Ausländische Investoren mahnen Reformen an
Tschechien galt bei vielen ausländischen Investoren in den vergangenen Jahren als eines der attraktivsten Länder Mitteleuropas. Doch der gute Ruf ist in Gefahr, warnt das Euro-Czech Forum, ein Zusammenschluss der Handelskammern Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, der Niederlande und Schwedens. Investoren aus diesen fünf Ländern werfen der tschechischen Regierung vor, bei den Rahmengesetzen für die Wirtschaft wichtige Modernisierungen zu vernachlässigen. Dazu Sybille Korte in unserem heutigen Wirtschaftsmagazin.
"Ich denke, es ist allerhöchste Zeit, dass diese Regierung besonders jetzt diesen Zeitpunkt vor dem EU-Beitritt noch einmal wahrnimmt zum Nachdenken: Wo haben wir Lücken, wo müssen wir ran, wo müssen wir etwas ändern? Denn auf diese Weise des Lebens von früheren Zeiten, des Rumsitzens oder des Ausruhens auf früheren Erfolgen, davon kommt diese Volkswirtschaft nicht weiter. Die Wirtschaftsatmosphäre, das Geschäftsleben wird nach einem Beitritt zur EU nicht einfacher, im Gegenteil, der Wettbewerbsdruck dürfte noch einmal heftig steigen. Wir haben relativ wenig Zweifel, dass die ausländischen Firmen das bewältigen werden. Die große Sorge gilt eigentlich dem rein tschechischen Umfeld. Und ich glaube, man täte diesem Land keinen Gefallen, wenn man die immer wieder hinausgezögerten Reformen nicht anpackt. Sonst geht hier einiges den Bach runter. Das Land wird an wirtschaftlicher Attraktion für das ausländische Direktinvestment verlieren und was wir heute schon sehen, ist, dass einzelne Unternehmen ernsthaft überlegen, ob sie woanders hingehen."
Eine der wichtigsten Forderungen der Wirtschaftsvertreter lautet, endlich das Verfahren zur Eintragung neuer Firmen ins Handelsregister zu modernisieren. Das sei völlig veraltet und lähme die wirtschaftliche Entwicklung des Landes, erläutert Dieter Mankowski:
Monatelang müssen neue Firmen in Tschechien warten, bis sie ihre Geschäftstätigkeit aufnehmen dürfen. Um ihren Start und damit die wirtschaftliche Dynamik zu beschleunigen, sollte das Verfahren zur Eintragung ins Handelsregister völlig neu gestaltet werden, verlangt das Euro-Czech Forum. Dazu gehörten beispielsweise auch landesweit einheitliche Antragsformulare, die es derzeit eben nicht gibt. Zwar hat es schon mehrere Anläufe zu einer entsprechenden Reform gegeben, aber bislang haben sie keine nennenswerten Ergebnisse gebracht, bedauert Mankowski.
Eine andere wichtige Forderung der ausländischen Wirtschaftsvertreter betrifft das Verfahren bei Firmenpleiten. Dazu Dieter Mankowski:
"Das Konkursrecht hier hat verschiedene Schwachpunkte. Einer davon ist, dass der Konkursrichter einfach noch zu viele Vollmachten hat, umzugehen mit dem Fall, wie er möchte oder wie das Unternehmen weiterzuführen ist. Da müssten also die Gläubiger, die ja eigentlich hauptsächlich betroffen sind, mehr Einflussmöglichkeiten bekommen, auch weil natürlich da der wirtschaftliche Sachverstand hereinkommt. Zum anderen ist das hiesige Konkursgesetz so angelegt, dass es eigentlich mehr hinzielt auf die endgültige Liquidation einer Firma, was natürlich außerordentlich ungünstig ist, weil es in vielen Firmen - besonders großen Firmen, die verschiedene Geschäftsbereiche haben - durchaus wertvolle Geschäftsbereiche geben kann, die fortzuführen sich lohnt."
Zwar haben die verschiedenen Regierungen das Konkursrecht in den vergangenen Jahren bereits mehrfach geändert, aber dadurch sei die Situation nur noch verwirrender geworden, berichtet Mankowski. Das Euro-Czech Forum dringt deshalb auf grundlegende Reform des Insolvenzrechts.
Auch Streitfälle zwischen Firmen müssen nach Ansicht der ausländischen Geschäftswelt schneller als bisher geschlichtet werden. Sonst drohten viele Unternehmen nach dem EU-Beitritt Tschechiens die europäische Gerichtsbarkeit anzurufen.
Ein weiterer Kritikpunkt: Ausländische Firmen dürften nicht benachteiligt werden, mahnen die Investoren. Dazu Dieter Mankowski:
"Wir hören leider in zunehmenden Maße von den Unternehmen, besonders von ausländischen Unternehmen, die sich zuerst beklagen, weil sie zumeist betroffen sind, dass staatliche Behörden hier in Tschechien die Entscheidungen bei vergleichbarem Sachverhalten meist so fällen, dass dem tschechischen Unternehmer gegenüber Nachsicht gezeigt wird und der ausländische Unternehmer festgehalten wird an irgendwelchen kostenintensiven Vorschriften."
Mankowski kennt Beispiele dafür: Ein deutsches Unternehmen etwa aus dem Galvanisierungsbereich erfülle die europäischen Auflagen zum Umweltschutz, beim einheimischen Nachbarbetrieb aber drückten die Behörden ein Auge zu. Auch bei den Preisfestsetzungen für die Pharma-Industrie würden ausländische Unternehmen benachteiligt.
Einen weiteren Grund zur Sorge sehen ausländische Investoren im sinkenden Ausbildungsniveau. Geschäftsführer deutscher Unternehmen, die ihre Produktion hierher verlagert haben, klagen laut Mankowski,
"dass sie jetzt öfter in die Situation kommen, dass sie ihren Personalbedarf an jungen qualifizierten Leuten, insbesondere auch im handwerklichen Bereich, nicht mehr befriedigen können, einfach weil die jungen Leutenicht nicht da sind oder nicht mit der Ausbildung da sind. Es gab hier mal eine handwerkliche Ausbildung, die generell als recht gut galt, auch bei uns im Westen, das war bis 1989/90. Dann wurde sie sehr stark vernachlässigt. Das Bildungswesen hier, also das Bildungswesen generell, nicht nur das berufsschulische Ausbildungswesen, ist generell überholungsbedürftig. Und man hat einfach versäumt, die berufsnahe Ausbildung unterhalb des Universitätslevels weiter zu fördern."
Bleiben die Reformen aus, werden vor allem kleine und mittelständische Investoren abgeschreckt, warnt das Euro-Czech Forum. Gerade sie würden jedoch für die weitere Entwicklung des Landes gebraucht. Die großen Privatisierungen sind weitgehend abgeschlossen. Und es sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die in der Europäischen Union fast 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts erwirtschaften, unterstreichen die Vertreter der Geschäftswelt.
Und wie reagieren die tschechischen Behörden auf diese alarmierenden Töne aus den Reihen der ausländischen Investoren? Regierungschef Spidla empfing Vertreter des Euro-Czech Forums Anfang des Jahres. Die Regierung habe ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit erklärt, berichtet Mankowski.
Auch bei der staatlichen Agentur zur Wirtschaftsförderung, CzechInvest, sind die Probleme der ausländischen Investoren natürlich bekannt, sagt die CzechInvest-Beraterin Hana Machackova:
"Und deshalb haben wir letztes Jahr eine Studie ausgearbeitet. Sie heisst Studie über Hindernisse der Auslandsinvestitionen. Dort haben wir die Hauptprobleme geschildert und die ganze Studie der tschechischen Regierung vorgelegt. Und die Regierung hat unsere Argumente akzeptiert, hat die Ergebnisse angenommen und hat uns versprochen, dass unsere Vorschläge noch im Laufe diesen Jahres realisiert werden. Jetzt müssen wir dann optimistisch sein und hoffen, dass es wirklich mit dem Beitritt der Tschechischen Republik zur EU auch alles erfolgt."