Altstädter Rathaus in Prag: Schauplatz wichtiger historischer Ereignisse

Altstädter Rathaus

Das Altstädter Rathaus mit der astronomischen Aposteluhr gehört zu den größten Touristenmagneten der tschechischen Hauptstadt. Einen Besuch wert sind auch die historischen Innenräume im Rathaus.

Altstädter Rathaus | Foto: Prague City Tourism
Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Auf dem Altstädter Ring wimmelt es fast in jeder Jahreszeit von Touristen. Die meisten von ihnen drängen sich vor dem Rathausturm mit der astronomischen Uhr. Denn zu jeder voller Stunden erscheinen in zwei kleinen Fenstern oberhalb der Uhr eine nach der anderen die Figuren der zwölf Apostel. Zahlreiche Prag-Besucher kennen das Rathaus nur von außen. Aber manche sehen sich auch die dortigen historischen Innenräume an. Jiří Werich führt die Besucher durch das Rathaus. Mit der Besichtigung beginnt er im ersten Stock vor der Erkerkapelle. Er macht darauf aufmerksam, dass zahlreiche namhafte Persönlichkeiten der tschechischen Geschichte das Gebäude betreten haben:

„Zu ihnen gehören Johann von Luxemburg, Karl IV., Wenzel IV. und Georg von Podiebrad sowie weitere böhmische Könige. Wenn man sich das Rathaus von außen anschaut, ist zu sehen, dass es sich eigentlich um fünf dicht nebeneinander gebaute Häuser handelt. Ursprünglich gab es hier also noch kein Rathaus, sondern nur Bürgerhäuser. Einige davon befanden sich auch in Richtung der St. Nikolaus-Kirche. Aber während des Prager Aufstands am 8. Mai 1945 brannten sie ab.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Geschichte des Altstädter Rathauses geht ins Jahr 1338 zurück. Damals erlaubte König Johann von Luxemburg den Bewohnern, ein Rathaus zu errichten. Zur selben Zeit begannen die Bauarbeiten am 65 Meter hohen Turm. Fertiggestellt wurde er 1364. Eine Zeit lang war er der höchste Turm in der Stadt überhaupt. Im 14. Jahrhundert wurde im Rathaus die Jungfrau-Maria-Kapelle errichtet. Jiří Werich macht auf einige Details aufmerksam:

„Auf dem Altar befindet sich eine Plastik der Jungfrau Maria mit Jesuskind. An den Seiten stehen Statuen der heiligen Ludmila und ihres Enkelsohns, des heiligen Wenzel. Die Kapelle wurde insgesamt sechs Mal geweiht, zuletzt von Kardinal Dominik Duka. Sie könnte also auch liturgischen Zwecken dienen.“

Apostelfiguren | Foto: Radio Prague International

Meistens dient der Sakralraum jedoch, wie Werich anmerkt, den Touristen. Aus der Kapelle bietet sich den Besuchern auch ein Blick auf die astronomische Uhr von der Rückseite. Der Zeitmesser stammt von 1410. Die ursprünglichen Apostelfiguren fielen einem Brand im Mai 1945 zu Opfer. Nach dem Krieg seien neue Figuren kreiert worden, erzählt Werich:

„Die ganze astronomische Uhr wird von einer einzigen großen Maschine betrieben, die hinter dieser Wand versteckt ist. Eine Kopie dieses Mechanismus befindet sich in der Stadt Kadaň. Von dort stammte der mutmaßliche Schöpfer der Uhr, Meister Hanuš. Man erzählt sich, dass er geblendet worden sein soll, nachdem er die Prager Aposteluhr zusammengestellt hatte. Damit sollte laut der Sage verhindert werden, dass er eine weitere Uhr für eine andere Stadt kreiert. Dies ist jedoch nur eine Legende.“

Gefängnis für Schuldner

Foto: Prague City Tourism

Aus der Kapelle geht es weiter in den Gemeindesaal des Rathauses. Dieser sieht sehr schlicht aus. Der Saal brannte zu Kriegsende ab, erklärt Jiří Werich:

„Von insgesamt 34 Porträts der Altstädter Bürgermeister sind nur vier erhalten geblieben. Diese stammen aus dem 18. und dem 19. Jahrhundert. Die kleine Tür führte früher angeblich zum Altstädter Gefängnis. Dort wurden Schuldner eingesperrt. Sie durften das Gefängnis erst verlassen, nachdem sie ihre Schulden beglichen hatten. Es wird erzählt, dass die Schuldner einen an einer Stange befestigten Korb auf den Marktplatz streckten und die Prager um Geld baten, damit sie ihnen halfen, die Schulden zurückzuzahlen.“

Aus dem Gemeindesaal führt Werich weiter in den Teil des Rathauses, in dem die Originalausstattung erhalten geblieben ist. Denn die Räumlichkeiten waren durch eine feste Metalltür vom vorderen Rathausteil getrennt. Und so konnte der Brand von 1945 hier keine Schäden anrichten.

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Im historischen Rathaussaal stehen gotische Originalmöbel. Dazu gehören auch Sessel für den Bürgermeister und die Stadtverordneten. Jiří Werich:

„Zudem gibt es hier einige modernere Stücke, die im Jugendstil kreiert worden sind – wie die Abdeckung der Heizung vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Kronleuchter stammen vom Ende des 19. Jahrhunderts. Der Saal diente nicht nur für Sitzungen des Stadtrats, sondern auch als Gerichtssaal. Davon zeugt unter anderem die Christusplastik aus dem 15. Jahrhundert. Sie stellt nicht Christus am Kreuz dar. Stattdessen heißt die Statue der leidende Christus. Über der Statue befindet sich eine Inschrift, die in etwa lautet: ,Richte gerecht, Menschensohn!‘“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Ein weiterer Beweis dafür, dass sich im Saal früher Gerichtsverhandlungen abspielten, findet sich auf dem großen Kachelofen. Dort ist die römische Göttin Justitia abgebildet. Werich macht des Weiteren auf die Prager Stadtwappen aus verschiedenen Zeitepochen aufmerksam, die über der Tür zu sehen sind:

„Das gotische Stadtwappen stammt aus dem 15. Jahrhundert, das Barockwappen aus dem 18. Jahrhundert. Dieses Wappen von 1928 ist mit dem heutigen fast identisch. Am schönsten ist zweifelsohne das Wappen aus der Barockzeit. Es enthält ein Element, das bis heute im Stadtwappen enthalten blieb, und zwar eine Hand mit einem Schwert. 1648 näherte sich der Dreißigjährige Krieg dem Ende. Schwedische Truppen lagerten am linken Moldauufer und versuchten, über die Karlsbrücke in die Altstadt einzudringen. Den Bewohnern gelang es aber, die Altstadt zu verteidigen. Als ein Andenken daran ließ Ferdinand III. die Hand mit dem Schwert ins Stadtwappen einfügen.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Wände des Saals sind außerdem mit zahlreichen Zunftwappen geschmückt.

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die weiteren Räumlichkeiten sind während der Woche nur selten für die Öffentlichkeit zugänglich, weil sie vom Prager Stadtrat benutzt werden. Der große Festsaal wurde nach dem tschechischen Maler Václav Brožík benannt. Im Vorsaal macht Jiří Werich auf eine verzierte Tür aufmerksam:

„Die reichlich mit Intarsien geschmückte Tür befand sich im 17. Jahrhundert im Kleinseitner Rathaus. Seit dem 19. Jahrhundert ist sie Bestandteil des Altstädter Rathauses. Die beiden Gemälde im Vorsaal sind Werke von Václav Brožík. Auf dem einen ist die Gründung der Prager Universität im Jahre 1348 durch Karl IV. dargestellt. Auf dem anderen ist Jan Amos Komenský (Comenius) zu sehen, wie er weiteren Gelehrten seine Werke zeigt. Die Szene spielt in Amsterdam, vom Fenster aus ist eine Windmühle zu sehen. Brožík bildete auch gern sich selbst auf seinen Gemälden ab. Auf diesem Gemälde sieht man also eines der ersten Selfies – denn der Mann, der seine Hand in die Hüfte stützt, ist der Maler selbst.“

Der Festsaal beeindruckt durch seine Größe:

„Wenn man die Höhe der Säle, die wir zuvor besichtigt haben, mit den Ausmaßen dieses Raums vergleicht, ist zu sehen, dass er sich auf zwei Etagen des Rathauses erstreckt. Der Saal wurde zum Teil von Architekt Josef Chochol im Jugendstil gestaltet.“

Großgemälde von König Georg von Podiebrad

Brožík-Saal des Altstädter Rathauses mit dem Brožíks Bild „Meister Jan Hus vor dem Konzil zu Konstanz“ | Foto: Kristýna Maková,  Praha křížem krážem

Den Raum dominieren zwei großformatige Bilder von Brožík. Auf dem einen ist der Kirchenreformator Jan Hus vor dem Konzil in Konstanz abgebildet. Das andere Gemälde stellt ein Ereignis dar, das sich direkt im Altstädter Rathaus abspielte, sagt der Experte:

„Es handelt sich um die Wahl von Georg von Podiebrad zum böhmischen König im Jahre 1458. Nach Georg von Podiebrad wurde auch der kleinere Nachbarsaal benannt. Den Saal dominiert eine große Büste des Herrschers…

„Die Büste schuf der Bildhauer Tomáš Seidan im Jahr 1873. Sie ist nicht nur wegen ihrer Größe beeindruckend, sondern auch wegen dem Material. Denn es wurde Carrara-Marmor verwendet. Aus dem Fenster ist auf dem Bild ein mit Sgraffiti geschmücktes Haus zu sehen, das heutzutage nicht mehr zum Rathaus gehört. Im dem Gebäude ist aktuell das Pfadfinderinstitut untergebracht. Warum das Haus ,Zur Minute‘ genannt wird, dafür gibt es die folgende Erklärung: In dem Gebäude wohnte angeblich ein italienischer Bäcker. Nachdem er das Brot gebacken hatte, ging er stets auf die Straße und rief: ,A minuta, a minuta!‘ Er wies so darauf hin, dass das Brot in einer Minute verkauft wird.“

An den Wänden des Saals finden sich Fragmente von Fresken aus dem 15. Jahrhundert. Man erkennt etwa eine Madonna mit Kind oder eine gotische Mauer. Die Decke aus dem 16. Jahrhundert ist größtenteils erhalten geblieben.

Haus , Zur Minute‘ | Foto: Kristýna  Maková,  Radio Prague International

Die historischen Säle und die Kapelle im Altstädter Rathaus sind von Januar bis März täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet, am Montag öffnen sie um 11 Uhr. Von April bis Dezember können die Räumlichkeiten am Wochenende schon um 9 Uhr besucht werden. Länger hat der gotische Turm des Rathauses geöffnet. Zugänglich sind auch die unterirdischen Räumlichkeiten, in die wir Sie in einer der nächsten Ausgaben des Spaziergangs durch Prag einladen.

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