Willkommen im Mittelalter: Saltatores Reginae Beatrix tanzen

Foto: Martina Schneibergová

Ob es eine romantische Veranlagung ist oder die Sehnsucht nach den „guten, alten Zeiten“, lässt sich schwer feststellen. Die Tschechen lieben jedenfalls die lebendige Geschichte. Davon zeugen zahlreiche Feste aller Art auf Burgen und Schlössern sowie die Zahl von Ensembles, die historische Fechtwettbewerbe, Ritterturniere oder alte Tänze aufführen.

Veronika Štěpánková und ihr Mann Ondřej  (Foto: Martina Schneibergová)
Am vergangenen Samstag war der Hof des Regionalmuseums im Städtchen Jílové bei Prag in einen mittelalterlichen Markt verwandelt. Grund war die Eröffnung einer Ausstellung, in der die Bedeutung der Goldminen von Jílové in der Zeit Karls IV. gezeigt wird. Nach der Führung durch die Schau ging es in den Hof. Neben Ständen mit Honigwein und Griebenplätzchen stand ein weißes Zelt mit der Inschrift „Lazebna“ zu Deutsch „Badestube“. Veronika Štěpánková erklärt, was sich dahinter verbirgt. Später stellte sich noch heraus, dass sie auch das Tanzensemble leitet, das auf dem mittelalterlichen Markt auftrat.

„In der Badestube erläutern wir den Interessenten, wie es in einer Badestube im Mittelalter ausgesehen hat und wer und wie oft sie besucht hat. Zudem bieten wir auch ein Bad in einem Bottich an. Wie schon der Name ‚Badestube Wenzels IV. Zum eiskalten Bottich‘ andeutet, gibt es hier nur eiskaltes Wasser. Einige Unerschrockene nutzen immer das Angebot, jedoch bei gutem Wetter. Meist wollen Kinder das Bad ausprobieren.“

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Badestuben dienten im Mittalter nicht nur zur Körperreinigung, sondern auch zur Förderung der Gesundheit. So wurden den Bädern Kräuter und Duftessenzen beigemischt. Zum Angebot gehörten damals auch das Setzen von Blutegeln oder Salben gegen Kopfschmerzen, in Jílové aber natürlich nicht. In der Badestube „Zum eiskalten Bottich“ wurden dafür historische Kostüme und Schuhe gezeigt. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die mittelalterlichen Damenschuhe auf sehr dicken Sohlen, die sogenannten „škrpály“. Dazu Veronika Štěpánková:

„Schuhe mit solch hohen Sohlen trugen die Damen im Mittelalter aus einem praktischen Grund. Es gab damals keine Kanalisation und sämtlicher Abfall landete auf der Straße. Dank der dicken Sohlen machten sich die Frauen die langen Röcke nicht im Abwasser nass.“

Zum Tanzen sind derartige Schuhe jedoch nicht geeignet, die Tänzerinnen und Tänzer trugen Lederschuhe meist mit einer scharfen Spitze. Davon konnte sich das Publikum bei einer Tanzvorstellung überzeugen, an der auch Veronika Štěpánková und ihr Mann Ondřej teilnahmen.

Volkstänze und Adelstänze

Foto: Martina Schneibergová
Das Ensemble heiße Saltatores Reginae Beatrix – also „Tänzer der Königin Beatrix“, erzählt die Leiterin der Tanzgruppe, Veronika Štěpánková. Beatrix war die zweite Frau von Matthias Corvinus, bemerkt sie:

„Die ältesten Tänze, die wir aufführen, stammen vom Ende des 12. Jahrhunderts. Wir zeigen aber auch Tänze aus dem 15. Jahrhundert. Die ältesten in schriftlicher Form erhalten gebliebenen Choreographien stammen erst von Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Choreographien älterer Tänze sind anhand von Bildern und anderen Informationsquellen zusammengestellt.“

Das Ensemble führte in Jílové sowohl schnelle Kreistänze, als auch Paartänze vor.

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„Bei den mittelalterlichen Tänzen unterscheidet man zwischen den Volks- und den Adels- oder Hoftänzen. Die Volkstänze waren meist Reigentänze mit vielen Sprüngen. Bei den Hoftänzen handelte es sich vor allem um Paartänze, die ruhiger waren und einen repräsentativen Charakter hatten.“

Zum Tanz gehört auch die entsprechende musikalische Begleitung. Die Tänzer der Königin Beatrix tanzen meist zu Musik, die das Ensembles Krleš aufgenommen hat. Man habe aber auch gute Kontakte zu weiteren Musikern, die mittelalterliche Musik machen, sagt Veronika Štěpánková.

Maßgeschneiderte Mode des 14. Jahrhunderts

Die Kleidungsstücke aus Leinen oder Wolle, die die Tänzerinnen und Tänzer tragen, sehen authentisch aus. Einiges habe man selbst gebastelt, erzählt die Leiterin des Ensembles:

Foto: Martina Schneibergová
„Es gibt aber auch Schneiderinnen, die sich auf historische Kleider spezialisiert haben. Bei ihnen kann man jede beliebige Kleidung bestellen. Es handelt sich um maßgeschneiderte Kleidungsstücke. Jede von uns hat Kleider, die nach unseren eigenen Vorstellungen entstanden sind. Bei den Schuhen waren im 14. Jahrhundert solche mit einer auffallenden scharfen Spitze hochmodisch. Im 15. Jahrhundert hatten jedoch die Schuhe eine abgerundete Spitze. In der Renaissance wiederum hatten die Schuhe auch Absätze. Es gibt einige Sattler, die derartige Schuhe nähen. Wir kaufen unsere Schuhe vor allem bei Sattler Mates aus Praskolesy. Mit seinen Produkten sind wir sehr zufrieden.“

Sie tanze seit ihrer Kindheit gern, erzählt Veronika. Früher habe sie sich zu Salsa-Rhythmen bewegt. Erst später sei sie dem Zauber des Mittelalters verfallen.

Foto: Martina Schneibergová
„Bei einem historischen Fest auf der Burg Točník traf ich einen alten Bekannten, mit dem ich früher Salsa getanzt hatte. Er hat dort zusammen mit Bekannten die Badestube ‚Zum eiskalten Bottich‘ präsentiert. Er bot mir an, ein mittelalterliches Kleid anzuprobieren. Ich habe das Kleid angezogen und war einfach begeistert. Zwei, drei Jahre lang bin ich an den Wochenenden mitgefahren, von einer Stadt zur anderen. Bei der Präsentation der Badestube tanzten damals Bauchtänzerinnen. Das fand ich komisch. Denn im Mittelalter waren Bauchtänzerinnen in Europa eher ungewöhnlich. Ich fand daher, wenn es mittelalterliche Musik gibt, müsse es dazu auch entsprechende Tänze geben. Ab da habe ich mich intensiv mit den Tänzen beschäftigt.“

Nach einem Tanzkurs beim Kunsthistoriker und Experten für mittelalterliche Choreographie, Miroslav Smaha, begann sie mit einer Gruppe von Gleichgesinnten, regelmäßig zu trainieren.

„Auf diese Weise entstand unser Ensemble, das 15 Mitglieder hat. Wir haben uns bei den Tanzkursen kennengelernt. Seit vier Jahren treten wir bei historischen Festen auf Burgen und Schlössern auf oder auch bei Museumsnächten.“

Dem Zauber des Mittelalters verfallen

Foto: Martina Schneibergová
Vom April bis September hat das Ensemble einen vollen Kalender. Da alle Mitglieder auch einer regulären Arbeit nachgehen, können sie nur am Wochenende auftreten. Meist sind es Open-Air-Tanzvorstellungen.

„Leider haben wir nur selten die Möglichkeit, auch in einem historischen Saal zu tanzen. Auf einem flachen Boden könnten wir die Tänze technisch präziser vorführen. Das ist dann ein ganz anderes Erlebnis.“

Das Ensemble trainiert einmal in der Woche. Das ganze Repertoire muss viel geprobt werden.

Foto: Martina Schneibergová
„In diesem Jahr haben wir 16 Grundtänze im Repertoire. Hinzu kommen zwei weitere Tänze, deren Choreographie in schriftlicher Form erhalten ist. Kurz vor einer Veranstaltung proben wir immer sehr intensiv.“

Das Interesse für die Tanzvorstellungen ist recht groß. Jedes Jahr gebe es viele Veranstaltungen, zu denen sie eingeladen werden, sagt die Leiterin des Ensembles.

„Es gibt hierzulande viele Ensembles, die sich auf mittelalterliche Tänze spezialisiert haben. Aber nicht jedes Ensemble führt die Tänze in authentischen Kostümen auf. Wir bemühen uns um möglichst große Authentizität, einschließlich der Kleidung.“