Antisemitismus in Tschechien: Schmierereien und Hetze im Netz

Foto: hurk, Pixabay / CC0

Anlässlich des Internationalen Gedenktages an die Holocaust-Opfer fand am Montag eine Versammlung im tschechischen Senat statt. Die Politiker warnten bei der Veranstaltung vor Hass, Fanatismus und Antisemitismus. Obwohl Tschechien als ein großer Freund Israels in der Welt gilt, werden auch hierzulande besonders im Internet Vorurteile gegen Juden verbreitet. Wie ist es also um den Antisemitismus in Tschechien bestellt? Dazu ein Interview mit der Leiterin des Multikulturellen Zentrums in Prag, Zuzana Schreiberová.

Zuzana Schreiberová  (Foto: Jana Šustová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Frau Schreiberová, in Tschechien gab es früher kaum Anzeichen von Antisemitismus. Hat sich daran in letzter Zeit etwas geändert?

„Ich befürchte, dass dies nicht mehr gilt. Denn es gibt eine Menge von Verschwörungstheorien, die sich auf Juden beziehen. Ich bin sehr aktiv in den Social-Media. Beispielsweise bei Facebook habe ich sehr viele Beispiele dafür gefunden, dass die Menschen hierzulande Theorien über eine jüdische Verschwörung glauben.“

Sind dies Verschwörungstheorien, wie sie schon vor fast 100 Jahren entstanden sind?

„Ja, schon. In den Theorien kommt oft ein typischer Name vor: Familie Rothschild. Es ist wirklich nichts Neues.“

George Soros  (Foto: Harald Dettenborn,  Wikimedia Commons,  CC BY 3.0 DE)
Weiß man, woher diese Theorien kommen und wer dahinter steht?

„Alle alten Vorurteile sind wiederbelebt worden. Darüber hinaus habe ich aber auch etwas Neues entdeckt: Der Antisemitismus greift das Thema der Migration auf. Eine der Verschwörungstheorien behauptet, es gebe bestimmte jüdische Eliten, die für die Migration, für die Multi-Kulti-Gesellschaft und die Zerstörung der europäischen Kultur verantwortlich seien. Eine große Rolle spielt in diesen Theorien ein neuer Name – der US-amerikanische Philanthrop George Soros.“

Gibt es Strafanzeigen gegen die anonymen Verbreiter von derartigen Behauptungen?

„Ja. Die Organisation ‚In Iustitia‘ hat sich auf solche Straftaten spezialisiert. Zudem erstellt die Jüdische Gemeinde in Tschechien jedes Jahr einen Antisemitismus-Bericht. Dort werden auch mehrere Beispiele antisemitischer Übergriffe geschildert. Die Gemeinde ist in dieser Richtung aktiv und erstattet selbst auch Strafanzeigen.“

Gibt es Fälle, dass jüdische Grabmäler auf Friedhöfen beschädigt wurden?

„Dies ist der häufigste Ausdruck des Antisemitismus in Tschechien: dass jemand ein jüdisches Grabmal beschädigt oder eine Synagoge beschmiert.“

Foto: hurk,  Pixabay / CC0
Was kann gegen diese uralten Vorurteile beispielsweise an den Schulen unternommen werden?

„Die wichtigste Sache ist, den anderen Menschen zu begegnen und mit ihnen zu sprechen. In Deutschland wurde beispielsweise das erfolgreiche Projekt ,Rent a Jew‘ umgesetzt. In seinem Rahmen hatten die Schulen die Möglichkeit, ein Mitglied der jüdischen Gemeinde einzuladen und ihm Fragen zu stellen.“

Meinen Sie, dass in der Schule zu wenig über die Geschichte der Juden erzählt wird? Im Unterricht lernen die Schüler zwar über den Zweiten Weltkrieg und über die Judenverfolgung. Fehlt aber nicht vielleicht der Bezug zur Gegenwart?

Foto: Jekaterina Didkovskaja,  Flickr,  CC BY-NC 2.0
„Ich finde wichtig, über die Juden und die Jüdische Gemeinde als etwas Heutiges zu sprechen. Nicht alles gehört ins Museum. Bei uns gibt es neben der Jüdischen Gemeinde beispielsweise den Verband jüdischer Studenten, der sehr progressiv und aktiv ist. Man muss anmerken, dass Juden wirklich ein Teil unserer Gesellschaft sind.“

Wird ein Unterschied zwischen Antisemitismus und der Kritik am Staat Israels oder seiner Politik gemacht?

„Ich muss sagen, dass eine Kritik an Israel möglich sein muss. Man muss aber darauf achtgeben, dabei nicht antisemitisch zu sein. Wenn jemand die Existenzrecht des Staates Israel infrage stellt, dann ist das schlecht.“