Was guckst Du? - Deutsche Kinofilme laufen selten in Tschechien
Das deutschsprachige Festival "Der Film" fand Anfang Oktober in Prag statt. In fünf Tagen sah das tschechische Publikum 25 Dokumentar- und Spielfilme in deutscher Sprache - eine ganze Menge. Doch die großen Kinopalästen hierzulande zeigen vor allem amerikanische Blockbuster und einheimische Produktionen. Deutsche Filme haben es schwer.
"Ich war sehr beeindruckt von dem Film und bedaure, dass Filme dieser Art bei uns in der Tschechischen Republik noch nie gedreht wurden." "Den Film fand ich sehr gut, weil er sich mit der Vergangenheit beschäftigt. Er war ernster, als die Filme vorher. `Goodbye Lenin`, zum Beispiel, war reiner Spaß." "Es ist beneidenswert, dass die Kollegen in Deutschland Filme über ihre eigene Vergangenheit drehen und damit das tun, was hierzulande fehlt."
Im Januar 2007 läuft "Das Leben der Anderen" in den tschechischen Kinos an. Das schaffen höchstens zwei bis drei deutsche Produktionen im Jahr, mit unterschiedlichem Erfolg. Filme wie "Goodbye Lenin" und "Der Untergang" blieben mit über 100 000 Zuschauer weit hinter den amerikanischen Produktionen zurück. "Herr der Ringe" oder "Ice Age" lockten fünf Mal so viele Menschen in die Kinos. "Mädchen, Mädchen" war der erfolgreichste deutsche Film in Tschechien. Im Jahre 2002 erreichte er 230 000 Zuschauer. Der Produzent von "Das Leben der Anderen", Max Wiedemann, setzt jedoch auf den besonderen Stoff seines Filmes.
"Wir haben gesehen, dass der Film auf ausländischen Märkten insgesamt gut funktioniert. Und Tschechien hat im besonderen einen sehr persönlichen Bezug zu der Thematik. Deshalb hoffen wir, dass der Film auch hier sein Publikum findet."In einem modernen Glasgebäude, nahe des Verkehrknotenpunktes Andel, hat der Prager Filmverleih "Bontonfilms" seinen Firmensitz. Hier, im zweiten Stock, arbeitet Marek Jenicek. Er beobachtet den tschechischen und internationalen Filmmarkt, sichtet Trailer von neuen Produktionen und fährt auf große Festivals. Die deutschen Filme spielen nach den amerikanischen und einheimischen Produktionen in Tschechien eine untergeordnete Rolle, erzählt er.
"Mit der Auswahl der Titel ist das so, dass wir uns den Film anschauen und uns dann fragen, an wen er sich richtet und ob er etwas Spezielles hat. Bei dem Film ´Der Untergang` über die letzten Tage Adolf Hitlers zum Beispiel, wussten wir, dass er sicher auch in Tschechien auf ein breites Interesse stoßen wird. Der Film wurde auch in den Medien stark diskutiert, so dass wir schon eine gewisse Erwartung hatten. Ein zweites Beispiel ist `Die weiße Massai`. Da haben wir vorher sehr genau gewusst, an wen sich der Film richtet, denn das Buch hat sich in Tschechien vor allem bei Frauen sehr gut verkauft. Für mich war das im letzten Jahr der beste deutsche Film, der auch ein Publikum außerhalb der deutschsprachigen Länder ansprechen kann."
Marek Jenicek hat im Mai auf dem Festival in Cannes die Vertriebsrechte von "Das Leben der Anderen" für Tschechien gekauft. Schon als er drei Monate zuvor den Trailer auf der Berlinale sah, wusste er, dass dieser Film etwas Besonderes ist, weil er sich ernsthaft mit dem Thema der kommunistischen Vergangenheit auseinander setzt. "Das Leben der Anderen" ist in Deutschland bislang der erfolgreichste Film des Jahres. Doch "Bontonfilms" ist nicht nur an Produktionen interessiert, die im Ausland ein Kassenschlager waren, so Marek Jenicek."Wir kaufen sowohl kommerzielle, erfolgreiche Filme als auch solche für ein anspruchsvolleres Publikum. Für die ersteren würde ich hier etwa aus der amerikanischen Produktion ´Mr. and Mrs. Smith´ nennen, oder von den deutschen Filmen ´Der Untergang´, der hier mit 15 Kopien gelaufen ist und mit 130.000 Zuschauern ein ausgezeichnetes Ergebnis erzielt hat. Zu den Filmen für ein kleineres Publikum gehört etwa ´Gegen die Wand´, der in Tschechien nur mit vier Kopien gelaufen ist und den 10.000 Zuschauer gesehen haben."
"Gegen die Wand" ist in den kleineren Programmkinos Tschechiens gezeigt worden. Vier deutsche Filme im Jahr laufen in den tschechischen Programmkinos, schätzt Jenicek. Wenn sie zwischen fünf und 20 000 Menschen erreichen, sei das schon "ein ganz gutes Ergebnis". Zwei renommierte Programmkinos in Prag sind Aero und Svetozor, in denen im Oktober auch das deutschsprachige Festival "Der Film" stattfand. Unter den 1300 Festival-Besuchern waren sowohl Deutsche, Österreicher und Schweizer, die in Prag leben als auch filminteressierte Tschechen, sagt Paul Püschel vom Goethe-Instut Prag. Dass ausgerechnet die Dokumentarfilme so gut besucht waren, hat Mitorganisator Püschel überrascht. Er führt das auch darauf zurück, dass die Tschechen offensichtlich "das wahre Leben" im Nachbarland interessiert."Eine ganze Reihe von Filmen hat Themen, die in Deutschland oder in Europa sehr virulent sind, zum Beispiel das Thema Immigration. Ich denke, die Filme sind interessant für Tschechien, weil es jetzt zur Europäischen Union gehört. Deshalb beschäftigt man sich hier mit euopäischen Themen. Sicherlich auch mit gemischten Gefühlen, vielleicht sehen die Tschechen auch Probleme auf sich zukommen, aber man hat sich informiert."
Ähnlich hat das auch Uwe Rosentreter von der Filmförderung Baden-Würtemberg beobachtet. Der Filmfond finanzierte das deutschsprachige Festival in Prag mit.
"Nach dem Film "Zur falschen Zeit am falschen Ort", der sich mit dem schwierigen Thema des Mordes an einem Jugendlichen mit neonazistischem Hintergrund beschäftigt, gab es eine sehr interessante Diskussion. An dieser Diskussion waren sowohl Prager als auch Deutsche, die hier leben, beteiligt. Die Diskussion war sehr intensiv, die Filmemacherin wurde regelrecht ausgequetscht. Und das sowohl von den Deutschen als auch von den Tschechen."
Im nächsten Jahr soll das Festival noch mehr als 1300 Menschen erreichen, zieht Radim Habartik von den Programmkinos Aero und Svetozor sein Fazit.
"Natürlich soll sich das Festival in erster Line an die tschechischen Zuschauer richten. Denn das war das Ziel, den aktuellen, zeitgenössischen deutschsprachigen Film der Öffentlichkeit hier zu zeigen. Denn unserer Meinung nach ist er in den tschechischen Kinos nicht so repräsentiert, wie es sein sollte. Ich hoffe, dass wir das Festival im nächsten Jahr wiederholen, denn es gibt noch einen weißen Fleck auf der kulturellen Landkarte Tschechiens, wo so eine Überblicksschau des deutschsprachigen Films hinpasst und ihren Platz hat."