Aus grenzüberschreitendem Geschehen in Südböhmen

Ceske Budejovice
0:00
/
0:00

Wir wollen uns heute gemeinsam nach Südböhmen begeben. Unser Thema ist dabei wieder einmal grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Der Landkreis Südböhmen mit seiner Hauptstadt Ceske Budejovice/ Budweis kann sich auf diesem Gebiet unzähliger breit gefächerter Aktivitäten rühmen, die vor allem in den letzten Jahren auf beiden Seiten der Grenze initiiert und umgesetzt wurden.

Ceske Budejovice
Kreuz und quer durch die südböhmische Region reist Filip Cerny, Redakteur des Regionalsenders des Tschechischen Rundfunks in Ceske Budejovice, um an zumeist bilateralen Veranstaltungen teilzunehmen. Bei einigen davon hat unser Kollege auch für Radio Prag Informationen gesammelt, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen:

Während der diesjährigen landwirtschaftlichen Messe "Nährmutter Erde" in Ceske Budejovice fand bereits zum dritten Mal eine Aktion mit dem Titel "Österreich-Abend" statt, veranstaltet vom Österreichischen Grenzlandverein. Über seine Tätigkeit unterhielt sich Filip Cerny mit dem Vereinspräsidenten René Alfons Haiden:

"Ende 2001 haben wir den Österreichischen Grenzlandverein gegründet, weil wir bei einer Diskussion im Waldviertel nahe der Grenze zur Tschechischen Republik gehört haben, dass die Menschen sehr daran interessiert wären. Die Aufgabe des Grenzlandvereins ist es, die wirtschaftlichen Beziehungen insbesondere auf der Basis der Klein- und Mittelbetriebe zu unterstützen und zu fördern. Wir machen verschiedene Veranstaltungen, so genannte Wirtschaftsstammtische. Wir beraten Betriebe und Unternehmen, machen Interregprojekte, und versuchen immer dort zu vermitteln, wo es notwendig ist. Wir arbeiten sehr eng mit den Gemeinden zusammen, sowohl auf tschechischer als auch auf österreichischer Seite, weil ja Gemeinde und Betrieb sozusagen eine Einheit bilden. Viele Veranstaltungen machen wir bei Messen mit eigenen Ständen, wo wir österreichischen Betrieben im Nachbarland und umgekehrt den tschechischen Betrieben in Österreich die Möglichkeit bieten, sich zu präsentieren und ihre Produkte anzubieten. Durch diese Intensivierung können wir, glaube ich, einen Beitrag dazu leisten, die wirtschaftliche Entwicklung in beiden Ländern zu fördern."

Sie haben sich heute im Rahmen eines österreichischen Abends in Budweis mit tschechischen Partnern getroffen. Diese Treffen sind mittlerweile zur Tradition geworden. Wann ist diese Idee entstanden?

"Wir haben uns vor drei Jahren erstmals an der landwirtschaftlichen Messe beteiligt, und dabei ist die Idee entstanden, am ersten oder zweiten Messetag einen österreichisch-tschechischen Abend zu veranstalten und dazu verschiedene Unternehmer und Funktionäre einzuladen, z.B. den österreichischen Handelsdelegierten in Prag. Diesmal ist auch der Vizeminister Koczurek hier, wie auch andere hohe Vertreter des wirtschaftlichen und öffentlichen Lebens. Hier geht es also darum, Funktionäre, aber auch sozusagen die einfachen Bürger zusammenzubringen und sich näher zu kommen. Die Engländer haben den Spruch "Make contact to contract". Auf Deutsch heißt das, durch Kontakte soll man Geschäfte machen. Die persönliche Verbindung und das Vertrauen in den Partner machen bereits 50 Prozent des Erfolges aus."

Anton Koczur, Vizepräsident des Österreichischen Gemeindebundes und ehemaliger Bürgermeister der niederösterreichischen Stadt Gross-Siegharts, hielt in Budweis einen Vortrag über österreichisch-tschechische Wirtschaftsbeziehungen. Nach seiner Meinung über die bilateralen Kontakte auf regionaler Ebene befragt, sagte er:

"Ich glaube, dass die zwischenmenschlichen Beziehungen sehr gut funktionieren. Und es gibt auch viele Bereiche, in denen wir institutionell grenzüberschreitend zusammenarbeiten. Das funktioniert ausgezeichnet. Man spürt, dass die Verantwortlichen diesseits und jenseits der Grenze bemüht sind, der Verantwortung, die sie haben, gerecht zu werden."

Sehen Sie auch in der Zukunft eine gemeinsame Aufgabe für diese Kooperation?

"Ich sehe in der Zukunft viele Chancen. Da müssen wir Österreicher sogar etwas aufpassen, denn im Zuge der neuen Budgetperiode ab dem Jahr 2007 wird Tschechien ja von den Förderungen für Ziel-Eins-Gebiete profitieren. Wir kämpfen momentan darum, dass der Unterschied bei diesen Geldern nicht größer als 20 Prozent ist, weil wir uns sonst etwas benachteiligt sehen müssten. Doch auch dem kann man etwas ausweichen, wenn wir bereit sind, über die Grenzen hinweg zu kooperieren und gemeinsame Projekte umzusetzen, wobei auch die Tschechische Republik die Themenführerschaft über bestimmte Projekte übernimmt, und wir uns daran beteiligen."

Ceske Budejovice
Kooperationen finden häufig im Rahmen der EU statt. Kann Österreich schon jetzt von der EU-Mitgliedschaft Tschechiens profitieren?

"Ich sehe da große Vorteile. Ich habe noch die Zeit erlebt, als der Eiserne Vorhang bestanden hat und wir gleichsam mit dem Rücken zur Wand standen. Das heißt, wir haben in einen Halbkreis geblickt. Jetzt dürfen wir uns umdrehen und haben auch auf der anderen Seite einen Halbkreis vor uns. Die Tschechische Republik ist in der Grenzennähe dichter besiedelt als die österreichische Seite. Daraus ergeben sich für unsere Firmen viele Chancen, auf Kunden zuzugehen. Die tschechische Seite hat aber, obwohl sie dichter besiedelt ist, die gleichen Probleme wie wir, was Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, Qualifizierung und Weiterbildung anbelangt. All das verbindet uns, und das soll auch in Zukunft so bleiben. Für mich ist es erstaunlich, wie rasch sich die Tschechische Republik als neues E-Mitglied etabliert hat. Ob das nun im Bereich der Wirtschaftspraxis ist, oder bei den auf modernste Weise ausgestatteten Betrieben, die weltweit konkurrenzfähig sind. Das alles ist ein gutes Zeichen, und nicht umsonst hat Tschechien ein höheres Wirtschaftswachstum als die übrige Europäische Union."

Mit seiner Gründung im Jahr 2000 begann der Landkreis Südböhmen auch mit Bayern Kontakte zu knüpfen. Seitdem gelten Treffen zwischen Vertretern der beiden Länder schon beinahe als Routinesache. Dazu der niederbayerische Regierungspräsident Walter Zitzelsberger:

"Wir haben inzwischen viele gemeinsame Aktivitäten entwickelt. In diesem Jahr ist vor allem eine gemeinsame Katastrophenschutzübung bei uns in Niederbayern hervorzuheben. Wir haben auch viele gemeinsame Tourismusprojekte, wie z.B. ganz aktuell die Broschüre 'Kulturhistorische Streifzüge in Niederbayern, der Oberpfalz und in Süd- und Westböhmen'. In der Broschüre, die wir auch in tschechischer Sprache veröffentlichen wollen, werden die kulturellen Höhepunkte in unseren beiden Gebieten vorgestellt."

Der Vorsitzende der südböhmischen Landesregierung, Jan Zahradnik, hat bei dem Treffen mit Ihnen von der geplanten Wirtschaftszone in der Nähe des Grenzübergangs bei Strazny gesprochen. Was sagen Sie zu dieser Initiative? Vielleicht wird das auch Konkurrenz für die Unternehmer auf der bayrischen Seite der Grenze mit sich bringen?

Die Moldau in Südböhmen
"Nein, keineswegs. Diese gemeinsame Wirtschaftszone ist vom Landrat des Landkreises Freiung-Grafenau erfunden worden. Wir haben zunächst beschlossen, dass wir weitere Gespräche darüber führen, welche Betriebe dort angesiedelt werden könnten. Außerdem wollen wir auch eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben."

Soviel zum Thema "grenzüberschreitende Wirtschaftsbeziehungen". Doch nicht nur vom Brot ernährt sich bekanntlich der Mensch. Ebenso wichtig ist auch der kulturelle Austausch, der im Landkreis Südböhmen das ganze Jahr hindurch stattfindet. In den letzten vier Jahren hat man in Budweis z.B. ein jeweils ganztägiges Seminar für Deutschlehrer veranstaltet - konzipiert als "Treffen mit der deutschen Sprache". Um aber auch einer breiteren Öffentlichkeit Kulturerlebnisse zu vermitteln, wurde der Rahmen dieser Seminare nun auf ein 14-tägiges Festival erweitert, das in Ceske Budejovice am 17.Oktober zu Ende ging. Sein Titel lautete einfach "Deutschsprachige Kultur" und wurde bewusst gerade so formuliert, da man sich bei der Veranstaltung nicht nur auf die deutsche Kultur allein, sondern auf Kultur der deutschsprachigen Länder konzentrieren wollte.

Das Festivalprogramm der deutschsprachigen Kultur war recht reichhaltig: Eingeleitet wurde es sozusagen gastronomisch, konkret im Wiener Cafe in Budweis, unter dem Motto "Wiener Menu". Zu den rein kulturellen Aktionen gehörten Ausstellungen an verschiedenen Orten der Stadt. Eine davon galt z.B. der Berliner Mauer. Eine ehemalige Germanistikstudentin der Budweiser Universität wiederum präsentierte ihre Plastiken nach Motiven von Hermann Hesse. Auf dem Programm standen auch Vorträge, einer davon zum Thema der gegenseitigen Beeinflussung in der tschechischen und der deutschen Architektur, Filmvorstellungen oder Konzerte des deutschen Liedermachers Thorsten Riemann. Einer der Festivalpartner war das Goetheinstitut in Ceske Budejovice. Nach einer Einschätzung dieser Zusammenarbeit fragte Filip Cerny auch den Stellvertreter des deutschen Botschafters in Prag und den Leiter des Referats für politische Angelegenheiten, Konrad Scharinger:

"Es sind sehr wichtige Aktivitäten und ich bin sehr dankbar, dass das Goethe-Institut nicht nur in Prag arbeitet, sondern auch in anderen tschechischen Städten wie z.B. in Brno, Pardubice, Olomouc, aber auch hier in Budweis. Es gibt hier natürlich Universitäten, Betriebe oder Menschen, die im Tourismus tätig sind, und die brauchen die Verbindung zur deutschen Sprache bzw. zur deutschen Kulturwelt. Daher ist es sehr gut und sinnvoll, dass es hier vor Ort Ausbildungszentren gibt, die sich dieses Inhalts annehmen."

Meine nächste Frage ist vielleicht etwas persönlich: Sie haben erzählt, wo Sie überall bereits als Diplomat tätig waren. Stellt Tschechien für Sie einfach eine weitere Station Ihrer Berufslaufbahn dar, oder haben Sie ein spezifisches Verhältnis zu diesem Land?

"Ich habe schon eine etwas andere Beziehung zu Tschechien. Erstens bin ich hier in der Nähe geboren, nämlich in Passau, etwa 50 Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt. Ich gehöre einer derjenigen Familien an, die aus beiden Ländern stammen. Die Vorfahren meines Vaters stammen aus dem Bayrischen Wald, die Vorfahren meiner Mutter wiederum aus dem Böhmerwald, der Sumava. So ist meine Heimat praktisch auf beiden Seiten der Grenze. Und das ist auch einer der Gründe, warum ich gerne nach Prag gekommen bin."