Wie „übersetzt“ man Poesie?
Im nordböhmischen Liberec / Reichenberg diskutieren derzeit 20 Dichter und Übersetzer aus Tschechien, Deutschland und Polen, wie sich Poesie in andere Sprachen übertragen lässt. Die Veranstaltung nennt sich „Poesie in Bewegung“, und Besucher sind willkommen.
„Es geht darum, dass sich nicht nur die Autoren treffen, sondern auch die Übersetzer – denn es bestehen Fragen nach der Beziehung des Übersetzers zum kreativen Prozess und wie sich Literaturwissenschaftler an diesem Prozess beteiligen können. Welche Grenzen bestehen also zwischen Künstler, Übersetzer und Theoretiker?“
Es ist nicht die erste solche Zusammenkunft von Dichtern, Übersetzern und Wissenschaftlern aus Tschechien, Deutschland und Polen. Zweimal bereits wurde über die Fallstricke von Übertragung und Nachdichtung diskutiert, veranstaltet von der Sächsischen Akademie der Künste, der erwähnten Technischen Hochschule sowie der Wissenschaftlichen Bibliothek in Liberec. Diesmal steht noch ein weiterer Aspekt im Mittelpunkt: welche neuen Herausforderungen durch die Veränderungen in der Medienlandschaft entstanden sind. Auf deutscher Seite gehört der Literaturkritiker Peter Geist zu den Organisatoren:„Es gibt neue Fragen, so etwa: Wie übersetzbar sind digitale Poesie und audiophone Poeme? Sind technisch generierte Übersetzungsprogramme für künstlerische Texte brauchbar oder nicht? Wie weit verändern soziale Medien die Übersetzungspraxis poetischer Texte? Das heißt weg vom singulären Übertragen hin zu kollektiven Formen der poetischen Übersetzung.“
All das wird in Vorträgen, Diskussionen und drei (sogenannten) „Werkstätten“ von Mittwochnachmittag bis Donnerstagabend erörtert. Unter den Teilnehmern sind auch klingende Namen, so aus Tschechien etwa Radek Malý, der bereits zweimal den wichtigsten Literaturpreis des Landes gewonnen hat, den Magnesia Litera. Erst kürzlich hat Malý seine Übertragungen der Gedichte von Georg Trakl, Jakob von Hoddis und weiteren Künstlern des Expressionismus in einem neuen Buch herausgebracht. Aber auch deutsche Prominenz hat sich angesagt:„Ich freue mich zum Beispiel sehr, dass es uns gelungen ist, die Grande Dame der deutschen Poesie Elke Erb für diese Veranstaltung zu gewinnen. Sie hat gerade den renommierten Eduard-Mörike-Preis erhalten. Und da Pavel Novotný und ich es uns zur Aufgabe gemacht haben, Lyrikerinnen und Lyriker einzuladen, die genauso als Dichterinnen und Dichter relevant sind, wie auch als poetische Übersetzer, sind wir im Falle Elke Erbs besonders glücklich“, so Peter Geist.
Von den jüngeren Autoren aus Deutschland ist zum Beispiel Charlotte Warsen aus Berlin nach Liberec gekommen. Auch sie wird – neben den erwähnten Radek Malý und Elke Erb sowie Weiteren – am Mittwochabend in der Buchhandlung Fryč lesen. Doch ebenso die Werkstätten, Vorträge und Diskussionen sind frei zugänglich, so Pavel Novotný:„Sie richten sich im Grunde an die breiteste Öffentlichkeit. Der einzige ‚kleine Fehler‘: Alles wird auf Deutsch veranstaltet. Wir haben uns darauf verlassen, dass alle Teilnehmer und Gäste der deutschen Sprache mächtig sind.“
Eine Ausnahme von dieser Sprachregelung besteht aber zum Abschluss am Donnerstag, wie der tschechische Germanist betont:
„Am Abend im Kino Varšava sind drei Performances geplant, die fast ohne Sprache auskommen. Da kann praktisch jeder kommen.“
Detaillierte Informationen zum Programm finden sich auf der Webseite www.poesieinbewegung.com.