Weihnachtskrippen als lebenslange Leidenschaft

Buch Weihnachtskrippen

Papier, Pappe, Holz, Teig - salzig oder süß, Draht, Textil und und und - aus diesen und anderen Materialien fertigen in den böhmischen Landen seit Jahrhunderten geschickte Hände künstlerisch veranlagter Handwerker Weihnachtskrippen an, die vom Weihnachtsfest kaum wegzudenken sind. Über diese Tradition haben wir in unseren Programmen wiederholt ausführlich berichtet. Auch heute, am zweiten Weihnachtsfeiertag, wollen wir uns, liebe Freunde, diesem Thema zuwenden. Diesmal soll jedoch weniger von den Weihnachtskrippen selbst - ihrer Geschichte, dem Inhalt, der Anfertigung, dem Material usw. - die Rede sein, sondern viel mehr von Menschen, die ein emotionales Verhältnis zu diesem besonderen Produkt der Volkskunst haben. Mehr sagt Ihnen Jitka Mladkova:

Im Erzgebirge, Böhmerwald, in der ostmährischen Wallachei, oder in Städten wie Pribram, Trebic, Trest - überall dort und auch anderswo auf der tschechischen Landkarte findet man ganze Regionen oder einzelne Orte, wo der Weihnachtskrippenbau als uralt gilt. In keine dieser Lokalitäten will ich Sie, liebe Freunde, einladen, sondern im nachhinein zu einer Buchpräsentation, die kurz vor Weihnachten im Prager Komensky - Museum stattfand - in einem bis zum letzten Sitz- bzw. Stehplatz besetzten Saal, wohl gemerkt! Das vorgestellte Buch trug den Titel "Weihnachtskrippen", versteht sich! Warum sind so viele Menschen gekommen, fragte ich mich im stillen beim Anblick des aus allen Nähten platzenden Raumes - in einer Zeit also, in der hierzulande in vielen Haushalten die Putz- und Backarbeiten traditionsgemäß bereits auf Hochtouren laufen. Die Antwort auf das Warum suchte ich zunächst direkt im Publikum:

"Ich bin seit knapp einem Jahr Mitglied des Vereins der Krippenbauer, interessiere mich sehr für die Volkskunst, und die Weihnachtskrippen gehören eben dazu."

"Weil ich Weihnachtskrippen und ihre Schöpfer und überhaupt all diejenigen bewundere, die uns mit echter Kunst beschenken - mit so einer, die streichelt und beruhigt und nicht - wie soll ich sagen -direkt zur Gewalt provoziert. Als ich noch Kind war, habe ich mir selbst eine Krippe nach Zeichnungen des Malers Mikolas Ales aus Modurit gefertigt. Heute gehört die Weihnachtskrippe meinen Kindern, die sie jedes Jahr, obwohl sie schon erwachsen sind, in der Adventszeit aufstellen."

"Weil ich das echte tschechische Weihnachtsfest liebe - keinen Santa Klaus, sondern das Christkind und die Erinnerung an Betlehem, wo es geboren wurde!"

Und was ist unter dem echten tschechischen Weihnachtsfest zu verstehen, fragte ich weiter:

"Selbstverständlich Weihnachtskrippen, der Besuch in der Kirche, vor allem eine gute Atmosphäre zu Hause und natürlich auch Karpfen mit Kartoffelnsalat und das Weihnachtsgebäck."

Zum Höhepunkt des Abends gehörte die symbolische Taufe des neuen Bildbandes, der auch die beiden Autoren beiwohnten - Jirina Hanova und Frantisek Valena. Frau Hanova, ehemalige Gymnasiallehrerin, sammelte als leidenschaftliche Volkskunstliebhaberin ihr Leben lang alles Mögliche, aber die Weihnachtskrippen hat sie erst kurz vor dem Ende ihrer beruflichen Laufbahn für sich entdeckt. Ende 1989 trat sie als eine der ersten in den neu gegründeten Verein der Krippenbauer ein und beschloss gleichzeitig, Weihnachtskrippen zu sammeln. Seitdem suchte sie intensiv nach Informationen, studierte fleißig die Quellen, stand im regen Briefwechsel mit Gleichgesinnten und reiste kreuz und quer durch das Land. Ihr erstes Figürchen für die Weihnachtskrippe war aus Salzteig und stammte aus dem ostböhmischen Hronov. Mittlerweile füllen zahlreiche Weihnachtskrippen nicht nur ihre Wohnung im westböhmischen Rokycany, sondern sie habe auch - wie sie sagt - die Hälfte des Wohnraums ihrer Datscha auf dem Lande "außer Betrieb gesetzt". Dass ihre Sammlung, die sie als "uferlos" bezeichnet, so existieren darf, verdanke sie nur und allein der Toleranz ihres Ehemannes, sagte sie mir. Und was war es an den Krippen, was sie angesprochen habe, war wiederum meine Frage:

"Ihre künstlerische Gestaltung auf der einen Seite, aber dann, als ich schon länger gesammelt hatte und mich immer mehr in den Geist, oder genauer in die Seele der Krippen vertiefte, hat mich der Gedanke an die konkrete Situation beschäftigt, in der man in die Klemme gerät - ich meine die der hl. Familie. Ich bin selbst aber nicht gläubig. Es war also der Gedanke an die immense Mühe der kleinen Leute, Hilfe zu leisten, was typisch für die tschechische Weihnachtskrippe ist. Es kann sein, dass ich mich im deutschen Milieu nicht so sehr hätte für die Krippen begeistern können, weil sie dort so würdevoll, beinahe imposant wirken. Meinem Herzen näher ist die Atmosphäre der tschechischen Krippe mit ihren lustigen Figürchen. Hier ein eilendes Weibchen mit einem Kissen in der Hand, dort wieder jemand mit einem Striezel unter dem Arm. Das ist eben das, was mir am besten gefällt."

Jirina Hanova kauft sich jedes Jahr eine neue Krippe. Zuletzt verkündete sie ihrer Familie, dies sei bereits die allerletzte gewesen, später korrigierte sie die Aussage auf "die allerletzte neue Weihnachtskrippe". Es habe jedoch nicht danach ausgesehen, dass man ihr glauben würde. Jedes Jahr veranstaltet sie Ausstellungen eigener Weihnachtskrippen und seit kurzem nun ist sie auch Koautorin eines Buches.

Frantisek Valena, der zweite Koautor des Bildbandes, von dem die Rede ist, hat die Tradition der Weihnachtskrippen bereits als kleines Kind in seinem Elternhaus mit vier weiteren Geschwistern kennen und lieben gelernt. Die Krippe ist für ihn ein Attribut von Weihnachten und dies bringt er auch seinen Kindern bei. Er arbeitet als Bühnenbildner in einem Marionettentheater und ist auch Mitglied eines der drei Prager Vereine der Krippenbauer. So verwundert es eigentlich nicht, dass er Weihnachtskrippen sammelt, restauriert und auch selbst anfertigt.

"Es handelt sich hierbei um eine emotionale Angelegenheit, und zu der gehört auch der Kontakt zu Menschen. Viele Leute haben ihre Wehnachtskrippen von ihren Eltern oder ihrem Großvater geerbt und führen so oft die Familientradition fort - kaufen neue Figürchen, restaurieren sie, verändern die Landschaft der Weihnachtskrippe usw. Vor allem aber besuchen sie sich gegenseitig. Stellen Sie sich das vor: Sie kommen nach Trest, stehen auf dem Hauptplatz und fragen: Wer hat hier eine Weihnachtskrippe? Und schon wird man Sie an mindestens 15 Adressen von Familien schicken, die eine Weihnachtskrippe besitzen - drei, vier oder auch fünf Meter breit, anderthalb Meter tief, zwei Meter hoch. Stellen Sie sich vor, so etwas haben manche tatsächlich in der Wohnung! Ich war bei einer Familie zu Besuch, wo ein Gerüst über dem Ehebett aufgebaut stand. Man stellte verschiedene Kartons darauf, holte Moos aus dem Wald, um alles zu verdecken und dazwischen all die Figürchen und Kulissen der Weihnachtskrippe zu postieren. Stellen Sie sich das nur vor! Im Bett lag eine alte Oma unter dem Federbett und direkt über ihrem Kopf ragte eine romantische Alpenlandschaft mit Häusern, Wäldern, Schluchten, Wasserfällen empor. Von einer Seite her näherten sich die drei Könige, gefolgt von einem Umzug mit Kamelen, Pferden, vielen Leutchen usw., usf."

Da muss man sich schon fragen: Wieso hat die Krippentradition so lange überlebt, u.a. auch in Zeiten der jüngsten Vergangenheit, die den Weihnachtskrippen nicht geneigt waren, und trotzdem hat sie im Bewusstsein des Volkes sozusagen festen Fuß gefasst? Frantisek Valena hat dafür die folgende Erklärung:

"Ich glaube, dass die Besonderheit unserer tschechischen Weihnachtskrippen darin besteht, dass sie nicht einen ausschließlich religiösen Charakter haben. All die Figürchen stellen einfaches Volk dar - Handwerker, Weibchen, Männchen - und jeder bringt dem Christkind das Beste mit, was er besitzt und wovon er glaubt, dass es das Christkind brauchen wird."

Was ist das Spezifikum der tschechischen Weihnachtskrippen? Haben sie einen eigenen Geist?

"Hundertprozentig! Wissen Sie, in den deutschsprachigen Ländern, in Bayern z.B., gibt es auch solche Vereine der Krippenbauer wie bei uns, aber die sind anders als bei uns organisiert, und zwar hauptsächlich bei einzelnen Kirchen bzw. Kircheninstitutionen. Sie bauen auch Weihnachtskrippen, aber haben es doch etwas leichter: Braucht man für die Weihnachtskrippe z.B. eine Harke, so geht man in ein Spezialgeschäft und findet einen Karton mit Harken in der Größe von zwei bis 25 Zentimeter, einen Holzklotz, in dem ein Beil steckt und daneben vier Holzstücke - von 2 bis 25 cm groß, ebenso Dachziegel, Palmen, Brunnen, Kometen, kurzum alles. Das gibt´s bei uns nicht. Die Bayern können sich also alles schön fertig kaufen und dazu noch Fachbücher, wo alles genau erläutert ist, genauso wie bei einem Schnittbogen für ein Frauenkleid. Dem Tschechen bleibt nichts anderes übrig, als es eigenhändig anzufertigen. Und das ist das Schöne daran. Man besucht sich gegenseitig mit den Ehepartnern, stellen Sie sich vor, erwachsene Leute, und es hört sich dann etwa so an:

"Also, Hans, ist dir aber diesmal ein toller Trümmerhaufen gelungen. Man springt vor Freude auch z.B. um einen faulen Baumstumpf herum, den man mit ein bisschen Moos beklebt hat, und die ganze Familie, ach was, ganze Familien sind überglücklich!!"

Abschließend habe ich mich an den Verleger Slavek Tejkal mit der einfachen Frage gewandt, was er dem neuen Buch auf dem Weg zu den Lesern wünsche. Hier ist seine Antwort:

"Wir wünschen uns, dass sich die Leser beim Blättern in diesem Buch bewusst darüber werden, dass das, was Ihnen so lange verwehrt wurde, die ganze Zeit weiter gelebt hat und auch weiter existiert und dass Sie dieses Buch zu jeder beliebigen Zeit, nicht nur zu Weihnachten, daran erinnern kann, wie viel Schönheit und Freude ganz einfache Leute für sich selbst und für andere Menschen geschaffen haben!"

Damit sind wir, liebe Freunde, am Ende unserer Sendung angelangt, in der es nicht nur um Weihnachtskrippen ging, sondern viel mehr um Leute, die eine wahre Leidenschaft für Weihnachtskrippen haben. Bei der erwähnten Buchpräsentation im Prager Komensky-Museum traf dies wohl auf alle zu! Damit verabschiede ich mich, bedanke mich fürs Zuhören und wünsche einen schönen letzten Weihnachtsfeiertag!