Zwei Romane, ein Fernsehpreis und alternatives Theater
Der Herbst in Berlin wird Tschechisch, denn das Tschechische Zentrum in der deutschen Hauptstadt bietet wieder jede Menge Veranstaltungen. Dazu gehören Lesungen, Filmvorführungen, Theaterprojekte und Ausstellungen. Mehr über das Programm der nächsten Wochen nun in einem Interview mit der stellvertretenden Leiterin des Zentrums, Christina Frankenberg.
„Genau, wir werden am Donnerstagabend (10. Oktober) bei einer Lesung in Frankfurt am Main den tschechischen Autor Jaroslav Rudiš zu Gast haben. Rudiš stellt dann bei einer öffentlichen Lesung, die in der Freimaurerloge in Frankfurt stattfindet, und dort mit der Deutsch-Tschechischen Gesellschaft veranstaltet wird, seinen Roman ‚Potichu’ (Die Stille in Prag) vor. Dieser Roman ist schon voriges Jahr in deutscher Sprache erschienen, das Buch ist aber in letzter Zeit nicht allzu häufig vorgestellt worden, weil Jaroslav Rudiš vor allem mit seinem Comic ‚Alois Nebel’ in Deutschland präsent war. Wir wollen nun seine schönen Geschichten aus Prag in Frankfurt etwas bekannter machen.“
Aber auch in Berlin gibt es etwas zu hören - was passiert da?„Wir werden am Montag, 21. Oktober, die Autorin Jakuba Katalpa im Tschechischen Zentrum zu Gast haben, sie stellt ihren Roman „Němci“, also die Deutschen, vor. Dieses Buch ist bisher noch nicht in deutscher Sprache erschienen, wir werden ganz exklusiv einige Ausschnitte vorstellen. Den Roman hat Doris Kouba ins Deutsche übersetzt. Er ist interessant, weil es sich um eine ganz ungewöhnliche deutsch-tschechische Familiengeschichte handelt. Die Handlung des Romans reicht bis in den Zweiten Weltkrieg zurück, bleibt aber beim Kriegsende nicht stehen, sondern wird von der Autorin weiterentwickelt. Es geht um einen Mann, der in Prag wohnt und lange Zeit seines Lebens der Ansicht war, dass er bei seiner Mutter groß geworden sei. Er erhält sein ganzes Leben lang Päckchen aus der Bundesrepublik Deutschland und nimmt an, dass sie von irgendwelchen Verwandten kommen. Die Frau, die er für seine Mutter hält, eröffnet ihm aber irgendwann, dass diese Päckchen von seiner eigenen Mutter stammen. Mit dieser Mutter will der Mann nichts zu tun haben, und erst nach seinem Tode begeben sich seine Kinder, also die Enkelkinder, auf die Spuren der Familiengeschichte.“
Dann nimmt das Tschechische Zentrum auch an einer sehr interessanten Veranstaltung teil und zwar am „Prix Europa“. Dort soll der beste Dokumentarfilm Europas bestimmt werden. Wie muss man sich das vorstellen, und was ist da der tschechische Beitrag?„Der ‚Prix Europa’ ist ein Fernsehpreis, der alljährlich verliehen wird. Wie der Name schon sagt, ist es ein europäischer Fernsehpreis, zu dem Hunderte von Beiträgen aus allen europäischen Sendestationen eingereicht werden. Dieser Preis wird in verschiedenen Kategorien verliehen, und Dokumentarfilme sind nur eine der Kategorien. In diesem Jahr arbeiten wir, wie Sie schon sagten, mit dem ‚Prix Europa’ zusammen. Wir werden am 23. Oktober einen tschechischen Dokumentarfilm vorstellen, der in diesem Wettbewerb eingereicht worden ist. Der Film heißt ‚Otázky pana Lásky’ (Die Fragen von Herrn Láska), und handelt von Herrn Láska, dessen Name zu Deutsch Liebe bedeutet und der auf den ersten Blick ein ganz gewöhnlicher Mann ist. Er ist aber insofern ungewöhnlich, als er an Schizophrenie leidet. Gleichzeitig führt er aber kein zurückgezogenes Leben in einem psychiatrischen Krankenhaus, sondern er ist ein kommunikativer, offensiver Mensch, der sich mit seiner Krankheit auseinandersetzt. Er betreibt selbst eine Homepage, zum Beispiel eben zu dieser Krankheit, auf der er auch Videos veröffentlicht, die er selber dreht. Am 25. Oktober werden dann die Preise des ‚Prix Europa’ verliehen, und am 28. Oktober gibt es dann die Möglichkeit, bei uns im Tschechischen Zentrum den Siegerfilm in der Kategorie Dokumentarfilm zu sehen. Welcher Film das sein wird, ahne ich zum heutigen Zeitpunkt auch noch überhaupt nicht. Da müssen sich unsere Gäste überraschen lassen - genau wie wir selbst.“
Zur Kultur gehört auch das Theater - und da habe ich gesehen, dass Sie den Auftritt eines tschechischen Ensembles unterstützen, zwar nicht direkt in Berlin aber in Potsdam. Wer kommt da aus Tschechien?„In Potsdam findet alljährlich das Festival Unidram statt, dieses Jahr zum 20. Mal. Dieses internationale Festival macht vor allem Produktionen unabhängiger Theater bekannt. Das Tschechische Zentrum unterstützt dieses Jahr sogar zwei Vorstellungen. Die erste ist das Stück ‚Der Tanz der magnetischen Ballerina’ von Andrea Miltnerová, die Tänzerin und Choreografin ist und eine Solovorstellung hat. In dieser Vorstellung verkörpert sie eine Ballerina, die sich von den wenigen Zentimetern Oberfläche, auf denen sie steht, nicht lösen kann. In dem Bemühen sich abzulösen, stellt sie sehr viele verschiedene Formen dar und erinnert dabei manchmal an eine Figur von Oskar Schlemmer oder manchmal auch an einen Schmetterling. Das ist die eine Produktion, die am 31 Oktober und am 1. November in Potsdam zu sehen sein wird. Das zweite Stück ist eine Vorstellung von Miřenka Čechová und der Gruppe ‚Tante Horse’. Čechová ist Pantomimin und Tänzerin, und sie führt ein multimediales Tanzstück vor, in dem es um die Auseinandersetzung mit den Geschlechterrollen geht. Es ist eigentlich eine Art Rebellion gegen die Festsetzung auf ein bestimmtes Geschlecht. In diesem Tanzstück werden Elemente von Hip-Hop, klassischem Ballett und zeitgenössischem Tanz miteinander kombiniert, man darf also sehr gespannt sein. Das läuft dann also am 31. Oktober bei Unidram in Potsdam.“
Müssen denn die Interessenten für das gesamte Festival eine Karte kaufen, oder gibt es auch Karten für die einzelnen Stücke?„Es ist auch möglich, Einzelkarten zu erwerben. Wen das Programm genauer interessiert, der findet Informationen sowie tschechische Beiträge entweder auf unserer Homepage, also der des Tschechischen Zentrums in Berlin, oder auf der des Festivals Unidram.“
Und dann kommt noch Ende Oktober eine Ausstellung in die Räume des Tschechischen Zentrums...
„Genau, am 31. Oktober eröffnen wir eine weitere Einzelausstellung im Tschechischen Zentrum, es werden Werke von Vladimír Houdek zu sehen sein. Er hat im Jahre 2010 den angesehenen Jindřich-Chalupecký-Preis gewonnen, und zusammen mit seiner Galerie, der Galerie Polansky, werden wir im Tschechischen Zentrum Werke von ihm ausstellen. Vladimír Houdek ist dadurch bekannt, dass er dunkle Farben und geometrische Formen bevorzugt. Seine Werke werden bei uns dann den November über zu sehen sein.“