Auf den Spuren des Heiligen Gunther im Benediktinerstift Břevnov

Benediktinerstift in Prag–Břevnov

Der Heilige Gunther heißt auf Tschechisch Vintíř. Er ist eine faszinierende Persönlichkeit des Frühmittelalters. Der geschickte Diplomat verbrachte die letzten Jahre seines Lebens als Einsiedler im Böhmerwald. Bestattet wurde er im Benediktinerkloster Břevnov / Breunau. In unserem Beitrag führen wir Sie durch das Kloster – auf den Spuren seines Begründers, dem Heiligen Adalbert, und des Eremiten Gunther.

Das Benediktinerstift in Prag–Břevnov ist das älteste Männerkloster in Böhmen. Seine Gründung geht auf den Přemyslidenfürst Boleslav II. und den zweiten Prager Bischof Vojtěch / Adalbert zurück. Die vollständige Bezeichnung des Klosters lautet: die Benediktiner-Erzabtei der heiligen Margarethe und des heiligen Vojtěch. Gegründet wurde das Stift 993. Dazu Jakub Izdný, Historiker von der Karlsuniversität:

Jakub Izdný | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Eine Gründungsurkunde aus dem Mittelalter ist erhalten geblieben. Darin wird der Anteil des Heiligen Vojtěch an der Entstehung des Stifts erwähnt. Wie es oft bei den mittelalterlichen Dokumenten der Fall ist, handelt es sich leider nicht um die Originalurkunde, sondern um eine später entstandene Abschrift. Es wird mitunter rege darüber diskutiert, inwieweit die Abschrift dem Originaldokument entspricht. Zudem ist unsicher, ob es überhaupt eine Gründungsurkunde gab. Denn im 10. Jahrhundert wurden die Institutionen manchmal anders als in den folgenden Jahrhunderten gegründet. So wurde die Institution in der Anwesenheit von Zeugen mündlich für gegründet erklärt, und es wurde gar kein schriftliches Dokument erstellt.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Der Heilige Vojtěch ist dem Historiker zufolge eine sehr bedeutende Persönlichkeit in der Geschichte des Christentums in Böhmen. Vojtěch habe sich auf eine Karriere in der Kirche vorbereitet, merkt Izdný an und betont:

„Er war zudem die erste Person aus Böhmen mit einer ausländischen Bildung. Diese erhielt er in der Magdeburger Domschule. Er war bestimmt ein ambitiöser Mensch, aber gleichzeitig neigte er zum kontemplativen Mönchleben. Als ein hochgebildeter Mann wurde er mit der Verwaltung der Prager Diözese beauftragt. Dies bedeutete damals vielmehr praktische als geistliche Arbeit. Denn das war die Zeit, in der sich das Christentum in diesem Land erst noch etablierte. Ein Teil des Landes war damals vom christlichen Glauben vermutlich gar nicht sonderlich stark beeinflusst.“

Vojtěchs Rückkehr nach Böhmen

In den Legenden werden laut Izdný Vojtěchs Probleme mit den Bewohnern Böhmens geschildert. Der Geistliche ging einige Male ins Exil, da er den Legenden zufolge mit dem unvollkommenen Christentum in seinem Land nicht zufrieden war. Der Historiker macht jedoch darauf aufmerksam, dass die Verfasser der Legenden auf Vojtěchs Seite standen und nach einem Feind suchten, gegen den der Geistliche antreten konnte. Jakub Izdný:

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Das unvollkommene Christentum in Böhmen bot sich als Gegner an. Mit den Informationen muss jedoch vorsichtig umgegangen werden. Es ist möglich, dass Vojtěch einfach kein Interesse an einer Bischofskarriere hatte und sich vielmehr danach sehnte, in einem Kloster zu leben. Darum ging er auch nach Rom. Es kann sein, dass Bestandteil der Bemühungen, Vojtěch zur Rückkehr nach Böhmen zu bewegen, die Gründung des Benediktinerstifts in Břevnov war. Das Stift sollte Vojtěchs Haltung zum Glauben entsprechen. Zudem sollte sich Böhmen damit dem Christentum in anderen europäischen Ländern annähern.“

Die Benediktiner waren damals laut Izdný hauptverantwortlich für die Verbreitung des christlichen Glaubens in Böhmen. Der Historiker:

„Wenn wir die Entstehung des Stifts im Geiste der Gründungsurkunde verstehen würden, folgte Vojtěch damals eigentlich einem neuen Trend. In dem Dokument werden Vojtěch und Fürst Boleslav für die Gründung des Klosters verantwortlich gemacht.“

St. Gunther – aus Bayern in den Böhmerwald

Wie war jedoch der Weg des Diplomaten und späteren Einsiedlers Gunther nach Břevnov? Der um das Jahr 955 geborene thüringische Graf Gunther diente als Diplomat bei König Heinrich III. Heute weiß man, dass sich Gunther 1005 dem weltlichen Leben entsagte. Historiker Izdný:

Dobrá Voda | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Er wurde im bayerischen Kloster Niederalteich aufgenommen. Nachdem seine Frau gestorben war und er fühlte, dass sich seine Diplomatenkarriere dem Ende nähert, trat er dem Benediktinerorden bei. Mit einer Gruppe von Benediktinern gründete er im mittleren Bayerischen Wald das Kloster Rinchnach. Im hohen Alter ließ er sich als Einsiedler im Böhmerwald in Gutwasser (tschechisch Dobrá Voda, Anm. d. Red.) nieder. Der Legende nach wünschte sich der Eremit, im Stift Břevnov bestattet zu werden. Ob dem wirklich so war, weiß man nicht. Aber der damalige Abt von Břevnov war ein früherer Mönch aus Niederalteich, es gab also wirklich eine Verbindung zwischen Gunther und Břevnov. Diese Tatsache belegt der Fakt, dass sich damals das Christentum auf Kontakte einer verhältnismäßig kleinen Gruppe von Menschen stützte, die jedoch bedeutende Institutionen miteinander verbanden. In Böhmen wurden inzwischen weitere Klöster gegründet. Als Mitbegründer wurden immer Mönche aus einer gut funktionierenden Klosterkommunität aus dem Ausland eingeladen. Damit schufen die Ordensbrüder ein Netz von Klöstern, die im christlichen Mitteleuropa miteinander verknüpft waren. Die beiden Heiligen – Vojtěch und Gunther – spielten eine wichtige Rolle in der Geschichte Böhmens und insbesondere des Klosters Břevnov.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Führung durch das Benediktinerstift Břevnov beginnt in der romanischen Krypta. Antonín Rückl führt die Besucher durch das Areal:

„1965 entfernten Experten das Pflaster im Presbyterium. Die Archäologen fanden anschließend unter der Kirche die ältesten Baufragmente. Die ersten Bauten sind wahrscheinlich nicht erhalten geblieben, weil sie aus Holz bestanden. In diese provisorischen Gebäude kamen damals die ersten zwölf Mönche mit Vojtěch, die aus dem Kloster auf dem Aventin in Rom stammten. Es gibt Informationen darüber, dass das Stift um das Jahr 1040 herum zum ersten Mal umgebaut wurde. Den Umbau unterstützte der Přemyslidenfürst Břetislav I. Es ist möglich, dass der Umbau von Gunther initiiert worden war. Aber dafür gibt es keine Beweise.“

Pilgerfahrten zu Gunthers Grab

Die Holzgebäude wurden Rückl zufolge damals durch Steinbauten ersetzt. Eine dreischiffige Kirche dominierte die neue Abtei. Die im frühromanischen Stil erbaute Kirche wurde dem Heiligen Vojtěch geweiht.

Antonín Rückl | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„In dieser romanischen Basilika ließ Fürst Břetislav den Heiligen Gunther bestatten. Břetislav unterstützte das Kloster stark und wird manchmal als der zweite Begründer der Abtei bezeichnet. Seit dem Umbau Mitte des 11. Jahrhunderts erlebte das Stift verhältnismäßig ruhige Zeiten. Die Basilika, deren Fragmente bis heute erhalten sind, stand an diesem Ort bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts. Anschließend wurde das Kloster erweitert und im gotischen Stil umgebaut. Dies hing damit zusammen, dass damals Gläubige zu Gunthers Grab pilgerten. Zudem ließ König Přemysl Ottokar II. am

13. Juli 1262 Reliquien der Heiligen Margarethe von Antiochien in der Klosterkirche bestatten. Hierzulande ist sie als Schutzpatronin der Bauern und einer guten Ernte bekannt geworden. Denn an ihrem Namenstag beginnt die Ernte.“

Die romanische Basilika, die etwa 40 Meter lang war, war vermutlich zu klein, um den vielen Menschen, die zu Gunthers Grab und zur Heiligen Margarethe pilgerten, genügend Raum zu bieten. Antonín Rückl:

Grabstein des Heiligen Gunther | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gab es große Bemühungen darum, eine offizielle Heiligsprechung von Gunther zu erreichen. Bei dieser Gelegenheit wurde das Grab des Eremiten mit einem wunderschönen Grabmal verziert.“

Bis heute wird darüber diskutiert, aus welcher Zeit das Grabmal stammt. Derzeit erforschen es Experten von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften.

„Aus den ersten Forschungsergebnissen geht hervor, dass das Grabmal aus der Zeit kurz nach 1260 stammt. Interessant daran ist, dass es sich um das älteste Portrait des heutzutage fast vergessenen Heiligen Gunther handelt. Der Grabstein befand sich bis zu den Hussitischen Kriegen auf dem Grab des Eremiten. Leider war der Umbau des Klosters zu der Zeit noch nicht beendet. Das Stift hatte keine Befestigung. Die Benediktiner wussten, wie andere Klöster geplündert wurden. Darum wurden die wertvollsten Gegenstände im Kloster in Police nad Metují versteckt. Unter den Kostbarkeiten war beispielsweise die ,Teufelsbibel‘. Später wurden die Gegenstände weiter nach Broumov transportiert. Damals wurden auch sterbliche Überreste und Reliquien der Heiligen aus Břevnov in den Klöstern in Ostböhmen aufbewahrt.“

Während der folgenden Jahrhunderte, die für die Stifte in Břevnov und in Broumov / Braunau nicht leicht waren, wurde vergessen, dass sich die Gebeine des Heiligen Gunther in Ostböhmen befinden. Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts wurde Kloster Břevnov umfassend umgebaut.

„Zuerst beteiligte sich Martin Reiner am Umbau, später Christoph und Kilian Ignaz Dientzenhofer. In der Klosterkirche in Police nad Metují wurden zu der Zeit Fragmente von Gebeinen eines Menschen gefunden. Abt Sartorius kam damals nach einigen Forschungsarbeiten zu dem Schluss, dass es sich um Gebeine des Heiligen Gunther handelte. Diese Reliquien wurden aus Ostböhmen zurück ins Kloster Břevnov gebracht. Das war zu der Zeit, als Dientzenhofer den radikalen Barockumbau des Klosters gerade beendete. Bei den Bauarbeiten wurde auch Gunthers Grabmal gefunden.“

Grabmal und Gemälde

Der Barockumbau verlief in den Jahren 1709 bis 1740. Der damalige Abt Othmar Zinke ließ die sterblichen Überreste, die dem Heiligen Gunther zugeschrieben wurden, im Altar der Margarethenkirche bestatten, der dem Heiligen gewidmet ist. Antonín Rückl:

Petr Brandl: Gunthers Tod | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Über dem Altar hängt ein großes Gemälde von Petr Brandl, das den Tod des Heiligen darstellt. Gunther verbrachte die letzten Jahre seines Lebens als Einsiedler in Dobrá Voda im Böhmerwald. Die Legenden erzählen, dass ihn dort einige Mal Fürst Břetislav besuchte. Das war der Fürst, der in Břevnov die romanische Basilika erbauen ließ. Der Přemyslide brachte auch die sterblichen Überreste des Heiligen Vojtěch aus dem polnischen Gniezno nach Prag. Gunther starb angeblich am 9. Oktober 1045. Petr Brandl malte den sterbenden Einsiedler in einer Höhle. Wer Dobrá Voda kennt, weiß, dass es dort keine Höhle gibt, aber der Barockmaler situierte den Tod des Eremiten in eine Grotte. Die Person, die über dem Sterbenden steht, soll der Prager Bischof Šebíř sein. Auf der rechten Seite steht Gunthers guter Bekannter, Břetislav I. Er ließ anschließend den Verstorbenen im Kloster in Břevnov bestatten.“

Über dem Gemälde mit Gunthers Tod ist ein Bild des böhmischen Landespatrons, des Heiligen Prokop, zu sehen. Auch er war Benediktiner. Antonín Rückl zufolge kann nicht ausgeschlossen werden, dass Prokop, der Abt des Klosters Sázava, den Einsiedler Gunther kannte.

Nach den Pilgerströmen im Mittelalter und in der Barockzeit geriet Gunther hierzulande laut Antonín Rückl erst im 19. und 20. Jahrhundert in Vergessenheit. In den letzten Jahren wurde Gunther im Böhmerwald wiederentdeckt. In Dobrá Voda steht die einzige Kirche, die ihm geweiht ist. Jedes Jahr findet dort im Herbst ein Guntherfest statt. Ein Fernwanderweg – der Gunthersteig – führt auf den Spuren des mittelalterlichen Heiligen vom bayerischen Niederalteich über Rinchnach in den Böhmerwald und dort über Prášily / Stubenbach und Dobrá Voda / Gutwasser bis nach Blatná. Vor kurzem gab der tschechische St.-Ludmila-Verein bekannt, den Gunthersteig bis nach Prag, zur Benediktinerabtei Břevnov, verlängern zu wollen.

Die Führung durch das Benediktinerkloster Břevnov dauert rund 90 Minuten. Führungen werden am Samstag und am Sonntag angeboten. Während der Woche ist die Besichtigung nach Voranmeldung möglich. Mehr Informationen finden Sie unter https://www.brevnov.cz/de/die-besichtigung-des-klosters.

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