Alles Gute zum Geburtstag! Tschechien ist 15

Die Einigung Europas: Nachdem 1989 der Eiserne Vorhang gefallen war, war sie das politische Gebot der Stunde. Doch während fieberhaft daran gearbeitet wurde, die jahrzehntelange Teilung des alten Kontinents zu überwinden, wurde mitten in Europa eine neue Grenze gezogen: Am 1. Januar 1993 war die Tschechoslowakei nur noch Vergangenheit, mit Tschechien und der Slowakei entstanden zwei neue europäische Staaten. Alle Gute zum 15. Geburtstag!

„Kde domov muj“, wo ist meine Heimat, heißt es am Beginn der tschechischen Nationalhymne. Früher war sie der erste Teil der tschechoslowakischen Hymne, der slowakische Teil hing einfach hinten dran. Vor genau 15 Jahren wurden Land und Lied geteilt, die Tschechoslowakei hörte auf zu existieren. Hunderte Institutionen mussten aufgedröselt werden, Tausende Menschen entschieden über ihre künftige Staatsangehörigkeit, Milliarden von tschechoslowakischen Kronen verloren ihre Gültigkeit und wurden durch neues Geld ersetzt. Eine politische Monsterentscheidung, deren Umsetzung aber weitgehend reibungslos verlief.

Peter Gabal
Peter Gabal, der Leiter der tschechischen Redaktion von Radio Prag, lebte damals noch in seiner ursprünglichen Heimat, der Slowakei. An den 1. Januar 1993 erinnert er sich mit gemischten Gefühlen.

„Zuvor hatte es geheißen, jemand könnte versuchen, auf irgendeinem Balkon die selbstständige Slowakei auszurufen. Ähnlich wie 1918 bei der Entstehung der ersten Tschechoslowakischen Republik. Die staatliche Verwaltung hätte dann nicht mehr funktioniert, und wir hatten schreckliche Angst vor so einem wilden Zerfall. Ganz zu schweigen von noch schlimmeren Szenarien – zu dieser Zeit war ja gerade Krieg auf dem Balkan. So etwas war hier zwar nicht besonders wahrscheinlich, aber die Angst war dennoch da. Die politische Übereinkunft, die dann erzielt wurde, brachte paradoxerweise Erleichterung. Erleichterung darüber, dass alles legal und auf dem Boden der Verfassung läuft.“

Dass es aber überhaupt zum Zerfall der Tschechoslowakei kam, das war für viele dennoch ein Einschnitt in ihre alltägliche Lebenswelt. Auch für Peter Gabal:

„Es war der Verlust eines Teils meiner Heimat. Prag zum Beispiel war immer auch meine Hauptstadt gewesen, immer wieder bin ich gerne hergekommen, beruflich und privat. Und dann, Anfang 1993, wussten wir in der Slowakei plötzlich nicht einmal mehr, was in Tschechien passiert. Wir hatten absolut keine Informationen, so als ob da plötzlich eine unsichtbare Mauer wäre. Dieser Zustand dauerte ein paar Wochen an. Danach begannen sich die Menschen zu beklagen, sie sagten sich, dass das doch nicht normal sein kann. Die ganze Angelegenheit war also in erster Linie komisch, irgendwie seltsam.“

Drei Jahre später verschlug es Peter Gabal nach Prag, in die Stadt, die früher auch seine Hauptstadt war. Nun war er hier Ausländer.

Prag
„Ich habe damals zum Glück in einem amerikanischen Unternehmen gearbeitet, das sehr gut positioniert war. Dort gab es einen eigenen Mitarbeiter, der mit einer Vollmacht die administrativen Dinge für die Ausländer in der Firma erledigte. Ich musste also nie bei der Ausländerpolizei in der Schlange stehen. Ich bin immer nur hingegangen, um zu unterschreiben und mir meine neue Aufenthaltsgenehmigung abzuholen. Für mich war es also relativ leicht. Aber an sich waren Slowaken Ausländer wie alle anderen auch und mussten genauso wie Pakistanis oder Vietnamesen ihre Anträge stellen. Wir waren damals ja noch nicht in der Europäischen Union. Insgesamt war es also nicht gerade einfach.“

Umfrageergebnisse hatten vor dem 1. Januar 1993 unisono gezeigt, dass es bei einem allfälligen Referendum keine Mehrheit für die Teilung der Tschechoslowakei gegeben hätte. Es waren in erster Linie die politischen Führer in beiden Landesteilen, die miteinander nicht mehr so recht konnten und wollten – auch die Stärkung der eigenen Hausmacht mag hier ein Motiv gewesen sein. 15 Jahre später aber haben sich die Menschen längst an ihre neuen Heimatstaaten gewöhnt. Tschechoslowakische Nostalgie kommt praktisch keine auf, gleichzeitig gilt das nachbarschaftliche Verhältnis als besser denn je.

2004 sind Tschechien und die Slowakei gemeinsam der Europäischen beigetreten, und vor wenigen Tagen auch dem Schengener Abkommen. Die neue Grenze, die vor 15 Jahren mitten in Europa entstanden ist, ist beinahe wieder verschwunden.