Wiener Ökonom Havlik: „Der Euro ist Teil der europäischen Integration“

Peter Havlik (Foto: Gerald Schubert)

Am 1. Januar 2014 ist Lettland der Eurozone beigetreten. In der Slowakei wird sogar schon seit fünf Jahren mit dem Euro bezahlt. Tschechien hingegen hielt sich bis jetzt lieber im Abseits, vor allem konservative Regierungen und der ehemalige Präsident Václav Klaus konnten einem Beitritt zur Währungsunion wenig bis gar nichts abgewinnen. Mit der neuen Regierung ist nun jedoch frischer Wind in die Diskussion gekommen. Peter Havlik, gebürtiger Prager und Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche, hat kürzlich in Prag an einer Konferenz zum Thema Euro-Einführung teilgenommen.

Peter Havlik  (Foto: Gerald Schubert)
Herr Havlik, die neue tschechische Regierung signalisiert große Umwälzungen, vor allem in der Außen- und Europapolitik. Es ist vielleicht sogar eine Hinwendung zum Euro erkennbar, zunächst einmal verhandelt die Regierung über die Annahme des Fiskalpakts. Welchen wichtigsten Rat würden Sie der Tschechischen Republik auf den Weg mitgeben?

„Für mich ist das zunächst einmal eine erfreuliche Entwicklung. Bis vor kurzem ist die Tschechische Republik im Rahmen der europäischen Diskussionen sehr negativ aufgefallen. Die negative Einstellung zur gemeinsamen Währung und überhaupt zur europäischen Integration war meiner Meinung nach für das Land nicht nur schädlich, sondern teilweise sogar blamabel. Es wird nun nicht einfach sein, diese Stimmung zu kippen. Wenn man jahrelang hört, dass alles Schlechte aus der EU kommt, dann gibt es leider Leute, die anfangen, daran zu glauben. Ich würde jetzt hauptsächlich auf die Vorteile der europäischen Integration hinweisen. Ein kleines Land mit einer offenen Wirtschaft, die stark in den europäischen Markt integriert ist, kann ohne wirtschaftliche Integration nicht überleben. Das betrifft die Tschechische Republik genauso wie zum Beispiel Österreich, die Slowakei oder Ungarn. Die wirtschaftliche Integration erfordert aber auch institutionelle Integration und politische Schritte. Die Konkurrenz aus anderen Teilen der Welt, seien es die USA, China oder die BRICS-Länder, wird eher zunehmen. Das wirtschaftliche Gewicht der EU geht tendenziell zurück – nicht nur wegen der langsamen Wachstumsraten, sondern auch aus demographischen und vielen anderen Gründen. Deshalb glaube ich, dass eine tiefere europäische Integration wesentlich ist.“

Foto: Patrycja Cieszkowska,  Stock.xchng
Wenn Sie sich als Wirtschaftswissenschaftler die verschiedenen Zeitpunkte des Beitritts zur Eurozone ansehen, zum Beispiel den Beitritt Sloweniens, den Beitritt der Slowakei und irgendwann in den nächsten Jahren vielleicht auch den Beitritt Tschechiens, sehen Sie dann eine wirtschaftliche Logik dahinter, die mit den ökonomischen Strukturen dieser Staaten zusammenhängt? Oder ist das Timing eher zufällig, je nach der momentanen politischen Laune und den politischen Charakteren in den jeweiligen Ländern?

„Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht muss man offen sagen, dass die Auswirkungen des Euro-Beitritts sehr schwer zu quantifizieren sind. Man kann die einzelnen Aspekte der europäischen Integration nicht voneinander trennen. Darüber hinaus gibt es verschiedene Schocks, die jede Schätzung verzerren. Die jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise nach 2008 zum Beispiel betraf alle europäischen Länder. Ob ein Land in der Eurozone war oder nicht, hat dabei nicht die wesentlichste Rolle gespielt. Viel wichtiger waren die Reaktionen der einzelnen wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger. Das bedeutet aber nicht, dass die gemeinsame Währung nicht wichtig ist. Ich würde eher dafür plädieren, dass ein Land wie die Tschechische Republik alles unternimmt, um den Beitritt möglichst schnell voranzutreiben. Das erfordert nicht nur die Erfüllung der Maastricht-Kriterien und die Stabilität des Wechselkurses, sondern auch politische Überzeugungsarbeit: Der Euro ist ein Teil der europäischen Integration, des Aufbaus eines gemeinsamen europäischen Marktes. Das ist ein Wert, der für Europa eine entscheidende, ja überlebensnotwendige Rolle spielt.“

Foto: Kristýna Maková
Eine wichtigere Rolle als die Möglichkeit, durch eine eigene Währung die von Ihnen angesprochenen Schocks abzufedern?

„Wir haben globale Finanzmärkte, die in alle möglichen Richtungen reagieren können. Die Entwicklung zeigt, dass der Euro über die Jahre aber sehr stabil ist – auch während der Krise. Es ist eine stabile, starke Währung. Die Inflation, die viele Menschen im Zusammenhang mit dem Euro befürchtet hatten, ist ausgeblieben. Kleine Währungen wie der polnische Złoty oder die tschechische Krone sind in der globalisierten Wirtschaft viel anfälliger für externe Schocks. Außerdem sind die Reaktionsmöglichkeiten auf der Ebene einzelner Staaten viel geringer als in einem gemeinsamen Währungsraum.“

Sie sagen, dass es im Euroraum zwar eine gemeinsame Währungspolitik gibt, aber keine gemeinsame Fiskalpolitik, und dass der Wachstums- und Stabilitätspakt nicht ausreicht. Was müsste darüber hinaus noch kommen?

Foto: Archiv ARD
„Die Entwicklung wird hoffentlich weiter in Richtung Bankenunion gehen. Es ist unlogisch, dass wir zwar eine gemeinsame Währung haben, aber getrennte Bankenaufsichten mit zum Teil unterschiedlichen Regeln und unterschiedlicher Qualität. In Österreich machen wir damit gerade eine schmerzliche Erfahrung: Die Hypo-Alpe-Adria ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass eine gemeinsame europäische Bankenaufsicht sowie gleiche Regeln und Anforderungen an die wichtigsten europäischen Banken ganz wesentlich sind. Der nächste Schritt ist dann die Fiskalunion. Es geht nicht, dass wir zwischen den einzelnen europäischen Ländern einen Steuerwettbewerb haben. Das führt zur Fragmentierung des europäischen Markts – also nicht zu gesunder Konkurrenz, sondern zu einer Zersplitterung des europäischen Wirtschaftsraums.“