„Wir drehen Euch den Hals um!“ - die Kommunisten in der Ersten Republik
Über 40 Jahre lang herrschte die Kommunistische Partei in der Tschechoslowakei. Ihre Ära war durch Unfreiheit, den Verstoß gegen Menschenrechte und die Verfolgung von Oppositionellen gekennzeichnet. Schon in der Zwischenkriegszeit suchte die KPTsch den Schulterschluss mit Moskau. Doch ging sie damals taktisch vor.
„Die tschechoslowakische Kommunistische Partei war für Komintern sehr wichtig und ihre Bedeutung nahm mit der Zeit noch zu. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl gehörte die KPtsch nämlich zu den größten in Europa, sie stand auf Augenhöhe mit vergleichbaren Parteien in Deutschland und Frankreich. In der gesamten Zwischenkriegszeit erzielte sie sehr gute Wahlergebnisse, sie gehörte immer zu den vier stärksten Parteien im Land. Bei den tschechoslowakischen Parlamentswahlen 1925 kam sie mit fast einer Million Stimmen sogar auf den zweiten Platz. Mitte der 30er Jahre war die KPtsch eine der letzten legal existierenden kommunistischen Parteien Europas. Neben der französischen Partei blieb sie die einzige, die über bedeutenden politischen Einfluss verfügte. Während in anderen Staaten die Kommunisten entweder verboten waren oder marginalisiert wurden, erfreuten sie sich in der Tschechoslowakei der Unterstützung der Massen.“
Die Kommunisten konnten vor allem in den ärmsten Teilen des 15-Millionen-Landes punkten, das heißt in der Karpaten-Ukraine und in der Slowakei. Aber auch in den industriellen Regionen fanden sie viele Anhänger. Der Grund lag unter anderem darin, dass die kommunistische Partei als einzige konsequent nicht nationalistisch war, sie gewann ihre Wähler unter allen nationalen Minderheiten der Tschechoslowakei. Andere Parteien hingegen, egal ob links oder rechts, waren immer konkret entweder tschechisch oder deutsch oder etwa slowakisch.
Zu Anfang präsentierte sich die kommunistische Partei allerdings nicht so radikal wie später. Ihr erster Vorsitzender Bohumír Šmeral suchte sogar nach einem „tschechoslowakischen Weg“ des Kommunismus, um nicht das sowjetische Vorbild kopieren zu müssen. Dies führte zu einer Krise innerhalb der Partei. Denn die radikalen Kommunisten, unterstützt durch die Zentrale der Komintern in Moskau, kündigten 1925 an, die Partei zu „bolschewisieren“.
„Die Krise erreichte 1928 oder 1929 ihren Höhepunkt, die Partei spaltete sich in mehrere Fraktionen auf. Die größte Fraktion war jene mit dem Beinamen „Karlíner Burschen“. Dies waren Funktionäre, die zwischen den Jahren 1890 und 1900 geboren waren und sich in der frühen Jugend bereits eine radikale marxistische Ideologie angeeignet hatten. Die sozialdemokratischen Anfänge der Partei hatten sie nicht mehr erlebt. Oft waren sie bereits professionelle Politiker, die sich im Unterschied zu ihren Vorgängern nicht mit der Arbeiter- oder Gewerkschaftsbewegung verbunden fühlten. Klement Gottwald, Rudolf Slánský, Václav Kopecký, Jan Šverma und andere gehörten zu ihnen. Diese Gruppe gewann die Unterstützung durch die Komintern, als diese 1928 in Moskau ihren Kongress abhielt und dort ihre revolutionäre Rhetorik verschärfte. Beim Parteitag ein Jahr später eroberte diese Gruppe die Führungsposten in der KPtsch“, so Sommer. Die älteren, nicht so radikalen Funktionäre verließen die Partei, und einige von ihnen kehrten sogar in die Sozialdemokratie zurück. Darüber hinaus begann Gottwald mit Säuberungen in der KPTsch. Ziel war, alle Gegner aus der Partei zu vertreiben. Die Folgen waren fatal: Die Zahl der Mitglieder schrumpfte innerhalb weniger Monate von 150.000 auf nur noch 25.000. Die „bolschewisierten“ Kommunisten stützten sich aber auf Moskau und sagten dem tschechoslowakischen Staat den offenen Kampf an. Bei den Parlamentswahlen 1929 erlitten sie zwar starke Verluste, das änderte aber nichts an ihren radikalen Positionen. Als Klement Gottwald am 21. Dezember des Jahres zum ersten Mal als Abgeordneter das Parlamentsgebäude betrat, löste er einen wahren Skandal aus. In seiner Rede sagte er unter anderem:„Ihr schickt Arbeiter ins Gefängnis, die eine Semmel gestohlen haben. Ihr selbst habt jedoch den Staat um viele Milliarden betrogen - in Eurer Spiritusaffäre oder durch die Kriegsanleihen. Ihr bringt kleine Gewerbetreibende wegen ein paar Kronen Steuer vor Gericht, aber den Fabrikanten und Großgrundbesitzern erlasst ihr Hunderte Millionen. Das ist Eure Gerechtigkeit! Sie dient nur den Banken, Reichen und imperialistischen Raubtieren. Von diesen lasst Ihr Euch kommandieren. Ihr sagt, wir würden hetzen und die Ruhe stören. Ja, das tun wir und werden wir auch weiter tun! Wir werden hungrige Arbeiter gegen die Kapitalisten hetzen, das unterdrückte Volk gegen ihre Unterdrücker, Soldaten gegen Offiziere, kleine Staatsbeamte gegen ihre Minister! Wir werden sie aufhetzen und ihre Ruhe stören!“ In diesem Moment protestierten die anderen Abgeordneten lautstark, ein Wortgefecht brach los. Der Vorsitzende der Tagung ermahnte Gottwald, doch dieser rief weiter:„Ihr sagt, dass wir aus Moskau abkommandiert seien, dass wir dort unsere Ratschläge holen. Ja, das stimmt. Wir sind die Partei des tschechoslowakischen Proletariats, und unser oberster Stab ist wirklich in Moskau. Und wir fahren dorthin, um zu lernen. Wisst Ihr was? Wir lernen bei den russischen Bolschewiken, wie wir Euch den Hals umdrehen können! Und wie Ihr wisst, sind sie Meister darin! Uns kauft Ihr nicht, uns brecht Ihr nicht und uns zerstört Ihr nicht! Wir erklären Euch und Eurer faschistischen Regierung den schärfsten Kampf!“
Die tschechoslowakischen Behörden waren von den Aktivitäten der Kommunisten beunruhigt. Mehrmals verboten sie einstweilig die kommunistische Hauspostille Rudé právo („Rotes Recht“), und im Rundfunk galt für kommunistische Politiker praktisch ein Redeverbot. Die Partei als Ganzes zu verbieten, das wagte man jedoch nicht.
Die ablehnende Haltung der kommunistischen Partei kulminierte 1934 bei den Präsidentschaftswahlen. Die Politiker der anerkannten Parteien konnten sich nicht auf einen Nachfolger des alten und kranken Tomáš Masaryk verständigen, dieser war daher gezwungen, noch einmal zu kandidieren. Sein Gegenkandidat war Klement Gottwald. Dessen Anhänger störten die Wahl im Parlament und schrien „Lenin, nicht Masaryk“. Dazu Vítězslav Sommer:„Die kommunistische Partei erklärte Masaryk zur Hauptstütze des Faschismus in der Tschechoslowakei. Danach wurden gegen die kommunistischen Abgeordneten Haftbefehle erlassen, sie sollten wegen Gefährdung des Staates angeklagt werden. Gottwald, Krosnář und andere flüchteten deshalb nach Moskau. Jan Šverma wurde mit der Leitung der KPTsch beauftragt, er entschied sich für einen Wandel der kommunistischen Politik. Die Partei präsentierte sich plötzlich als Verteidiger der Tschechoslowakei gegen die drohende Aggression durch Deutschland. Sie hob nicht mehr die internationale Arbeiterbewegung hervor, sondern die nationalen Rechte und die Selbständigkeit des Staates. Dies geschah mit Zustimmung aus Moskau, beziehungsweise dem Weltkongress der Komintern im Sommer 1935.“
Im Dezember desselben Jahres fand eine neue Präsidentschaftswahl statt. Die Kommunisten beschlossen nach schwierigen Verhandlungen mit den anderen Parteien, für Edvard Beneš zu stimmen. Kurz danach wurden die Haftbefehle gegen Gottwald und seine Genossen zurückgenommen, und diese kehrten in ihre Heimat zurück. Nach der Unterzeichnung des Münchner Abkommens 1938 wurde jedoch die kommunistische Partei verboten, und ihre Vertreter flüchteten erneut nach Moskau. Dort blieben sie bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs und bereiteten sich darauf vor, später auch in der Tschechoslowakei die Macht zu übernehmen.