Zwischen Lager und Pale Ale: Tschechische Bierbranche boomt
Bier und Tschechien sind ohne einander kaum denkbar. Die Brauereiindustrie ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes. Und ihr geht es insgesamt sehr gut. Seit einigen Jahren steht die Bierbranche dennoch unter Strom: Traditionsbrauhäuser werden von ausländischen Konzernen übernommen, und es entwickelt sich zudem eine ganz neue Konkurrenz. Mehr von Strahinja Bucan.
„Zum ersten Mal wieder ist im vergangenen Jahr mehr Bier verkauft worden auf dem heimischen Markt. Dieser ist um ganze 200.000 Hektoliter gewachsen. Aber auch der Export ist gewachsen. Insgesamt wurden 4,4 Millionen Hektoliter Bier ausgeführt, so viel wie noch nie zuvor. Den größten Teil davon machen klassische Lagerbiere aus, also solche mit elf oder zwölf Prozent Stammwürze.“
Was den Bierkonsum hierzulande betrifft, fällt ein interessanter Trend auf: Die Tschechen trinken ihr Bier nicht mehr so oft in Kneipen und Restaurants. Laut František Šámal werden rund 61 Prozent des gesamten Bieres in den Supermärkten verkauft. Das bedeutet einen Anstieg von ganzen zwölf Prozentpunkten im Vergleich zu 2015.Konservativer Biergenuss in Tschechien
Ob nun in der Gastwirtschaft oder auf dem Sofa: Die Tschechen mögen ihr Bier klassisch. 2012 noch entfiel ein großer Teil der Produktion und des Verkaufs auf Biermixgetränke. Der Wert von damals hat sich im vergangenen Jahr so gut wie halbiert. Dazu der Vorsitzende des Brauereiverbandes:
„Hierzulande sind die Biertrinker eher konservativ. So schnell wie die Blase um die Biermixgetränke angewachsen ist, genauso schnell ist sie auch wieder zerplatzt. Und der Trend zeigt weiterhin nach unten. Derzeit liegt der Marktanteil der Mischgetränke bei rund 200.000 Hektolitern. Ich denke aber nicht, dass es in absehbarer Zeit mehr werden könnte.“Eine andere – und lange Zeit eher argwöhnisch beäugte – Art des Bieres wird dahingegen immer beliebter. Es geht um das alkoholfreie Bier. Das bestätigt auch Zdeněk Mikulášek. Er ist Pressesprecher der mittlerweile nicht mehr ganz so kleinen Familienbrauerei Bernard aus dem südostböhmischen Humpolec:
„Im alkoholfreien Bier liegt großes Potenzial. Die Nachfrage wird dahingehend immer größer in Tschechien. Auch wir stellen uns in einem größeren Umfang auf diesen Trend ein.“
Im Schnitt werden in hierzulande insgesamt 143 Liter Bier pro Kopf und Jahr getrunken. Damit ist Tschechien unangefochtener Bier-Weltmeister, gefolgt von Deutschland und Österreich. Doch sind nicht die Einheimischen allein für die Zahl verantwortlich. Bier als Aushängeschild Tschechiens ist einer der Touristenmagnete des Landes. Da auch der Fremdenverkehr boomt, im vergangenen Jahr sind 2,2 Millionen ausländische Gäste mehr angereist als noch 2015, wächst insgesamt hierzulande der Konsum von Lager, Pils und Co. Nach Angaben des Brauereiverbandes flossen rund 800.000 Hektoliter Bier allein durch trockene Touristenkehlen.Export boomt, auch in traditionelle Bierländer
Doch zurück zum tschechischen Bier-Export. Dieser hat im vergangenen Jahr einen Rekordwert erreicht. So konnte der größte Player in Tschechien, Pilsener Urquell, seine Verkäufe ins Ausland um ganze zehn Prozent steigern. Jitka Němečková ist Sprecherin der Brauerei, die mittlerweile dem japanischen Konzern Asahi gehört:
„Natürlich haben wir mehr Bier auf den europäischen Märkten verkauft, insbesondere in Deutschland, Ungarn und der Slowakei. Pilsner Urquell konnte aber auch auf den asiatischen Märkten ein deutliches Plus verzeichnen.“Dennoch wird Europa für die tschechischen Produzenten der Markt schlechthin bleiben. Und das hat ganz pragmatische Gründe, wie Tomáš Maier anführt. Er beschäftigt sich an der Tschechischen Landwirtschaftsuniversität in Prag mit dem Brauereiwesen:
„Bier besteht zu 90 Prozent aus Wasser. Und Wasser rund um den Globus zu schicken, ist wirtschaftlich nicht besonders interessant. Ich würde deswegen eher den Trend sehen, dass man sich beim Bier auch in Zukunft auf den europäischen Markt konzentrieren wird. Allein schon wegen der Transport- und Transaktionskosten.“
Wie erfolgreich kann man aber in Ländern sein, die eine starke heimische Biertradition und -produktion haben? Dass man da nicht unvermeidlich Bretter in den Wald trägt, bestätigt Denisa Mylbachrová. Sie ist bei der größten Prager Brauerei Staropramen, einem Teil der kanadisch-US-amerikanischen Gruppe Molson Coors, für die Pressearbeit zuständig:„Deutschland ist zum Beispiel einer unserer fünf wichtigsten Märkte. Und es geht uns gut dort. Natürlich ist es nicht leicht, in einem Bierland wie Deutschland eine gute Marktposition zu bekommen. Uns ist es aber trotzdem gelungen. Dennoch muss ich sagen, dass wir vor allem in Nord-, Ost- und Südwestdeutschland präsent sind. In Bayern ist es da schon etwas weniger.“
Staropramen ist die Nummer drei unter den tschechischen Bieren auf dem deutschen Markt, hinter Pilsner Urquell und der Staatsbrauerei Budějovický Budvar.
Insgesamt sei man aber immer lokalpatriotisch beim Bier, so Mylbachrová. Und zwar im Ausland genauso wie auch in Tschechien:„Natürlich verkaufen wir hier unter dem Brauereischlot am besten, wie die Brauer sagen würden. Das Hauptabsatzgebiet von Staropramen ist damit Prag, Mittelböhmen und auch Nordböhmen. Aber es ist ja auch ganz natürlich, dass sich eine Marke in ihrer Heimatregion am besten verkauft.“
Große und kleine Player auf dem Biermarkt
Der tschechische Biermarkt ist in den vergangenen Jahren dynamischer geworden. Zum einen liegt das an der Übernahme der großen Traditionsbrauereien durch ausländische Konzerne wie SAB Miller, Asahi oder Heineken. Zum anderen ist eine Konkurrenz auf dem Markt aufgetaucht, die zwar klein ist, aber immer größer wird – das Craft beer. Jan Šuráň ist Vorsitzender des tschechischen Verbandes der sogenannten Minibrauereien. Ihm zufolge kommt jede Woche eine neue Klein-Brauerei auf den Markt, mittlerweile gebe es um die 350:
„Der Anteil der Minibrauereien an der Gesamtbierproduktion in Tschechien liegt bei ungefähr zwei Prozent. Und wenn man sich die umliegenden Länder anschaut, erweckt es nicht gerade den Anschein, dass der Trend zum unabhängigen Bier abnehmen würde. Ich rechne damit, dass wir in etwa zehn Jahren hierzulande an die 700 bis 800 Minibrauereien haben werden.“Entscheidender als die Quantität ist laut Šuráň für die Minibrauereien aber die Qualität. Und die kleinen und unabhängigen Brauhäuser sind wichtiger, als man denkt:
„Die Minibrauereien sind zwar eine Randerscheinung und werden es auch bleiben. Die Produktionsmengen sind teilweise marginal. Aber zu einem gewissen Maß geben gerade die Minibrauereien die Trends vor. Denn gerade da kristallisiert sich heraus, was den Verbrauchern schmeckt und ob eine bestimmte Biersorte Chancen hat auf dem Markt. Manchmal schauen sich die großen Brauereien auch etwas von den kleinen ab.“
Deutlich zu sehen ist das beim Angebot in den Supermarktregalen oder auf den Getränkekarten in den Gastwirtschaften: Längst hat dort zum Beispiel das Indian Pale Ale seinen festen Platz. Das bestätigt auch Zdeněk Lux. Er ist Chef-Braumeister bei Staropramen und sieht durch die Minibrauereien keinen Konkurrenzdruck:„Ich bin eigentlich froh, dass in der letzten Zeit so viele Minibrauereien auf den Markt gekommen sind. Mich persönlich zwingt das zum Nachdenken und zu einem Blick über den eigenen Tellerrand hinaus. Die Bierwelt besteht ja nicht nur aus Export und Lager. Zum Beispiel haben uns gerade die Minibrauereien dazu gebracht, mehr Werbung für unsere Spezialbiere zu machen. Alles in allem sind die kleinen, unabhängigen Brauereien eine Bereicherung für den Markt und den Verbraucher.“
Wogegen sich aber Zdeněk Lux wehrt, ist die abfällige Bezeichnung von Bier aus großen Brauereien als Industriebier. In Tschechien ist der Begriff „Eurobier“ zum Synonym dafür geworden:
„Der Begriff Eurobier ist für uns Braumeister eher eine Beleidigung. Denn in jedem Land wird Bier nach einer eigenen Tradition hergestellt. Das heißt, Brauereien in Tschechien, Bayern oder Spanien haben jeweils ihre eigenen Verfahren und Konzepte.“