Wohn- und Comicwelten, Architekten und (un)bekannte Persönlichkeiten

Foto: Archiv des Adalbert-Stifter-Vereins

Tschechische Kultur wird an vielen Orten auch unabhängig der Tschechischen Zentren organisiert. Vier interessante Veranstaltungstipps führen diesmal von Berlin nach Leipzig und vom sächsischen Müglitztal in die Oberpfalz.

Jože Plečnik
In Berlin läuft gerade zum 13. Mal das Festival tschechischer Kunst und Kultur „Prag – Berlin“. Das Programm ist bunt und vielfältig: Bei Theateraufführungen, Konzerten, Ausstellungen, Literaturabenden und Podiumsdiskussionen können sich die Besucher mit der Kunst- und Kulturszene Tschechiens vertraut machen. Initiator Dusan Robert Parisek will so zu einer besseren Verständigung zwischen Tschechen und Deutschen beitragen.

Der Auftakt des Festivals war bereits im November vergangenen Jahres. Nun steht am 20. Februar der letzte Programmpunkt an: das Musical-Kabarett „Divadlo Gočár“. Es wird in der Tschechischen Botschaft in Berlin aufgeführt und handelt von drei Architekten: Jože Plečnik, Josef Gočár und Pavel Janák. Diese drei haben das moderne Antlitz der ersten Tschechoslowakischen Republik maßgeblich geprägt. Dazu Initiator Parisek:

Miloš Orson Štědroň  (Foto: Petr Procházka,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Es ist ein Abend, der sich mit der Geschichte der Prager Burg beziehungsweise mit der Einladung von Präsident Tomáš G. Masaryk an die begnadeten Architekten beschäftigt, die die Prager Burg umgestalten sollten. Der damalige Präsident setzte das trotz des Widerstands aus der Bevölkerung durch. Die musikalische Version und auch das Libretto hat Miloš Orson Štědroň inszeniert. Er ist zurzeit einer der talentiertesten Komponisten in der Tschechischen Republik und wird auch zum Abend hier kommen. Das Theaterstück wird dann der krönende Abschluss des Festivals sein.“

Das Festival tschechischer Kunst und Kultur hat eine lange Tradition: Die heutigen Initiatoren waren bereits 1977 in Deutschland künstlerisch tätig. Anfangs verfolgten sie vor allem das Ziel, die Menschen außerhalb der Tschechoslowakei auf diese Weise über die Lage unter dem kommunistischen Regime zu informieren. Heute wirken an dem Programm des Festivals sowohl junge Künstler mit, als auch solche, die während des Kommunismus als Dissidenten im Untergrund tätig waren oder in den Westen emigrieren mussten.


Schloss Weesenstein  (Foto: Norbert Kaiser,  Wikimedia CC BY-SA 2.5)
Im sächsischen Müglitztal bei Pirna lädt auf Schloss Weesenstein bis zum 28. Februar eine Kabinettausstellung dazu ein, böhmische Schlossinterieure zu entdecken. Mit Gemälden, Grafiken und Fotografien wird vom Leben in den Schlössern im 19. Jahrhundert erzählt. Birgit Finger hat die Ausstellung mit organisiert und erklärt:

„Wie zeigen 21 Originale, die uns das Nationale Denkmalamt in Prag ausgeliehen hat und die teilweise zum ersten Mal ausgestellt werden. Es handelt sich um sehr kleine Gemälde und Aquarelle, die ursprünglich auch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, sondern als Zimmerportraits von adeligen Damen oder Malern in der Zeit des Biedermeier angefertigt wurden.“

Foto: Archiv des Schlosses Weesenstein
Die Ausstellungsstücke vermitteln noch bis heute die besondere Atmosphäre der Epoche des Biedermeier von 1815 bis 1848, also der Zeit zwischen dem Wiener Kongress bis zum Beginn der bürgerlichen Revolution in den Ländern des Deutschen Bundes.

„Man kann genau erkennen, welche Bilder an den Wänden hängen und welche Möbel in den Räumen stehen oder welche Öfen. Daher kann man sich sehr gut in die damalige Zeit hineinversetzen. Menschen sind sehr selten abgebildet, meist wurden wirklich nur die Zimmer gezeigt. Manchmal sieht man allerdings auch die Personen, die in den Zimmern lebten, zum Beispiel arbeitend am Schreibtisch.“

Zimmerportrait vom Schloss Děčín  (Foto: Archiv des Schlosses Weesenstein)
Die Ausstellung umfasst unter anderem Zimmerportraits vom Schloss Děčín (Tetschen-Bodenbach), das nahe der tschechisch-deutschen Grenze über der Elbe thront. Außerdem ist das Interieur des Schlosses Smečno, nordwestlich von Prag, sowie des Wallensteinpalais in Prag reich bebildert.

Die Malereien entstammen zwar alle der gleichen Epoche, doch aufmerksamen Besuchern wird eines wohl nicht entgehen, meint die Organisatorin der Ausstellung:

„Die Qualität der Bilder ist sehr unterschiedlich. Teilweise sind es auch Laiendarstellungen von Familienmitgliedern, die sich damals die Zeit genommen haben, ein Zimmerbild anzufertigen. Dieses wurde dann vielleicht der Tochter oder der Mutter, die weit entfernt wohnten, geschickt. Auf diese Weise konnten sie dann erfahren, wie ihre Angehörigen lebten.“

Foto: Archiv des Schlosses Weesenstein
Mit Ende des Biedermeier zu Mitte des 19. Jahrhunderts kam die Fotografie langsam in Mode und löste die aufwendige Interieur-Malerei nach und nach ab. Dieser Entwicklung wird auch in der Ausstellung Rechnung getragen: Sehr frühe historische Fotografien der Innenräume dienen als Hintergrund für die gezeigten Gemälde und Aquarelle.

Die kleine Reise in das 19. Jahrhundert kann noch bis Ende Februar unternommen werden. Schloss Weesenstein liegt nur einen Katzensprung entfernt von der Autobahn zwischen Dresden und Prag.


Anstatt böhmischen Wohnwelten werden in Leipzig schwarz- weiße Comicwelten gezeigt. Eintauchen können Besucher in diese im Museum für Druckkunst. Dort ist die Ausstellung „Alois Nebel. Ein Leben nach Fahrplan“ zu sehen, sie beruht auf der gleichnamigen Trilogie des Prager Autors Jaroslav Rudiš und des Comiczeichners Jaromír 99. Der Band erschien bereits 2003 in Tschechien. Hauptfigur ist der tschechische Eisenbahner und Einzelgänger Alois Nebel. Autor Jaroslav Rudiš hat bereits vor drei Jahren die Handlung gegenüber Radio Prag in Kürze beschrieben:

„Die Geschichte beginnt im Sommer / Herbst 1989 und endet im Frühjahr 1990. Alois Nebel und seine Freunde sind die ewigen Verlierer, typische Wendeverlierer halt. Alois Nebel hat zum Beispiel seinen Job als Fahrdienstleiter verloren. Als Arbeitsloser muss er nun das erste Mal in seinem Leben nach Prag fahren. Auf dieser Reise verliebt er sich dann auch.“

Alois Nebel
Durch zahlreiche Rückblenden wird im Comic außerdem die Vertreibung der Deutschen während des Zweiten Weltkriegs aufgegriffen sowie der sowjetische Einmarsch 1968 und die Zeit der Normalisierung nach dem Prager Frühling. Mittlerweile besitzt der Bilderroman in vielen Ländern Europas Kultstatus.

Im Leipziger Druckkunst-Museum werden Szenen des Comics aufgegriffen und in Großformat gezeigt. Ergänzt wird die Schau durch lebensgroße Romanfiguren, die in die ständige Ausstellung des Museums integriert sind. Außerdem geben Originalskizzen Einblicke in die Entstehung der Illustrationen.

Alois Nebel
2012 erschien Alois Nebel auch in deutscher Sprache. Die Verfilmung wurde mit dem Europäischen Filmpreis in der Kategorie „Bester Animationsfilm“, ausgezeichnet, und seit Beginn dieses Jahres läuft der Streifen auch in den deutschen Kinos. Man kommt um den eigenbrötlerischen Eisenbahner also fast gar nicht mehr herum - und in Leipzig ist er noch bis zum 21. April besonders präsent.


Foto: Archiv des Adalbert-Stifter-Vereins
Im Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg in der Oberpfalz können Besucher noch bis zum 28. März zwölf besondere Persönlichkeiten kennen lernen. Sie alle wuchsen im Sprach- und Kulturkreis auf dem Gebiet des heutigen Tschechiens auf und wurden im 19. und 20. Jahrhundert geboren.

Der Titel der Ausstellung heißt: „In Böhmen und Mähren geboren – bei uns (un)bekannt?“. Sie ist komplett zweisprachig konzipiert. Kurator der Ausstellung ist Wolfgang Schwarz. Er ist Kulturreferent des Adalbert-Stifter-Vereins und hat im Jahr 2007 ein gleichnamiges Buch zu der Ausstellung veröffentlicht. Darüber sagte er damals:

„Die erste Idee war, eine Ausstellung über diese Persönlichkeiten zu machen. Inspiriert wurde ich durch Fernsehsendungen, wie beispielsweise die Sendung ‚Největší Čech‘ (Der größte Tscheche) des Tschechischen Fernsehens oder ‚Unsere Besten‘ vom ZDF. Mir ging es bei den zehn Persönlichkeiten, die ich ausgewählt habe, darum, dass es sich um Namen handelt, die in Deutschland bekannt sind. Das Fragezeichen im Titel des Buches sowie der gleichnamigen Ausstellung ´In Böhmen und Mähren geboren – bei uns (un)bekannt?´ bezieht sich hauptsächlich darauf, dass bei vielen Persönlichkeiten – wie beispielsweise bei Ferdinand Porsche oder zum Teil auch bei Rainer-Maria Rilke – wenig bekannt ist, dass sie aus Böhmen stammen. Das war ein wichtiges Kriterium. Diese Namen, die ich ausgewählt habe, sollten insbesondere auch Schülern helfen, mit den Namen etwas anfangen zu können. Dies gilt beispielsweise für Johann Gregor Mendel, der im Biologieunterreicht häufig auftaucht und als Vater der Genetik gilt.“

Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums Wien
Mit der Ausstellung wird allerdings nicht das Ziel verfolgt, eine Art Hitliste zu erstellen, die Deutsche aus Böhmen also nach ihren Verdiensten bewertet. Die vorgestellten Persönlichkeiten sollen auch nicht zu deutschem, österreichischem oder tschechischem „Eigentum“ erklärt werden. Vielmehr soll die Zusammenstellung auf Gemeinsamkeiten und Wechselwirkungen in der Kulturgeschichte dieser Länder hinweisen. Im Mittelpunkt steht daher insbesondere die Beziehung der vorgestellten Persönlichkeit zu ihrer Heimat Böhmen und Mähren.