller ersetzten damals die öffentliche Kritik. Das kommunistische politische Regime war zwar sehr geschlossen und steril, aber in der Kultur war eine rege Bewegung zu spüren. Klíma gehörte damals zu jenen Autoren, die versuchten, die Idee des Sozialismus mit den Ideen der Demokratie zu verbinden. Das fand nicht nur in der Tschechoslowakei ein Echo, sondern auch im Westen. Es gab damals die neue Linke und die Studentenbewegung in den Vereinigten Staaten, in Deutschland und in Frankreich, und Klíma war ein Autor, der gerade in diesen Bewegungen etwas galt.“

Jiří Holý
Die Beziehung zwischen Mann und Frau, die Einsamkeit des Menschen oder die Stellung des Schriftstellers am Rande der Gesellschaft sind Themen, die einen roten Faden in seinem Werk bilden. Professor Jiří Holý:

„Sein großes Thema ist die Illusion der Ideologie. Das war, aufgrund seiner eigenen Erfahrung meistens die Illusion der kommunistischen Ideologie. Weitere Themen sind aber auch die Desillusion und die Manipulation. Es beginnt mit der Manipulation durch das Wort, also der Missbrauch des Wortes, dem der Missbrauch der Macht folgt. Er zeigt sehr präzise, wie man mit Worten manipulieren kann, wie man sie missbrauchen kann, und wie man die Menschen manipulieren kann. Das ist sein großes Thema.“

Ivan Klíma
Der fanatische Dogmatismus sei mit dem Fall des Nationalsozialismus und der kommunistischen Vision nicht zu Ende gegangen, stellt Klíma in seinen Memoiren „Mein wahnsinniges Jahrhundert“ fest und warnt von neuen Dogmen und Ideologien: „Ein intoleranter Fanatismus, der aus einem festen Glauben an die Findung der einzigen Wahrheit und eines einzigen Feindes folgt, der darüber hinaus von der Macht geschützt wird: das war immer lebensgefährlich, diesem Fanatismus folgten immer Gewalt und Tod. Gestützt auf moderne Waffen, verbreitet durch moderne Medien kann er noch größeres Verderben als jemals zuvor bringen.“

Ivan Klíma hat über 20 Bücher geschrieben, die in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurden. Für sein Werk hat er zahlreiche Auszeichnungen erhalten, unter anderem den Karel-Čapek-Preis, den Franz-Kafka-Preis und die Verdienstmedaille der Tschechischen Republik.