Ware Gesundheit? Neue Selbstbehalte für Arzneimittel sorgen für Diskussionen

Foto: Jana Sustova

Was hat das Ihnen persönlich das neue Jahr bis jetzt gebracht? "Meine Tabletten sind teurer geworden!" werden viele Tschechen sagen, die sich seit dem 1. Januar ein rezeptpflichtiges Medikament aus der Apotheke geholt haben. Auch wenn es die Betroffenen vielleicht nicht besonders interessiert, warum sie nun tiefer in die Geldbörse greifen müssen: Dass die Arzneimittel teurer wurden, das stimmt nur bedingt. Richtiger ist: Die Versicherungen zahlen weniger auf. Und das per Gesetzesbeschluss. Wie es dazu kam, und welche Auswirkungen das neue System von Dotationen und Selbstbehalten hat, das erfahren Sie nun in der neuen Ausgabe unserer Sendereihe Schauplatz, von Gerald Schubert:

Foto: Jana Sustova
Jan Horácek ist nicht nur Pressesprecher der Tschechischen Apothekerkammer, sondern in erster Linie selbst Apotheker. Seit Jahresbeginn, sagt er, ist sein Job ein bisschen schwieriger geworden. Denn viele Menschen, die regelmäßig Medikamente brauchen und seit dem 1. Januar mehr Geld für ihre gewohnte Medizin ausgeben müssen, sind nicht ausreichend über die Hintergründe informiert. Apotheker wie Horácek fungieren dann oft als Blitzableiter für den ersten Ärger:

"Manchmal reagieren die Leute recht grob - und immer muss ich diese Suppe auslöffeln. Denn das System der Preisgestaltung und der Zuschüsse in der Tschechischen Republik ist eine komplizierte Angelegenheit. Die Proteste, die fallen dann aber auf den zurück, der die Medizin verkauft. Den größten Schock habe ich bei einem Patienten erlebt, der ein Präparat kaufen wollte, bei dem der Selbstbehalt um das Zehnfache angestiegen ist: Von zirka 40 auf 400 Kronen. Der hat mich wirklich mit ordinären Ausdrücken beschimpft."

Insgesamt etwa 500 Erzeugnisse sind für die Patienten nun kostspieliger geworden. In den meisten Fällen um Beträge zwischen 30 und 50 Kronen, also grob gerechnet zwischen einem und zwei Euro. Leona Stepková, die stellvertretende Vorsitzende der Apothekerkammer:

Foto: Jitka Hrabankova
"Das erscheint auf den ersten Blick vielleicht nicht viel. Aber wenn ein Patient täglich zehn verschiedene Medikamente nimmt und der Anstieg bei jedem davon so hoch ist, dann spürt er das natürlich schon. Dabei nehmen gerade alte Menschen die meisten Medikamente. Und noch eine Gruppe kommt hinzu, über die man nur selten etwas hört, und die nun ganz besonders betroffen ist: Das sind Eltern von kleinen Kindern. Kinder nehmen Medizin oft als Sirup ein, weil sie Tabletten noch nicht so gut schlucken können. Und hier muss für absolut alle Produkte aufgezahlt werden."


Wie ist es überhaupt zu dieser Entwicklung gekommen? Am 1. Januar trat eine Novelle des Arzneimittelgesetzes in Kraft, die die Zahlungen der Versicherungen für die Medikamente neu regelt. Und zwar nach bestimmten Beträgen für bestimmte Mengen jedes Wirkstoffes. Eigentlich ein recht üblicher Vorgang, der sich etwa jedes halbe Jahr wiederholt. Diesmal aber sind die Folgen umfangreicher. Grund: Medikamente sind, je nach ihrer Wirkung respektive je nach Krankheit, die sie bekämpfen sollen, in verschiedene Gruppen eingeteilt. Und genau diese Einteilung sieht nun ganz anders aus als noch im Vorjahr. Näheres erklärt Lubomir Chudoba, der Vorsitzende der Tschechischen Apothekerkammer:

"Aus den ursprünglich 521 Gruppen von Arzneimitteln sind nun 300 geworden. Der Grund, warum ich das betone, ist folgender: Nach wie vor gilt zwar die Regel, dass aus jeder Gruppe von Medikamenten mindestens ein Produkt zur Gänze von den Versicherungen bezahlt werden muss. Aber aufgrund der nun geringeren Anzahl dieser Gruppen verringert sich natürlich auch die Anzahl der Produkte, deren Kosten zur Gänze gedeckt werden."

Mit anderen Worten: In vielen Fällen kann es vorkommen, dass ein Medikament, das früher das billigste aus seiner Gruppe war und daher voll von den Versicherungen bezahlt wurde, nun plötzlich nicht mehr das billigste ist. Ein anderes Produkt, das bisher einer anderen Gruppe angehörte, ist nun preiswerter. Die Patienten können nun entweder den entstandenen Selbstbehalt zahlen, oder auf ein anderes Medikament umsteigen, das sich aber möglicherweise in vielen Dingen, wie etwa bei der Dosierung, von dem gewohnten Präparat unterscheidet. Das kann zum Beispiel ältere Menschen vor ernsthafte Probleme stellen. Insgesamt aber sieht auch Chudoba die Erhöhung von Selbstbehalten als Bestätigung eines gesamteuropäischen Trends in Tschechien:

"Die Bürger der alten EU-Staaten zahlen viel mehr für Medizin und ärztliche Pflege auf als wir hier in den neuen Mitgliedsländern. Das bedeutet, dass Selbstbehalte an sich hier noch weiter steigen werden."

Allerdings, meint Chudoba, will ein solcher Anstieg auch gerecht verteilt sein. Um das Gesundheitssystem nachhaltig zu stabilisieren, dürfe sich dieser nicht vorrangig in den Apothekenpreisen niederschlagen, sondern müsse auch für andere, viel kostspieligere Bereiche der medizinischen Versorgung gelten - wie etwa für Krankenhausaufenthalte. Und Chudoba fügt hinzu:

"Damit nicht für manche, sozial schwächere Personen die Medikamente unerschwinglich werden, sollten meiner Meinung nach für diese Menschen jährliche Obergrenzen beim Selbstbehalt eingeführt werden. Nach Gesprächen mit einer Reihe von Patienten, vor allem mit chronisch Kranken, aber auch mit Müttern kleiner Kinder oder mit Pensionisten, bin ich fest davon überzeugt, dass es in Tschechien höchste Zeit für eine solche Deckelung ist."


Das was Lubomír Chudoba angesprochen hat, läuft natürlich auf eine umfassende Reform des tschechischen Gesundheitswesens hinaus. Das Problem ihrer Durchsetzung ist jedoch unter anderem, dass gerade der medizinische Sektor in Tschechien sowohl ideologisch als auch was die sozialen Unterschiede in der Bevölkerung betrifft stark vorbelastet ist. Ein Konsens zwischen der sozialliberalen Regierung mit ihrer überaus knappen Parlamentsmehrheit einerseits und der Opposition aus konservativen Bürgerdemokraten und Kommunisten andererseits ist hier kaum in Sicht. Und so wird es in nächster Zukunft wohl weiterhin provisorische Lösungen geben - da und dort vielleicht etwas ausbalanciert durch die Apotheker. Hören Sie noch einmal Jan Horácek, der dafür ein Beispiel bringt:

"Das Problem ist, dass wir Apotheker nur geringe Möglichkeiten haben, Medikamente gegeneinander auszutauschen. Wir sind im Wesentlichen an das gebunden, was der Arzt verschreibt. Aber machen wir uns nichts vor: Die Ärzte sind oft in der Hand der Hersteller. Das heißt, sie verschreiben oft Arzneimittel, für die die Patienten aufzahlen müssen, auch wenn sie wissen, dass es eines gibt, das die Versicherung zur Gänze bezahlt. Und zwar aus finanziellen Gründen - weil sie bestimmte Kontakte zu bestimmten Firmen haben. Das ist meiner Ansicht nach schlecht. Wenn die Apotheken die Möglichkeit hätten, von sich aus Generika zu verkaufen, auf die es keinen Selbstbehalt gibt, dann gäbe es bestimmt mehr zufriedene Patienten. Ich darf das aber nur dann tun, wenn ich das andere Medikament nicht auf Lager habe. Was mache ich also? Ich habe das andere Medikament einfach nicht auf Lager, wenn es zu teuer ist."