Alles durch den Ukraine-Krieg verändert – Tschechische Regierung bilanziert ihr erstes Jahr
Seit einem Jahr ist das tschechische Regierungskabinett von Premier Fiala im Amt. Deswegen hat die Koalition nun eine Bilanz gezogen. Es waren zwölf Monate, in denen alles anders kam als gedacht.
Eines der Ziele der aktuellen Regierungskoalition war eine Konsolidierung der Staatsfinanzen. Doch Ukraine-Krieg, Energiekrise und Inflation machten dieses Vorhaben und weitere zunichte. Nun haben Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) und seine Minister ihr erstes Jahr in der Regierungsverantwortung bilanziert. Am 17. Dezember 2021 war das Kabinett ernannt worden.
„Es war ein Jahr voller Überraschungen. Denn nichts von dem, was wir uns eigentlich vorgenommen hatten und mit dem ich als Agenda für das erste Jahr gerechnet habe, ließ sich erfüllen. All dies war überdeckt von anderen Ereignissen“, sagte Fiala in einer Video-Botschaft auf Social Media.
Der Premier streicht dabei heraus, dass Tschechien insgesamt 460.000 geflüchtete Ukrainer aufgenommen hat. Und dass sein Kabinett in Rekordzeit andere Energiequellen aufgetan hat, die die russischen Lieferungen ersetzen können – so etwa durch die Beteiligung an einem LNG-Terminal in den Niederlanden. Zudem lobt er die Ergebnisse der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft, die auf die zweite Hälfte dieses Jahres fiel.
Politologen sehen das Kabinett Fiala hingegen unterschiedlich erfolgreich je nach Gebiet. So sagte Lukáš Jelínek der Tageszeitung „Blesk“:
„Ich denke, die Regierung hat fehlerfrei in der Außen- und Sicherheitspolitik agiert, vielleicht mit einigen kleinen Vorbehalten und Sorgen bei den Flüchtlingen aus der Ukraine.“
Anders fällt Jelíneks Urteil bei den innenpolitischen Maßnahmen aus. Unter anderem habe das Kabinett mit den Hilfsmaßnahmen in der Energiekrise teils zulange gewartet, befindet der Politikwissenschaftler.
Dennoch belasten diese Hilfsmaßnahmen den tschechischen Staatshaushalt sehr stark. Für dieses Jahr plant das Kabinett mit einem Defizit von 375 Milliarden Kronen (15,5 Milliarden Euro) und für kommendes mit 295 Milliarden Kronen (12,2 Milliarden Euro). Wie will die Regierung nun die Finanzen in Griff bekommen? Noch einmal Fiala:
„Wir glauben nicht an den Weg, die Steuern zu erhöhen und die Bürger beziehungsweise Firmen zu belasten. Wir sehen stattdessen Einsparmöglichkeiten bei den Ausgaben. Unser Ziel sollte sein – und auf jeden Fall ist dies mein Ziel –, dass der Staat besser funktioniert, aber stärker und zugleich schlanker ist.“
Einige Politologen sehen das aber anders und verweisen auf die Notwendigkeit einer Steuerreform. Und ob die Beibehaltung der geltenden Flat Tax in der Regierung auch wirklich mehrheitsfähig ist, gilt nicht als ausgemacht. In jedem Fall plant die Koalition, ihr Regierungsprogramm an die geänderten Rahmenbedingungen durch Ukraine-Krieg und Energiekrise anzupassen. Das hat bei der Opposition zu scharfer Kritik geführt.
„Das Regierungsprogramm nach nur einem Jahr zu ändern, halte ich für ungeheuerlich. Und das sage ich angesichts meiner Erfahrung als ehemalige Finanzministerin einer Regierung, die zwei Jahre lang mit der Corona-Krise kämpfen musste. Wir haben unser Programm trotzdem nicht geändert“, so Alena Schillerová (Partei Ano).
Sollte das Kabinett von Fiala das Regierungsprogramm ändern, müsste es erneut um das Vertrauen des Abgeordnetenhauses bitten, findet Schillerová. Das hält Petr Hartman, Kommentator des Tschechischen Rundfunks, jedoch für übertrieben und sagt:
„Was passiert ist, konnte niemand vorhersehen. Deswegen ist es logisch, dass das Kabinett seine Prioritäten neu bewertet und das Regierungsprogramm umarbeitet. Ansonsten könnte ihr vorgeworfen werden, dass sie ihre Pläne überhaupt nicht erfüllt und etwas anderes macht.“
Das neue Regierungprogramm soll bis Ende März fertig sein, wie bereits angekündigt wurde.