Wie der brave Tscheche den Minderwertigkeitskomplex verscheuchen kann

Die Tschechen sind ein braves Volk. Doch anders als ihr literarischer Antiheld aus der Zeit der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, der brave Soldat Schwejk, leiden sie mehrheitlich noch immer an einem Mangel an Selbstbewusstsein. Oder anders gesagt: an ihrem weiter wuchernden Minderwertigkeitskomplex.

Deshalb nehmen viele von ihnen erst spät oder gar nicht richtig wahr, was ihre Landsleute zu leisten imstande sind. Im Sport konnten sie schon den schnellsten Marathonläufer und den weitesten Skiflieger der Welt zu den Ihren zählen. Heute kommen der Weltrekordler im Zehnkampf und die westbeste Ausdauerläuferin im Eisschnelllauf aus dem Moldauland. Ihre Erfolge werden geschätzt, den Athleten aber wird nicht gehuldigt. Groß ist der Jubel, wenn eine eigene B-Auswahl die Fußball-Nationalmannschaft von Deutschland schlägt. Aber wehe, wenn die Eishockeystars wie im Vorjahr bei der WM über die Deutschen stolpern. Dann möchte der brave Tscheche am liebsten im Boden versinken und mit den „Versagern“ nichts zu tun haben.

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Allmählich aber merken immer mehr Tschechen, dass man auf das, was man selbst schafft, auch stolz sein kann. Und auch auf das, was man mit eigenen Mitteln finanzieren kann. Aber zuvor schlägt der brave Tscheche die Hände über dem Kopf zusammen und jammert: „Na to nemáme, my jsme přece mála země“ (Das schaffen wir nicht, wir sind doch ein kleines Land). Wie vor sechs, sieben Jahren, als es galt, eine neue Arena für die Eishockey-Weltmeisterschaft 2004 zu errichten. Keiner klotzte, alles kleckerte. Bis sich die Lotterie-Gesellschaft Sazka vor den Karren spannte und der heutigen O2-Arena zur Inbetriebnahme daher ihren Namen gab. Inzwischen hat der multifunktionale Großbau schon eine ganze Latte voller Events erlebt. Madonna, Depeche Mode oder Phil Collins – alle waren sie schon da, und ihre Konzerte waren ausverkauft. Die Eishockey-WM des Jahres 2004 ist nach wie vor das am besten besuchte Championat des Puck- und Kufensports. Auch oder gerade wegen der Superatmosphäre in der damaligen Sazka Arena.

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Doch auch im ganz normalen Liga-Alltag haben die Tschechen von „ihrer Arena“ längst Besitz ergriffen. Zum Auswärtsspiel bei Slavia Prag fahren die Fans aus Pardubice schon traditionell mit dem Sonderzug. Wenn die Pilsener in der Arena gastieren, ist die Autobahn D5 voll mit ihren Kennzeichen. Und als die Karlsbader hier gegen Slavia im Finale standen, wurde mit 17.123 Zuschauern ein neuer Liga-Besucherrekord aufgestellt. Die Tschechen kommen gern in ihre Toparena, trotz der Toppreise und strengen Einlasskontrollen, die ihr Markenzeichen sind.

Vor wenigen Wochen haben nun auch die Fußballfans von Slavia Prag ein neues, modernes Stadion erhalten. Die sehr lange „Leidensgeschichte“ vom fehlenden Geld, zögernden Investoren und amateurhaften Cluboberen hat endlich ein Happyend gefunden. Und wurde sogleich gekrönt – mit dem Meistertitel. Im Länderspiel gegen Litauen sorgten über 14.000 Tschechen für prima Stimmung. Sie haben die neue Arena für sich erobert und hoffen nun, dass zur EM auch ihre Kicker „Europa erobern werden“. Ein Titel als Underdog, ohne Nedvěd und Rosický, das wär doch was – genau das Richtige für das schmale Selbstvertrauen.