Benediktinerstift Břevnov: In der Gunst des Kaisers, in der Ungunst der Kommunisten

Benediktinerstift Břevnov

Es ist das älteste Männerkloster in Böhmen überhaupt: Seine Gründung geht auf den Přemyslidenfürst Boleslav II. und auf den zweiten Prager Bischof, Adalbert (Vojtěch), zurück. Das Benediktinerstift im Prager Stadtteil Břevnov (deutsch Breunau) hat eine bewegte Geschichte, die 993 begann.

Benediktinerstift Břevnov
Das Benediktinerkloster ist von der Hauptstraße Bělohorská nicht zu übersehen: Die weißen Gebäude mit der prächtigen Barockkirche sind nur ein paar Schritte von der Haltestelle der Straßenbahn Nr. 22 entfernt. Durch das Eingangstor kommt man ins Klosterareal, das von der St.-Margarethen-Kirche dominiert wird. Neben der Kirche und einer romanischen Krypta können die Besucher auch einen Teil der Stiftgebäude besichtigen, erzählt einer der hiesigen Bewohner, der Benediktinermönch Aleš:

„Jedes Klosterareal besteht aus zwei Teilen: Das eine heißt Klausur – die Bezeichnung wurde von dem lateinischen Wort ´claudere´, was schließen oder abschließen bedeutet. Die Klausur ist der Teil des Klosters, wo die Mönche leben, beten und arbeiten. Es ist unser privater Raum, der für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Wir haben hier aber auch die Prälatur, die aus der Barockzeit stammt, wo wir die Gäste gern empfangen. Die Prälatur diente ursprünglich als Residenz der Äbte, also der Klosteroberen. In der Prälatur gibt es Säle, wo früher die vornehmen Besucher empfangen wurden, vor allem die Gäste vom Wiener Hof. Mehrmals waren hier die Kaiserin oder der Kaiser persönlich zu Besuch.“

An der Ausschmückung des so genannten „Kaiserlichen Traktes“ beteiligten sich die berühmten Brüder Cosmas Damian und Ägid Quirin Asam. Der große Saal wurde nach Kaiserin Maria Theresia benannt, die in diesem Raum einst empfangen wurde. Die Kaiserin habe das Kloster gern besucht, erzählt der Benediktiner:

„Das Stift liegt nicht weit von der Prager Burg entfernt. Kaiserin Maria Theresia war gewöhnt, wenn sie gekommen war, um die Prager Burg zu besuchen, gab es den ersten Empfang hier im Kloster. Nach dem Empfang reiste sie weiter durch das Tal zur Burg. Diese Tradition hatte auch ihr Sohn, Kaiser Josef II., übernommen. Er ist als ein aufgeklärter Kaiser bekannt geworden, der viele Klöster in Böhmen schließen ließ. Unser Kloster wurde aber nicht aufgelöst. Kann sein, dass es dank den guten Beziehungen der hiesigen Äbte zu Kaiserin Maria Theresia und zu Kaiser Josef auch weiterhin bestand.“

Die Arbeit der Benediktiner in diesem Kloster sei dank der guten Beziehungen zu Maria Theresia beibehalten worden, erzählt der Mönch. Die Ordensbrüder seien hier, so Bruder Aleš, praktisch seit der Gründung des Stiftes, im Jahre 993, bis 1950 tätig gewesen:

„Und zwar ununterbrochen, ohne Säkularisierung, ohne Auflösung der Ordensgemeinschaft. Die Mönche mussten in der Zeit der Aufklärung neue Aufgaben auf sich nehmen. Sie übernahmen die Seelsorge in den nahe liegenden Pfarrgemeinden und waren an den Schulen tätig. So sah die Arbeit der Mönche praktisch bis zum Beginn der kommunistischen Zeit aus. Die Benediktiner waren Pfarrer, Lehrer und Wissenschaftler auf dem Gebiet der Kirchengeschichte, der Philosophie usw. Im südmährischen Stift Rajhrad gab es sogar eine Druckerei und einen Verlag. Dank dessen war es im 19. Jahrhundert möglich, die Geschichte Mährens auf einem höheren Niveau zu erforschen.“

Im 20. Jahrhundert erlebten das Stift Břevnov und seine Bewohner eine unruhige Epoche. Während des Zweiten Weltkrieges wurde ein Teil des Klostergebäudes von der Wehrmacht besetzt. Nur ein paar Jahre nach dem Krieg begannen für alle Kirchengemeinschaften in der kommunistischen Tschechoslowakei schlimme Zeiten. Am traurigsten sei es, dass die Kontinuität sämtlicher Ordensarbeit unterbrochen wurde, meint der Benediktiner:

„Bereits 1949 ließen die Kommunisten die Mehrheit der Klosteroberen verhaften. Sie wurden in den Schauprozessen zu langer Haft verurteilt. 1947 wurde der 34-jährige Anastáz Opasek zum Erzabt des Klosters gewählt. Kurz danach wurde er verhaftet und verbrachte zwölf Jahre im kommunistischen Gefängnis. Im April 1950 überfiel der Geheimdienst gemeinsam mit den so genannten ´Volksmilizen´ alle Klöster in der damaligen Tschechoslowakei und damit wurde die Liquidierung aller Ordensgemeinschaften in Wege geleitet. Es gab keine Ausnahmen. Das kommunistische Regime in der Tschechoslowakei ging in diesem Bereich schärfer als in einigen anderen Ländern vor. Viele Besucher des Kloster stellen uns heutzutage die Frage: Was haben damals die Mönche gemacht? Sie haben keine Wahl gehabt: Einige wurden in die Arbeitslager verschleppt, andere, die die Kommunisten für gefährlich hielten, wurden verhaftet und ins Gefängnis geschickt. Die Klostergebäude wurden vom Staat übernommen. Hier in unserem Kloster war bis 1990 das Archiv des Innenministeriums und des Geheimdienstes untergebracht. Andere Ordenshäuser, die sich auf dem Lande befanden, wurden von der Armee besetzt und ausgeplündert. Wir in Břevnov haben das Glück gehabt, dass das Kloster am Stadtrand von Prag steht. Die kommunistischen Machthaber wollten in der Hauptstadt nahe der Burg keine Ruinen haben. Dies hat uns wahrscheinlich gerettet genauso wie die Fürbitte des Gründers, des heiligen Adalbert.“

Benediktinerstift Břevnov
Während der kommunistischen Reformbewegung des so genannten „Prager Frühlings“ von 1968 hofften die Benediktiner auf eine Wiederbelebung der Ordensarbeit, sagt Mönch Aleš. Diese Hoffnungen mussten die Kirchenleute bereits kurz darauf, nach dem Einmarsch der Warschauer Pakttruppen, wieder aufgeben. Viele der früheren führenden Ordensvertreter gingen dann ins Exil, weil sie Angst hatten, erneut ins Gefängnis geschickt zu werden. Der Benediktiner:

„Viele der Mönche sind in Deutschland, Österreich oder Italien im Exil gewesen. Sie haben dort die Ordensarbeit provisorisch wiederbelebt – vor allem für Leute, die ihre Heimat aus politischen Gründen verlassen mussten. Ich weiß nicht, ob diese Menschen überhaupt noch gehofft haben, dass sie ihre Heimat mal wieder besuchen werden. Es war wirklich ein Wunder, dass ein paar Tage nach der Heiligsprechung der Přemyslidin Agnes von Böhmen das kommunistische Regime zusammenbrach und die Exilanten das inzwischen verwüstete Land wieder besuchen konnten. Der alte Erzabt Opasek ist aus dem Exil zurückgekehrt und hat hier das verfallene Kloster gefunden, das der Staat dem Orden zurückgegeben hatte. Es hat vier Jahre gedauert, bis das Haus einigermaßen in Stand gesetzt und bewohnbar wurde. Die Renovierungsarbeiten werden auch weiterhin fortgesetzt. Am Tag des heiligen Adalbert, im Jahre 1994, wurde die Klausur – der Wohnbereich der Mönche – wieder festlich geweiht. Seitdem leben wir hier nach 40 Jahren wie eine Benediktinergemeinschaft wieder. Ich meine aber, dass 40 Jahre im Vergleich mit der tausendjährigen Geschichte des Klosters fast nichts bedeuten.“


Damit sind wir am Ende des heutigen Spaziergangs durch das Kloster Břevnov angelangt. Am 21. Januar 1986 wurde in der Klosterkirche der heiligen Margarethe die Totenmesse für einen der größten tschechischen Dichter gelesen. Die Teilnahme an dem Gottesdienst, der unter der Aufsicht des kommunistischen Geheimdienstes stattfand, galt als ein stiller Protest gegen das damalige kommunistische Regime. Falls Sie wissen, für welchen Literaten der Trauergottesdienst damals in Břevnov zelebriert wurde, können Sie es uns schreiben. Denn so lautet die heutige Quizfrage, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können. Ihre Antworten richten Sie bitte an Radio Prag, Vinohradská 12, PLZ 120 99 Prag 2. Sie können uns natürlich auch eine E-Mail schreiben an: [email protected].