Wege auf Parnass: Ausstellung über Prager literarische Salons und Cafés
Im 19. Jahrhundert kam es in Böhmen zu einem starken Aufschwung des nationalen Bewusstseins. Zu dieser Zeit begannen sich auch moderne Literatur- und Kunstrichtungen sich zu entwickeln. Die tschechische Kultur hatte jedoch nicht den starken materiellen Hintergrund wie die Kulturen größerer Völker und musste mit bescheidenen Verhältnissen auskommen. Die kulturelle Tätigkeit spielte sich vor allem in bürgerlichen Salons und in Kaffeehäusern sowie Gaststätten ab. Dieses Milieu wird in einer Ausstellung dokumentiert, die unter dem Titel "Die Wege auf den Parnass" im Schloss Hvezda (Stern) in Prag 6 zu sehen ist.
Die Ausstellung trägt den Untertitel "Wohin man in Prag ging, um Musen zu begegnen". Sie zeigt vorwiegend Dokumente, Bücher, Zeichnungen und verschiedene Gegenstände, die aus den Sammlungen des Museums des nationalen Schrifttums stammen, das seinen Sitz auf dem Prager Strahov hat. Die Kulturinteressen wurden der Kuratorin der Ausstellung Yvetta Dörflova zufolge in Böhmen oft in Verbindung mit verschiedenen gesellschaftlichen Ritualen gepflegt. Dazu hätten, so Dörflova, unter anderem das Kaffeetrinken in den so genannten "Kaffeegesellschaften" sowie der Meinungsaustausch in den verschiedenen so genannten "Tischgesellschaften" gehört.
"Die Idee, eine solche Ausstellung vorzubereiten, entstand schon vor sieben Jahren. Wir hatten ursprünglich vor, die Alltagsgeschichte zu dokumentieren, und zwar aus der Sicht des gesellschaftlichen Lebens. Wir wollten beschreiben, wo die Leute damals zusammentrafen, wo sie sich unterhielten. In der Zwischenzeit sind jedoch einige Arbeiten erschienen, in denen das Milieu der Kaffeehäuser und der literarischen Salons beschrieben wurde. Wir bemühen uns darum, in der Ausstellung nicht die erschienenen Arbeiten zu illustrieren, sondern eher den Reichtum unseres Literaturarchivs zu zeigen. Wir versuchen, das Thema aus einer anderen Perspektive zu betrachten."
Das Milieu, in dem man nach Unterhaltung und Bildung gesucht hatte, hat den demokratischen Charakter der tschechischen Kultur für lange Jahre beeinflusst, sagt Yvetta Dörflova. Zuerst macht sie in der Ausstellung auf literarische Salons aufmerksam.
"In zwei Räumlichkeiten werden literarische Salons vorgestellt. Zuerst befassen wir uns mit den Salons, die in der Zeit um 1850 besucht wurden. Danach schenken wir die Aufmerksamkeit einer bewundernswerten Persönlichkeit - Frau Anna Lauermannova - die von allen ´Oma´ genannt wurde. Ihr Salon diente drei Generationen von Schriftstellern und bildenden Künstlern. Anna Lauermannova musste eine hoch interessante Frau gewesen sein."
Neben den Salons wird in der Ausstellung das Milieu der beliebten Gaststätten und Cafés vorgestellt. Bekannte tschechische Schriftsteller wie Jan Neruda, Jakub Arbes oder Jaroslav Seifert trafen sich mit ihren Freunden in "U Jeziska", "U Zlateho litru", "U Pinkasu" oder im Café Slavia. Diese Treffen werden mit Fotos, Zeichnungen sowie mit Eintragungen aus den so genannten "cancbuchy" - einer Art Gedenkbücher dargestellt. Es wird auch an die so genannte "Kneipen-Sorbonne" erinnert, die Bohumil Hrabal im "Goldenen Tiger" gegründet hatte.
Die Ausstellung über die Prager literarischen Salons und Cafés ist im Schloss Hvezda täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr zu sehen und das noch bis zum 28. Oktober.