20 Jahre Euro: Tschechien will die Gemeinschaftswährung immer noch nicht

Seit zwei Jahrzehnten gibt es den Euro als Bargeld. Doch längst nicht alle EU-Mitglieder zahlen mit der Gemeinschaftswährung, obwohl sie sich mit dem Beitritt zur Union auch zur Einführung des Euro verpflichtet haben. Eines dieser Mitglieder ist Tschechien, und daran wird sich in der jetzigen Legislaturperiode auch nichts ändern. Wie lauten also hierzulande die Argumente gegen und auch für die Annahme des Euro?

Als Bargeld wurde der Euro zu Jahresbeginn 2002 eingeführt. In den damals elf beteiligten Ländern lief die Gemeinschaftswährung jedoch zunächst noch parallel zu den ursprünglichen Zahlungsmitteln. Aber schon am 1. März des Jahres fiel dieses Sicherheitselement weg, und es wurde nur noch mit dem Euro gezahlt. Heute haben insgesamt 19 EU-Staaten die Gemeinschaftswährung.

Luděk Niedermayer | Foto: Jindřich Nosek,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0 DEED

Nicht zu ihnen gehört Tschechien. Dabei gibt es durchaus Fachleute, die dies für falsch halten. So etwa Luděk Niedermeyer, der ehemalige Vizegouverneur der tschechischen Nationalbank. Er sitzt für die tschechische Regierungspartei Top 09 im Europaparlament und gehört dort der Fraktion der Europäischen Volkspartei, also den Christdemokraten an:

„Tschechien sollte meiner Ansicht nach den Euro einführen, weil wir wirtschaftlich stark verbunden sind mit dem Rest der EU und mit der Eurozone. Da wir aber weiter eine eigene Währung haben, erhöhen sich die Kosten für unsere Volkswirtschaft. Im Falle Tschechiens denke ich sogar, dass die Nichteinführung des Euro unser Wachstum bremst und etwa auch unsere Löhne kleiner hält. Denn wir müssen diesen Nachteil irgendwie wettmachen. Es ist kein fataler Nachteil, aber ich verstehe nicht, warum wir von zwei Lösungsmöglichkeiten die schlechtere wählen.“

Eigene Währungspolitik

Einer der lautesten Kritiker der Gemeinschaftswährung in Tschechien ist der rechtslibertäre Ökonom Petr Mach. Er stammt aus dem Umfeld von Ex-Präsident Václav Klaus, gründete aber 2009 mit den „Svobodní“ eine eigene Partei. Seit 2017 gehört er der Rechtsaußen-Formation „Trikolora“ an. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks begründete der 46-jährige Wirtschaftswissenschaftler seine Ablehnung des Euro wie folgt:

Petr Mach | Foto: Filip Jandourek,  Tschechischer Rundfunk

„Wir haben hier in Tschechien eine Währung, die gut funktioniert. Es gibt keinen Grund, dies zu ändern – und schon gar nicht für etwas, das mit vielen Problemen behaftet ist. Ich erinnere dabei an die Eurokrise und die große Verschuldung, die dies zur Folge hatte, sowie an die Rettungsfonds, die die Europäische Union mit heißer Nadel stricken musste. Wir würden also etwas, das funktioniert, aufgeben für eine unsichere Sache – und das ergibt keinen Sinn.“

Ein Argument, das die Euro-Skeptiker hierzulande häufig anführen, ist der Verlust der eigenen Währungspolitik bei der Aufgabe der tschechischen Krone. Das aber sieht Niedermeyer anders…

Illustrationsfoto: Markus Spiske,  Unsplash,  CC0 1.0 DEED

„Obwohl ich die meiste Zeit meiner professionellen Karriere in der Nationalbank verbracht habe, kann ich nur davor warnen, die Bedeutung der Währungspolitik zu überschätzen. Die währungspolitischen Maßnahmen der tschechischen Nationalbank sind nämlich nicht für alle Regionen des Landes gleich vorteilhaft. Dasselbe Problem gilt auch innerhalb der Eurozone. In der Praxis zeigt sich aber, dass unsere Wirtschaft so stark mit der deutschen verbunden ist, dass sich vereinfacht sagen ließe: Was für die deutsche Wirtschaft in der Währungspolitik gut ist, wird auch gut für uns sein. Natürlich gilt das nicht uneingeschränkt, und man muss fairerweise zugeben, dass die Währungspolitik bei uns eine positive Rolle bei der Förderung der Konjunktur spielen kann. Zugleich muss man sehen, dass manchmal die Währungspolitik – vor allem bei unerwarteten Kursschwankungen – auch Kosten verursacht, mit denen unser Land dann zurechtkommen muss“, so der Europa-Parlamentarier.

Die hiesige Nationalbank hat von dem Instrument der Währungspolitik immer wieder Gebrauch gemacht. Zum Beispiel erhöhte sie im vergangenen Jahr angesichts der steigenden Inflation relativ schnell den Leitzins. Eine solche Erhöhung hat zur Folge, dass die Geldmenge geringer wird und damit auch der Inflationsdruck sinkt. Zugleich werden aber auch Kredite teurer, und das kühlt die Wirtschaft in der Regel ab.

Jan Švejnar | Foto: Jindřich Nosek,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0 DEED

Anfang September kritisierte mit Jan Švejnar einer der angesehensten tschechischen Ökonomen bei einer Talkshow im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen diese Politik. Er sagte, dass die tschechische Nationalbank zunächst viel zu lange eine Zinserhöhung hinausgezögert hätte, um dann plötzlich ihre Gangart viel zu stark zu verschärfen.

„Die Nationalbank richtet dabei ihre Politik völlig auf die Inflation aus, aber nicht auch auf das Wirtschaftswachstum. Die Europäische Zentralbank hingegen, die dieselbe Funktion einnimmt, hat auch ein Auge auf die Konjunktur in der Eurozone. Da also besteht ein Unterschied. Als Folge davon werden die tschechischen Hersteller – und vor allem die kleinen und mittelständischen – immer stärker gehandicapt. Dabei sind wegen der Corona-Krise zahlreiche Firmen hierzulande schon eingegangen und weitere stehen am Rande des Bankrotts. Ob sie überleben können, liegt dann am gesamtwirtschaftlichen Umfeld“, erläuterte Švejnar.

Der Euro-Skeptiker Petr Mach will aber gerade nicht auf die Währungspolitik der Europäischen Zentralbank vertrauen:

Illustrationsfoto: Carlos Pernalete Tua,  Pexels,  CC0 1.0 DEED

„Deutschland bildet den Kern der Eurozone. Für Länder, die dasselbe Pro-Kopf-Einkommen haben und eine ähnliche industrielle Struktur wie Deutschland, bietet die gemeinsame Währung eher Vorteile. Und zwar weil die Transaktionskosten  wegfallen – die Menschen also ihr Geld nicht mehr umtauschen müssen. Längst nicht so stark verspüren sie hingegen die Nachteile durch den Verlust der Möglichkeit, dass ihre Währung an Wert gewinnt oder verliert in Reaktion auf Export, Import, Nachfrage und die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes. Deswegen hat der Euro für einige Volkswirtschaften, die Deutschland nahestehen, wie Luxemburg oder auch Belgien, durchaus mehr Sinn als für uns. Tschechien ist zwar direktes Nachbarland, hat aber eine andere Wirtschaftsstruktur und ein geringeres Pro-Kopf-Einkommen.“

In der prinzipiellen Frage, ob der Euro eher ein Vor- oder Nachteil ist für Tschechien, gehen die Meinungen also weit auseinander. Letztlich sagen alle Ökonomen aber, dass eine eventuelle Annahme der Gemeinschaftswährung vor allem von der Politik entschieden werden müsse. Allerdings ist dieser Schritt auch nur dann möglich, wenn die finanzpolitischen Grundvoraussetzungen erfüllt sind. Sprich: die vier Maastricht-Kriterien. Das ist zum einen die Preisstabilität, zweitens muss der Devisenkurs stabil sein. Drittens darf der Leitzinssatz eine gewisse Höhe nicht überschreiten. Und als Viertes müssen der Anteil der öffentlichen Schulden unter 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen und die Neuverschuldung niedriger als drei Prozent des BIP sein.

Illustrationsfoto: Lukasz Radziejewski,  Pexels,  CC0 1.0 DEED

Nur ein Maastricht-Kriterium erfüllt

Viele Jahre lang war es für Tschechien kein Problem gewesen, das Kriterium der Staatsverschuldung zu erfüllen. In der Corona-Krise hat jedoch die Vorgängerregierung unter Premier Andrej Babiš (Partei Ano) die Staatsfinanzen aufgebläht, vorrangig um die staatlichen Hilfen finanzieren zu können – aber nicht nur deswegen. Dazu kommt mittlerweile eine hohe Inflationsrate. Das bedeutet, dass das Land derzeit nur die Maastricht-Vorgaben zu den Leitzinssätzen erfüllt.

Petr Just | Foto: ČT24

Im Dezember hat in Prag die neue Fünferkoalition die Geschäfte des Landes übernommen. Doch auf die Frage nach der Einführung des Euro hierzulande hat sie wie die Vorgängerregierung keine klare Antwort gefunden. Dazu der Politologe Petr Just von der Metropolitan University Prague:

„Im Koalitionsvertrag hat sich die Regierung dazu verpflichtet, die Maastricht-Kriterien zu erfüllen. Das sind jene wirtschaftlichen Kriterien, die zu einem Beitritt zur Eurozone berechtigen. Damit sagt man zwar A, doch es fehlt das B – dass man nämlich Tschechien auch zum Euro führen will. Meinem Verständnis nach ist das innerhalb dieser Fünferkoalition eine sehr sensible Frage, weil die stärkste Regierungspartei schon seit langem die Annahme der Gemeinschaftswährung ablehnt. Bei der Einhaltung der Maastricht-Kriterien geht es laut Koalitionsvertrag hauptsächlich um die Stabilisierung der tschechischen Finanzen, denn diese beinhalten auch Vorgaben zu den Schulden und zur Inflationsrate. Die Maastricht-Kriterien dienen also als Weg zur Lösung der hiesigen Haushalts- und Wirtschaftsprobleme, aber nicht vorrangig als Voraussetzung für die Einführung des Euro.“

Marian Jurečka | Foto: Regierungsamt der Tschechischen Republik

Die stärkste Regierungspartei sind übrigens die Bürgerdemokraten, die mit Petr Fiala auch den Premier stellen.

Ende November gab der christdemokratische Parteichef und heutige Arbeits- und Sozialminister sowie Vizepremier Marian Jurečka Einblicke in die Behandlung des Themas in den Koalitionsgesprächen:

„Wir haben über die mögliche Einführung des Euro gesprochen. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass wir uns über dieses Thema sogar gestritten haben. Erst zu Ende der Koalitionsgespräche haben wir die entsprechenden Formulierungen gefunden und uns aber, meiner Meinung nach, auf eine gute und praktikable Lösung geeinigt. Wir wollen Firmen, die heute besonders unter den Wechselkursschwankungen leiden, ermöglichen, ihren Zahlungsverkehr mit dem Staat in Euro zu führen.“

Illustrationsfoto: Engin Akyurt,  Pexels,  CC0 1.0 DEED

Als Buchgeld also soll der Euro eingeführt werden. Zugleich sagt Jurečka aber auch:

„Den Euro in der Amtszeit dieser Regierungskoalition einzuführen, ist nicht realistisch. Aber unser Regierungsprogramm enthält das Ziel, dass Tschechien die Maastricht-Kriterien erfüllt, um in Richtung Euro zu gehen.“

Autoren: Till Janzer , Pavel Novák
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