Wandern und Naturschutz: Kampagne „Ich bin kein Schwein“ ruft zur Müllvermeidung auf
„Obstschalen oder Zigarettenstummel, beide hinterlassen einen Saustall“ oder „Die Natur ist ein Tempel“. So lauten zwei der zehn Gebote für „coole Ausflügler“. Zusammengestellt hat sie eine Initiative unter dem Motto „Nejsem prase“ / „Ich bin kein Schwein“. Touristen werden so dazu angehalten, in der Natur keine Müllspur zu hinterlassen. Die Privatinitiative hat mit minimalen finanziellen Mitteln schon über eine Million Menschen erreicht.
Die gerade zu Ende gehenden Sommerferien haben mehr Tschechen im eigenen Land verbracht als in den Jahren zuvor. Denn die Corona-Krise schränkt die Möglichkeiten für Fernreisen gerade erheblich ein. Das war für viele Menschen aber auch eine Chance, die eigene Heimat wieder neu zu entdecken. Die meisten von ihnen zog es in die Natur: Das Riesengebirge und der Böhmerwald verzeichneten Rekordbesucherzahlen. Der Umwelt tut das leider nicht nur gut. Bei seinen Kontrollgängen durch die Prachauer Felsen im Böhmischen Paradies ärgerte sich Naturwärter Miloš Zeman oft über achtlos weggeworfenen Müll:
„Mit der gestiegenen Zahl an Besuchern hat sich das Müllaufkommen ungefähr verdoppelt. Die Leute schmeißen vor allem benutzte Taschentücher oder andere Hygieneartikel weg.“
Auch mehr Abfalleimer hätten nicht viel geholfen, sagt Zeman. Seine Beobachtungen bestätigt Marie Machalová von der Südböhmischen Tourismuszentrale:
„Ich halte mich selbst häufig und gern in der Natur auf. Leider kann ich bestätigen, dass überall Müll rumliegt. Die Besucher teilen sich in zwei Gruppen auf. Es gibt einerseits Leute, die die Natur sauber halten. Sie sammeln zum Beispiel den Müll gezielt auf. Auf der anderen Seite sind die Menschen, denen das eben leider egal ist.“
Darum hat sich ihre Einrichtung der Kampagne „Nejsem prase“ / „Ich bin kein Schwein“ angeschlossen. Sie gibt Ausflüglern Tipps, wie diese sich verhalten sollen, damit die Natur nicht bald zum „Saustall“ wird, wie die Webseite kundtut. Das heißt vor allem, keinen Müll zu hinterlassen. „Nimm Mitgebrachtes wieder mit“, lautet das zweite der zehn Gebote, die im Mittelpunkt der Kampagne stehen. Die Tipps sind gespickt mit Informationen darüber, wie lange es dauert, bis bestimmte Abfallprodukte verwittern. Štěpán Sedláček, einer der Initiatoren von „Nejsem prase“, kann von positiven Reaktionen berichten:
„Die Leute, die wir mit unserer Kampagne ansprechen, sagen oft, sie hätten nicht gewusst, dass man zum Beispiel Zellstofftaschentücher besser vergraben sollte, wenn man sie schon benutzen muss. Oder Bananenschalen sollten besser nicht einfach im Wald weggeworfen werden, weil sie mit Chemikalien behandelt wurden. Es hat einen sehr positiven Effekt, wenn die Menschen darüber einfach informiert werden.“
Genau das Zusammenspiel von Information und gewitzter Provokation ist es wohl, was die Leute anspricht. Hinzu kommt eine neckische Grafik, die Sympathien erzeugt. Marie Machalová fasst ihre Erfahrungen als Unterstützerin zusammen:
„Den Menschen gefällt die Kampagne sehr gut, vor allem ihre grafische Darstellung. Sie reagieren auch auf den Namen ‚Ich bin kein Schwein‘. Er ist schon etwas schärfer, aber es ist nötig, das so klar auszudrücken. Die Reaktionen sind sehr positiv.“
Gerade über den Namen der Kampagne hätte man lange diskutiert, sagt Štěpán Sedláček:
„Wir hatten zunächst mehrere Varianten. Sie sollten nicht beleidigend sein, aber dennoch beim ersten Hinhören Interesse wecken. Das Ergebnis ist also ‚Ich bin kein Schwein‘. Das Wort Schwein hat den Effekt, dass die Leute mit ihm eine gewisse Unordnung verbinden. Gleichzeitig geht es um die Abgrenzung: Ich bin eben kein Schwein, denn ich hinterlasse in der Natur keine Unordnung.“
In Namensgebung, grafischer Umsetzung und schneller Verbreitung ihrer Kampagne lässt sich erkennen, dass hinter der Initiative Marketing-Profis stecken. Sedláček und seine Kollegen betreiben eine Medienfirma, die Sportveranstaltungen mitorganisiert. Daher rührt ihre Beziehung zu Freiluftaktivitäten und Natur, so der Initiator. Als die Corona-Krise ihre Arbeit plötzlich zum Stillstand gebracht hat, waren sie viel auf Ausflügen unterwegs. Dabei machten sie ihre Erfahrungen und Beobachtungen, und so wurde zu Beginn des Sommers „Nejsem prase“ ins Leben gerufen.
Dank ihres professionellen Know-how wissen Sedláček und sein Team, wie mit geringen finanziellen Mitteln eine große Reichweite erzielt werden kann. Mitte August können sie bereits auf 1,3 Millionen Menschen verweisen, die sie mit ihrer Kampagne erreicht haben. Ihre Facebook-Seite zum Beispiel hat knapp 4800 Abonnenten.
„Zum größten Teil läuft das über die sozialen Netzwerke. Es ist uns aber auch gelungen, traditionelle Medien einzubeziehen. Bisher hatten wir etwa 110 Erwähnungen und Auftritte in tschechischen Medien, und zwar online, im Rundfunk und im Fernsehen. In der Slowakei sind es 50 Erwähnungen.“
Da es sich bei „Nejsem prase“ um eine reine Informationskampagne handelt, sind Facebook, Instagram und ähnliche Seiten ideale Verbreitungswege. Genau die nutzt auch die Südböhmische Tourismuszentrale. Mit Erfolg, so Marie Machalová:
„Wenn wir einen Facebook-Beitrag veröffentlichen, wird er sehr oft geteilt und kommentiert. Ich denke, wir müssen noch mehr Leute damit ansprechen und das Thema publik machen, damit es am Ende wirklich jeden erreicht.“
So wie ihre Organisation haben sich zum Beispiel auch der Tschechische Verband der Naturschützer, der Tschechische Wanderverein oder einzelne Touristenziele vor allen in Südböhmen und Südmähren der Kampagne angeschlossen. Sie alle verbreiten mit Online-Beiträgen oder ausgehängten Postern die „Zehn Gebote für coole Ausflügler“. Diese stehen ebenso wie Flyer und Plakate auf der Webseite der Initiative zum freien Download zur Verfügung.
Weitere Unterstützer hat „Nejsem prase“ in einigen prominenten Sportlern gefunden. Verbindungen zu ihnen haben Sedláček und seine Kollegen dank ihrer Firma und der geteilten Begeisterung für Natur und Sport. Als Botschafter fungieren zum Beispiel der ehemalige Eishockeyspieler Patrik Eliáš, die ehemalige Langläuferin Kateřina Naumannová, der Eiskunstläufer Tomáš Verner oder die Kanufahrerin Veronika Vojtová. Sie alle sind in kurzen Motivationsvideos zu sehen. Kateřina Neumannová etwa präsentiert ihr Grußwort, während sie im Böhmerwald Mountainbike fährt:
„Hallo! Ich grüße euch alle aus dem Böhmerwald. Ich bin gerade in der Gegend um Zlatá Studna (Goldbrunn, Anm. d. Red.), in der Nähe meines Ferienhauses. Es ist wunderschön hier! Und wisst ihr, warum ich hier so gern bin? Nicht nur wegen der schönen Natur, sondern auch, weil es hier sauber ist. Alle, die sich hier aufhalten, können getrost sagen: Ich bin kein Schwein.“
Da Natur keine Staatsgrenzen kennt und gerade der Böhmerwald oder auch die Schneekoppe viele Touristen aus den angrenzenden Staaten anzieht, gibt es die „Zehn Gebote für coole Ausflügler“ auch auf Deutsch, Polnisch und Slowakisch. Deutsche oder Österreicher, die die Kampagne unterstützen wollen, können außerdem die entsprechende Version des Hashtags benutzen: #binkeinschwein.
Mehr Ambitionen, ihre Kampagne auf die Nachbarländer auszuweiten, hätten sie keine, sagt Sedláček. Schließlich haben sie im eigenen Land gerade erst angefangen:
„Wir erwarten jetzt am Ferienende und Anfang September den Höhepunkt der Kampagne. Angefangen haben wir ja damit, dass wir zum Ferienanfang eine Aktionswoche ausgerufen haben. Unter dem Motto ‚Räum den Saustall auf‘ (Auf Tschechischen: Vyčisti chlívek, Anm. d. Red.) haben unsere Unterstützer herumliegenden Müll eingesammelt. Zum Ende der Ferien planen wir eine neue Runde, um zu sehen, wie sich die Kampagne entwickelt hat.“
Zu tun gibt es für die Naturschützer leider genug. Und auch die über eine Millionen Menschen, die „Nejsem prase“ schon angesprochen hat, sind Sedláček noch nicht genug. Daher wollen er und seine Kollegen auch in der Wintersaison weitermachen:
„Gegenwärtig sehen wir, dass sich immer mehr Leute in der Natur aufhalten. Und dass sie auch immer mehr Müll hinterlassen. Wir haben viele positive Rückmeldungen von den Menschen, die sich uns anschließen. Aber gleichzeitig hat es Sinn, die Kampagne auch im nächsten Jahr weiterzuführen. Zum Saisonende und im kommenden Jahr wollen wir uns auf Berghütten konzentrieren und so eine noch größere Zahl an Touristen erreichen. Wir sind ständig unterwegs, sammeln Müll ein und werden die Leute weiter darüber informieren. Es gibt immer noch viel zu tun.“