"Was für Kutna Hora die St.-Barbara-Kirche ist, das sind für Nymburkseine Stadtmauern..."

Ein Kranz roter Backsteinmauern mit Zinnen und sechs Türmen, eine blaue Wasserfläche im Vorder- und der hohe Turm der gotischen St.-Ägidius-Kirche im Hintergrund. Dieser Anblick charakterisiert die Stadt Nymburk (Nimburg), die wir in der heutigen Reise-Sendereihe besuchen werden. Bereits vor einem Monat haben Sie von uns in "Reiseland Tschechien"über eine Gemeinschaft der neun Städte Tschechiens gehört, die sich dank ihrer Stadtmauern zusammengeschlossen haben und gemeinsam auf diese Baudenkmäler aufmerksam machen. Nymburk ist eine davon. In die Stadt an der Elbe begleiten Sie in folgenden Minuten Daniel Satra und Markéta Maurová.

Nymburk liegt an der Elbe etwa 50 km nordöstlich von Prag. Es wurde an einem günstigen Ort am Fluss gegründet, wo sich wichtige Fern- und Landstraßen kreuzten und den Wasserstrom überquerten. Über der flachen Landschaft erhebt sich am Zusammenfluss der Elbe und des Flüsschens Mrlina eine Anhöhe, deren Felsengrund verursacht, dass dort die Elbe fast im rechten Winkel abbiegt. Bereits in der Urzeit wurde dieser Ort für die Errichtung einer befestigten Siedlung genutzt. Im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts knüpfte an frühere Ortschaften der Ausbau einer königlichen Stadt an.

Die Entstehung eines Netzes von hochmittelalterlichen Städten gehörte zu den bedeutendsten Änderungen im Königreich Böhmen in dieser Epoche. Bis zum Jahr 1306, als die Herrscherdynastie der Przemysliden ausstarb, wurden mehr als dreißig königliche Städte in Böhmen gegründet. Sie waren Machtzentren und wirtschaftliche Stützen der königlichen Herrschaft. Damit sie ihre Aufgaben erfüllen können, unterstützte der König deren Entwicklung und Aufbau, wobei der Bau der Befestigungsanlagen eine bedeutende Rolle spielte. Ein Mauerkranz mit Türmen garantierte dem König und den Bürgern nicht nur die Verteidigung vor inneren und äußeren Feinden, sondern war auch ein Symbol ihrer gesellschaftlichen Bedeutung. Die Stadtmauern genossen daher im Mittelalter ein hohes Ansehen, und viele Städte und Städtchen strebten nach einer Erlaubnis für den Bau einer Mauer. Diese konnte ausschließlich der Herrscher erteilen, wie auch bei Nymburk der Fall. Über die Nymburker Befestigungsanlage und deren Besonderheiten spricht Jirí Cerný von der Abteilung für Schulwesen, Kultur und Denkmalpflege des Stadtamtes in Nymburk.

"Die Stadtmauern stammen vom Ende des 13. und Beginn des 14. Jahrhunderts. Man begann sie nach der Gründung der Stadt durch den böhmischen König Premysl Ottokar II. um 1275 zu bauen. Interessant ist das Baumaterial: Da das Elbe-Gebiet keinen Qualitätsstein außer den Plänerkalkstein bot, wurden alle Mauern und Basteien aus diesem höchst qualitativen Backstein gebaut. Die Ziegelmauern bestehen eigentlich seit mehr als 700 Jahren und haben in gutem Zustand bis heute überlebt. Nur für die Füllung der Stadtmauer, also für den Raum zwischen zwei Ziegelwänden, wurde der Plänerkalkstein genutzt, der den Untergrund der Stadt bildet. Dieses Baumaterial wurde bei der Grabung zunächst des ersten Burggrabens und später, wahrscheinlich nach den Hussitischen Kriegen, auch des zweiten Burggrabens gewonnen, der die Befestigung verstärken sollte. Das Material ist also relativ einzigartig."

Der Hauptteil der Stadtbefestigung von Nymburk, der unter König Wenzel II. gebaut und wahrscheinlich in den 30er Jahren des 14. Jahrhunderts vollendet wurde, ist eine anderthalb Kilometer lange Befestigungsmauer. Sie ragte in eine Höhe von 7 bis 8 Metern. Am Boden war sie etwa 120 cm breit und verengte sich symmetrisch nach oben. Sehr interessant war ihre Krone. Am Anfang haben wir über die heutige typische Dominante mit einem roten Zinnenkranz an der Südostseite der Stadt gesprochen. Eigentlich handelt es sich dabei jedoch um einen Irrtum des 20. Jahrhunderts, zu dem es bei der Renovierung gekommen ist.

Einen Zinnenkranz, der für die meisten Städte hierzulande charakteristisch ist, gab es nämlich in Nymburk nicht. Die Stadt hatte einen Stadtmauertyp ohne Umlauf und Zinnen, lediglich mit einem kleinen Dach, was in Böhmen ziemlich selten ist. Das lässt sich in Zusammenhang mit den nördlichen Regionen (besonders Schlesien, Lausitz, Brandenburg und Pommern) sehen, mit denen der böhmische Staat unter den letzten Przemisliden und den Luxemburgern intensive Kultur- und politische Beziehungen pflegte. Den heutigen Besuchern der Stadt, die sich auf eine Besichtigung der Stadtmauern begeben wollen, empfiehlt man, die Runde im südöstlichen Teil der Stadt, am Elb-Hafen zu starten.

König Wenzel II.
"Interessant ist ein etwa 200 Meter langer Abschnitt 'Am Hafen'. Dort finden Besucher ein typisches Panorama der Stadt, das etwa in der Fernsehserie 'Zirkus Humberto' und in weiteren Filmen zu sehen war. Es handelt sich wirklich um eine typische Kulisse der Stadt mit der gotischen Kirche im Hintergrund. Die Stadt bemüht sich natürlich, die erhaltenen Abschnitte vorsichtig zu renovieren, und zwar auch an einigen schwer zugänglichen Orten, wo sie etwa durch private Häuser eingeschlossen sind. Wir sagen nämlich: Was für Kutna Hora (Kuttenberg)die St.-Barbara-Kirche ist, das sind für Nymburk die Stadtmauern. Dieses Denkmal genießt natürlich unser hohes Ansehen."

Das System der Stadtbefestigung bildeten im Mittelalter doppelte Stadtmauern mit Graben. Vor der bereits erwähnten Backsteinmauer stand noch ein niedrigerer Ring der so genannten "weißen" Mauer aus Plänerkalkstein. Aus der Hauptmauer ragten etwa 50 mächtige Basteien hinaus, die etwa 30 bis 40 Schritte, das heißt die Reichweite einer Armbrust, voneinander entfernt waren. Vor der Stadtmauer verliefen noch doppelte parallele Gräben:

"Eine weitere Besonderheit der Stadt sind die bereits erwähnten Wassergräben - das Kleine und das Große Bollwerk. Es ist ein Phänomen, das in der Tschechischen Republik selten zu finden ist. Bisher strömt Wasser in den Gräben, so wie es vor vielen Jahrhunderten der Fall war."

Man kann Nymburk auf klassischen Wegen, mit dem Zug oder mit dem Auto erreichen. Jiri Cerny, ein Mitarbeiter des dortigen Stadtamtes, erwähnt aber auch eine andere Möglichkeit, die immer populärer wird. Die Stadtmauern können heute nur von außen besichtigt werden, sonst sind sie nicht zugänglich. In der Zukunft plant man jedoch, eine Ausstellung dort zu errichten:

"Direkt unter der Hauptstadtmauer verläuft ein sehr frequentierter Fahrradweg, der aus Libice nach Celakovice führt. Jährlich fahren dort Tausende Menschen entlang, und daher haben wir dort einige Informationstafeln installiert, die auf das Denkmal aufmerksam machen. Wir möchten künftig ein Museum über die mittelalterliche Stadt errichten, und zwar in dem einzigen Wohnturm mit dem Namen 'Kaplanka'. Dieser schließt sich an das Gebäude des Alten Dekanats an, und so verhandeln wir mit der Kirche über den Kauf dieses Turms, um ihn zugänglich zu machen."

Soweit, liebe Hörerinnen und Hörer, Jiri Cerny und seine Einladung nach Nymburk. Und wenn Sie sich nicht nur für das Mittelalter, sondern auch etwa für die Literatur des 20. Jahrhunderts interessieren, fügen wir noch einen Tipp hinzu: das Bohumil-Hrabal-Museum. Der Schriftsteller Bohumil Hrabal, der an diesem Sonntag seinen 90. Geburtstag feiern würde, verlebte in Nymburk seine Kinderjahre und bekannte seine Liebe zu diesem Städtchen in mehreren seiner Prosawerke. Postriziny ("Kurzgeschnitten") ist das bekannteste davon.

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