Was ist mit der Opposition los? Gespräch mit dem Politologen Robert Schuster

Die Sozialdemokraten wollen sich wieder ins Bewusstsein der Wähler bringen. Über die Opposition in der tschechischen Politik und die Bedeutung des oppositionellen Machtvakuums sprach Christian Rühmkorf auch mit dem Politologen Robert Schuster.

Robert Schuster, noch vor anderthalb Jahren war die Opposition mit der damaligen Topolánek-Regierung so gut wie gleichauf im Abgeordnetenhaus. Es ging oft einen Schritt vor und zwei zurück. Es war ein ewiges Hin-und-her. Jetzt sind die Sozialdemokraten (ČSSD) in der Opposition sehr leise, die Kommunisten auch. Die Grünen sind komplett raus aus dem Abgeordnetenhaus. Es gibt kaum eine Opposition, bis auf die Gewerkschaften vielleicht, die gerade erst vor einer Woche eine große Demonstration veranstaltet haben. Stimmt der Eindruck, dass es keine Opposition mehr in Tschechien gibt?

ČSSD - die führende Kraft in der Opposition
„Auf den ersten Blick stimmt der Eindruck. Allerdings muss man sagen, dass vor allem die Sozialdemokraten, die innerhalb der Opposition die stärkste oder die führende Kraft sind, in den letzten Monaten seit den Wahlen stark unter ihrem Wert gehandelt werden. Denn die Sozialdemokraten sind eine historisch gewachsene, eine dem Land verbundene Partei. Aber natürlich: Die Sozialdemokraten haben nun ihre eigene innere Krise. Sie müssen eine Neuausrichtung wählen. Sie müssen sich entscheiden zwischen einem harten Oppositionskurs - wie ihn die Vorgängerführung der Partei unter Jiří Paroubek verfolgt hat - und einem etwas konzilianteren Kurs. Das wird sich in den kommenden Monaten entscheiden, auch im Zusammenhang mit dem Ergebnis der Senatswahlen im Herbst. Das wird sicherlich ein wichtiger Meilenstein werden, der dann die Entscheidung bei den Sozialdemokraten in eine konkrete Richtung leiten wird. Aber es stimmt: Gegenwärtig scheint es, dass die Hauptgegner [der Regierung] nicht die Sozialdemokraten sind, sondern dass - wenn ich das etwas überspitzt formulieren darf – die Oppositionspolitik auf der Straße stattfindet.“

Tschechien hat sich immer nach einer stabilen Regierung gesehnt. Jetzt haben wir sie. Tut das dem Land gut? Bringt diese Situation das Land vorwärts?

„Ich denke: Alles andere als das Chaos in den letzten Jahren mit diesen instabilen Verhältnissen, das muss jeder Bürger – egal ob er jetzt diese bürgerliche Regierung unterstützt oder ablehnt – gut finden. Ich meine, das ist ein Wert an sich, der sicherlich auch der tschechischen politischen Kultur – wenn wir das dann in ein paar Jahren beurteilen werden – gut tun wird. Denn das hilft natürlich, dass sich Opposition und Regierung profilieren können, dass auch Gegensätze markanter werden. Das hilft alles auch dem demokratischen Wettbewerb. Die Regierung hat natürlich eine klare Mehrheit. Es ist oft schwieriger mit einer klaren Mehrheit umzugehen. Das heißt, wenn man die Mehrheit hat, dann muss man nicht aufpassen, dass wichtige Reformmaßnahmen vielleicht irgendwo im Parlament untergehen, sondern kann die Maßnahmen durchziehen. Es kommt jetzt auf den politischen Mut der Regierung an, ob sie wirklich ihre ambitionierten Pläne – Stichworte Budgetsanierung, Reform der Sozial- und Rentenversicherung – ob sie das jetzt durchziehen will.“