In Westminster ausgezeichnet: Chrudim wird „lebenswerte Stadt“

Chrudim, photo: www.chrudim-city.cz

Schiffsschraube, Marionetten, Weltgesundheitsorganisation, Westminster und sichere Wege für Kinder in die Schulen. Das alles passt zur ostböhmischen Stadt Chrudim. Denn der Erfinder der Schiffsschraube, Joseph Ressel, stammte aus Chrudim. Das größte tschechische Museum der Marionetten befindet sich auch in Chrudim. Die Lebensbedingungen hier entsprechen den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation. Und dazu tragen unter anderem auch die sicheren Schulwege bei. Im Stadtteil Westminster in London wurde deswegen Chrudim für die Qualität seiner Lebensbedingungen mit dem Livcom Award ausgezeichnet.

Ein gläserner Pokal schmückt ein Schaufenster in der Hauptgeschäftsstraße in Chrudim. Es ist aber kein gewöhnlicher Pokal für den Sieg in einem Fußball- oder Eishockey-Turnier. Vielmehr wurde er für die gute Lebensqualität in der Stadt verliehen. Livcom Award heißt der Preis, für den der Pokal vergeben wurde, und mit ihm werden Städte aus der ganzen Welt ausgezeichnet. Viele anspruchsvolle Kriterien, die unter anderem auch von der Weltgesundheitsorganisation erstellt werden, musste Chrudim erfüllen. Was die Jury alles bewertet hat, zählt Šárka Trunečková aus dem Rathaus der Stadt auf.

Chrudim
„Sie hat sich zum Beispiel für den Bereich ´Gesunder Lebensstil´ interessiert und wie wir die Bevölkerung darüber aufklären. Ausgesprochen gefallen hat der Jury unsere Wanderung auf die Schneekoppe, die wir am Welt-Nichtrauchertag veranstaltet haben. Unsere Dolmetscherin garnierte dies mit dem kleinen Witz, dass wir den Aufstieg ohne Sauerstoffmasken bewältigt haben. Dann folgten die Kriterien, die die Stadtplanung betreffen. Es ging darum, auf welche Weise wir die Öffentlichkeit mit einbeziehen, wie wir Gespräche am runden Tisch gestalten, wie wir Meinungsumfragen und Untersuchungen machen, wie wir uns um die Umwelt kümmern und wie wir ökologisches Wissen in Schulen verbreiten. Dazu gehörte auch die Pflege des Kulturerbes und die Landschaftspflege nach Gesichtspunkten nachhaltiger Entwicklung.“

Šárka Trunečková ist Koordinatorin des Projektes „Gesunde Stadt, Healthy City“ - ein internationales Projekt, das auch von der Uno unterstützt wird. Der stellvertretende Bürgermeister von Chrudim, Petr Řezníček, ist zudem der Vorsitzende des Netzes der „Gesunden Städte“ Tschechiens. Beide haben sie die ostböhmische 24.000-Einwohner-Stadt in Westminster repräsentiert, wo Ende November der Livcom Award überreicht wurde. Die Präsentation war für die Delegation eine harte Probe. Šárka Trunečková gesteht, dass sie Lampenfieber hatte.

„Wir alle hatten Angst, obwohl wir es uns nicht eingestehen wollten. Für mich mindestens war das wie eine weitere Abiturprüfung. Wir setzten uns an den Tisch gesetzt, starteten die Präsentation und uns gegenüber saß die dreiköpfige Jury. Die Mitglieder kamen aus Japan, Belgien und Kanada. Und nun sollten wir sie davon überzeugen, dass man bei uns so gut lebt, wie wir behaupten“, beschreibt Trunečková die Atmosphäre.

Die Jury habe auf sie einen strengen Eindruck gemacht. Umso größer war dann die Überraschung, als Chrudim spät in der Nacht in der Kategorie B, also unter den Städten zwischen 20.000 und 75.000 Einwohnern, als Sieger gekrönt wurde. Gold in dieser Kategorie erhielten insgesamt drei Städte: außer Chrudim noch Kladno in Mittelböhmen und das US-amerikanische City St Cloud. Kladno hatte am Livcom Award schon zum vierten Mal teilgenommen. Chrudim war Neuling und wollte eigentlich nur Erfahrungen sammeln.

Und gerade der Austausch von Erfahrungen ist auch ein wichtiger Punkt der Veranstaltung. In Westminster sprachen die Vertreter von Chrudim mit vielen ihrer Kollegen aus der ganzen Welt. Šárka Trunečkvá:

„Dies hat uns viele Anregungen gegeben. Wir haben viele Ideen mitgenommen, die wir aber den Bedingungen in der Tschechischen Republik und in Chrudim anpassen müssen. Vieles kommt aus Schweden, dort wird großer Wert auf einen gesunden Lebensstil gelegt. Zudem hatten die Neuseeländer eine interessante Präsentation, sie war auf Kulturerbe und Tradition ausgerichtet.“

Aber auch Chrudim hat selbstverständlich einiges zu bieten. Entlang des Radweges beim Theater sind im Frühling des vorigen Jahres beispielsweise unter Teilnahme der Öffentlichkeit neue Bäume gepflanzt worden. Das ist eines der Projekte, welches die Delegation aus Chrudim in Westminster vorgestellt hat. Im Rathaus wird Abfall getrennt, aber auch an allen Kindergärten und Grundschulen. So lernen bereits die Kinder den Umgang mit der Natur. Chrudim hat zudem ein Projekt zur Nutzung von Brachflächen vorgestellt, es handelt sich um die Rekonstruktion einer alten Zuckerfabrik. Dazu kommen Freizeitaktivitäten: So lässt Chrudim im Winter zum Beispiel Langlaufloipen spuren, für Graffiti-Künstler werden vier Flächen bereitgestellt und vieles mehr.

Ebenso kamen die Maßnahmen zur Verkehrssicherheit bei der Jury gut an. Chrudim veranstaltet jedes Jahr die Aktion “Fahrradfahren nur mit Helm“, da in Tschechien seit 2006 das Helmtragen für Kinder Pflicht ist. Bei der Aktion hilft die städtische Polizei. Ihre Beamten besuchen Schulen und erzählen den Kindern, was erlaubt ist und was nicht. Überhaupt wird viel für Kinder getan. So wurde ein städtischer Kindergarten im vergangenen Jahr mit einem Öko-Garten ausgestattet.

Chrudim
„24 Tonnen Mergel wurden hergebracht. Aus dem Mergel wurden dann die Wand und die Randsteine eines Kräutergartens geformt. Dazu kamen noch acht Tonnen Kies, acht Tonnen Geröll und etwa sechs oder sieben Steine, von denen jeder etwa eine Tonne wiegt“, beschreibt die Direktorin des Kindergartens, Iva Škaloudová, den Bau des Öko-Gartens.

Angelegt wurde hier unter anderem ein Spürweg. Über ihn geht man barfuß und mit verbundenen Augen, am besten natürlich im Sommer, wenn es warm ist. Unter den Füßen lassen sich dann die unterschiedlichen Materialien spüren: Sand, Ton, Kiesel oder Holz. Zudem lernen die Kinder hier Kräuter und Bäume kennen und sie beschäftigen sich mit Naturphänomenen.

Aber nicht nur die Materialien und Düfte im Öko-Garten sind angenehm in Chrudim. Selbst die Behörden der Stadt können sich so bezeichnen lassen. Schließlich wurde das städtische Amt bei der Veranstaltung in London mit Lob bedacht. In Tschechien selbst reichte es sogar zur Prämierung.

„Chrudim ist für seine öffentliche Verwaltung vom Innenministerium ausgezeichnet worden. Das städtische Amt gehörte zu insgesamt 18 Behörden und Organisationen in Tschechien, die mit einem Preis bedacht wurden. Das Innenministerium hatte zuvor bestimmte Kriterien vorgegeben und die Institutionen, die teilnahmen, mussten diese erfüllen“, sagt der stellvertretende Bürgermeister Petr Řezníček.

Obwohl Chrudim bereits eine besonders lebensfreundliche Stadt in Tschechien ist, will es sich weiter entwickeln. Es gibt bereits weitere Projekte, die vollendet wurden, wie der Umbau des Stadtparks. Und eine ausgesprochene Neuheit in Tschechien ist ebenso geplant: naturnahe Rundkurse, auf denen sich Mountainbiker austoben können, ohne Schäden im Wald anzurichten. Vorbild ist dabei das kanadische Vancouver.

Doch zum Schluss doch noch einmal eine kurze Frage zur Veranstaltung in London an die Koordinatorin des Projekts „Gesunde Stadt“ in Chrudim, Šárka Trunečková. Da der Livcom Award doch in Westminster übergeben wurde, war dort denn dann auch ihre Majestät Königin Elisabeth II.?

„Nein, die Königin war nicht dort. Veranstalter war die Stadt Westminster, teil nahm die Bürgermeisterin von Westminster.“

Nun denn; auch ohne königliche Beteiligung will Chrudim sich in diesem Jahr erneut um den Livcom Award bewerben.

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