Zehn-Grad-Marke gefallen: 2024 war in Tschechien das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen

Das vergangene Jahr geht als das wärmste überhaupt in die tschechische Geschichte ein. 10,3 Grad Celsius wurden im Schnitt gemessen – so viel wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Doch angesichts des Klimawandels scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, dass der nächste Hitzerekord fällt.

Seit 1961 wird in der Tschechoslowakei beziehungsweise in Tschechien die Jahresdurchschnittstemperatur ermittelt. Am Donnerstag gaben die Meteorologen nun bekannt, dass 2024 ein neuer Rekordwert erreicht wurde. Denn im Schnitt wurden 10,3 Grad Celsius gemessen – womit auch zum ersten Mal die Marke von zehn Grad überschritten wurde. Ondráš Přibyla leitet die Organisation Fakta o klimatu (Fakten über das Klima). In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte er:

Ondráš Přibyla | Foto: Daniela Honigmann,  Radio Prague International

„Dass irgendeine ‚magische Grenze‘ überschritten wird, ist gar nicht so wichtig. Viel relevanter ist, dass es in Tschechien in jedem Jahrzehnt um ein Drittel Grad wärmer geworden ist. In den 1960er Jahren lag die Durchschnittstemperatur bei rund sieben Grad. 2000 wurde zum ersten Mal die Marke von neun Grad überschritten und nun zum ersten Mal zehn Grad. Seit den 1960er Jahren ist es also um über zwei Grad wärmer geworden, und das bekommen unser Ökosystem, wir Menschen und unsere Landwirtschaft zu spüren.“

Das Jahr 2024 bedeutete, was die Temperatur anging, aber nicht nur mit Blick auf das vergangene Jahrhundert einen Rekord. Im mährischen Brno / Brünn wird seit 1800 das Wetter aufgezeichnet – und nie war es so warm wie im vergangenen Jahr. Ähnlich an der Wetterstation im Prager Klementinum, die sogar schon seit 1775 in Betrieb und damit die älteste des Landes ist. 2024 ermittelte man dort eine Durchschnittstemperatur von 13,3 Grad. Das war ein halbes Grad mehr als in den bisherigen Rekordjahren 2018 und 2023.

Noch vor dem Jahreswechsel hatten die Weltmeteorologiebehörde (WMO) und der EU-Klimawandeldienst Copernicus die Prognose abgegeben, dass 2024 auch weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen sein wird. Und ein Ende des Klimawandels ist derzeit nicht in Sicht. Was bedeutet diese Entwicklung für Tschechien? Ondráš Přibyla nennt im Interview zunächst eine der sichtbarsten Folgen:

„Es gibt viel weniger Schnee. Die Bedingungen für weiße Weihnachten gab es hierzulande zuletzt 2008. Weniger Schnee oder solcher, der schnell taut, führt auch zu weniger Feuchtigkeit im Frühjahr.“

Die Erwärmung um zwei Grad seit den 1960er Jahren würde zudem gewissermaßen bedeuten, dass das Land 300 Höhenmeter verloren habe, vergleicht Přibyla:

„Die Bäume, die früher auf Berggipfeln in einer Höhe von 900 Metern wuchsen, stehen jetzt in klimatischen Bedingungen, die 600 Metern entsprechen. Das bedeutet einen großen Wandel für das Ökosystem.“

Zudem begünstigt der Klimawandel etwa die Vermehrung von Borkenkäfern, die die Wälder anfallen. Um CO2-Emmissionen einzusparen und damit den Klimawandel aufzuhalten, können erneuerbare Energiequellen einen entscheidenden Beitrag leisten. Wie die Organisation Fakta o klimatu allerdings ermittelt hat, ist Tschechien in diesem Bereich im Vergleich mit den EU-Staaten sowie Großbritannien das Schlusslicht. Nirgendwo anders machen Wind- und Solarenergie sowie weitere nachhaltige Energiequellen einen derart niedrigen Anteil aus wie hierzulande. Aber warum?

Riesengebirge | Foto: Barbora Němcová,  Radio Prague International

„Ich denke, das liegt daran, dass wir uns nie wirklich entschieden haben, diesen Weg einzuschlagen und zum Beispiel mehr Windkraftwerke und Solaranlagen zu bauen. Solarpaneele werden zwar mittlerweile häufiger installiert. In Sachen Windkraft sieht es in Tschechien aber weiterhin düster aus. Vermutlich liegt das an den langwierigen Genehmigungsprozessen. Wir haben nie die Bedingungen geschaffen, um diese Transformation bewerkstelligen zu können.“

Stattdessen wird hierzulande häufig argumentiert, dass eine Energiewende zu teuer sei. Ein Trugschluss, wie Přibyla betont:

„Die Kosten für die Abkehr von fossilen Energieträgern sind viel geringer, als die Summen, die nötig sind, um die Folgen zu bewältigen, wenn wir den Klimawandel eskalieren lassen. Außerdem ist ein Kilowatt Strom, das durch Wind- oder Solarenergie gewonnen wird, mittlerweile günstiger als die gleiche Menge Energie aus fossilen Kraftwerken.“

Autoren: Ferdinand Hauser , Jan Kaliba
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