Wie weiter ohne Gas aus Russland? Deutschland und Tschechien unterzeichnen Solidaritätsabkommen
Deutschland und Tschechien haben am Montag eine gemeinsame Erklärung zur Energiesicherheit abgegeben. Unterzeichnet wurde sie vom tschechischen Industrie- und Handelsminister Jozef Síkela (parteilos) und dem Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck (Grüne).
Es war der erste Besuch eines deutschen Wirtschaftsministers in Tschechien seit 13 Jahren. Tschechien und Deutschland ziehen an einem Strang – auch in dem Falle, dass die Gaslieferungen aus Russland gänzlich eingestellt werden. Das ist die Kernaussage der gemeinsamen Erklärung von Síkela und Habeck. Der tschechische Industrie- und Handelsminister betonte bei dem Treffen, dass man sich derzeit in einem Krieg befinde:
„Auch wenn Russlands Krieg gegen die Ukraine bereits Tausende Menschen das Leben gekostet hat, lehnt Russland es ab, die Invasion als Krieg zu bezeichnen. Ähnlich ist es mit dem Energiekrieg. Diesen hat Russland noch vor dem Überfall auf die Ukraine entfesselt. Und auch in diesem Fall fehlt die Kriegserklärung Russlands. Lassen Sie es uns offen sagen: Der russische Diktator Vladimir Putin benutzt Energie als Waffe gegen uns.“
So sei Síkela zufolge nicht auszuschließen, dass schon sehr bald gar kein Gas mehr aus Russland nach Europa fließen wird. Denn die Pipeline Nord Stream 1 ist seit Montag wegen regulärer Wartungsarbeiten außer Betrieb. Und die Befürchtungen sind groß, dass sie am geplanten Termin kommende Woche Donnerstag nicht wieder hochgefahren wird. Doch derzeit könne man dazu nur spekulieren, betonte Robert Habeck:
„Ob Nord Stream 1 nach zehn Tagen Wartung wieder ans Netz geht oder nicht, das weiß man nicht. In der Vergangenheit haben wir gesehen, dass technische Gründe vorgeschoben werden, um quasi eine politische Wartung vorzunehmen. Da es einmal bereits passiert ist, kann es natürlich wieder dazu kommen. Aber man müsste in Putins Kopf hineinschauen, um zu verstehen, was geschehen wird. Und vielleicht ist das ein Einblick, den wir lieber gar nicht vornehmen wollen.“
Habeck betonte, jeder Bürger könne durch Einsparungen zu einer Verbesserung der Energiesicherheit beitragen. Dies geschehe derzeit schon – auch wegen der steigenden Kosten.
Ob am 21. Juli wieder Gas durch Nord Stream 1 fließt, ist unklar. Dahingegen steht aber schon fest, dass Tschechien im Falle von Engpässen auf Deutschlands Unterstützung setzen kann. Robert Habeck dazu:
„Wir brauchen Gas aus Norwegen, aus den Niederlanden und die Importe im südeuropäischen Raum, etwa über Italien. Umgekehrt weiß Deutschland aber, dass es das Gas weiterverteilen muss. Wir kommen in dieser Situation nur weiter, wenn wir uns gegenseitig helfen. Diese gegenseitige Solidaritätserklärung haben wir nun noch einmal als Rahmenabkommen unterzeichnet. In den nächsten Wochen werden wir sie finalisieren und festlegen, wie die konkreten, dann schon sehr exakten Schritte der Zusammenarbeit aussehen werden.“
Derzeit ist die Solidaritätserklärung noch nicht sonderlich konkret. Allgemeiner heißt es lediglich, dass Flüssigerdgas ein zentraler Bestandteil der Energieversorgung sein soll, oder dass die erneuerbaren Energien ausgebaut werden sollen. Zudem wurde festgehalten, dass das finale Abkommen im Hinblick auf die Erdgasversorgung noch vor der Heizsaison in diesem Jahr unterzeichnet werden soll.
Darauf ist Tschechien angewiesen, denn das Land ist fast komplett von russischen Gasimporten abhängig – und der Großteil davon kommt über Deutschland ins Land. Minister Síkela zufolge sind die Gasspeicher derzeit zu 75 Prozent gefüllt, zudem habe man Kapazitäten in einem LNG-Terminal in den Niederlanden angemietet.
Neben dem bilateralen Rahmenabkommen, das laut Habeck trotz des europäischen Solidaritätsmechanismus von Nöten ist, haben beide Minister in Prag auch über weitere wirtschaftliche Themen gesprochen. Thema waren etwa die Digitalisierung in der Industrie und der Automobilsektor. Im Hinblick auf die potentielle Gigafabrik für Batterien, die der Volkswagenkonzern womöglich in Tschechien bauen könnte, sagte Síkela:
„Es ist kein Geheimnis, dass wir von der Regierungsseite her alles unternehmen, um den Wünschen und technischen Ansprüchen einer möglichen Gigafactory entgegenzukommen. Wir haben 200 Hektar dafür zur Verfügung gestellt, was für Tschechien keine kleine Fläche ist.“
Als Lokalität wurde ein ehemaliger Militärflughafen in der Nähe von Plzeň / Pilsen ausgewählt. Zum aktuellen Stand der Verhandlungen sagte Síkela, dass das Grundstück vor zwei Wochen von VW-Experten technisch bewertet wurde. Man wolle die Verhandlungen jedoch langsam angehen und nichts überstürzen, so der Minister.