Autobahn, Design, und Pantomime – der Tschechische Frühling in Berlin
Das Programm des Berliner Tschechischen Zentrums im Mai ist voll: Dokumentarfilme, Designpräsentationen, Pantomime-Künstler, Jazzmusik und experimentelle Literaturlesungen. Einzelheiten dazu im Interview mit der Programmdirektorin des Zentrum, Christina Frankenberg.
„Ob die Autofahrer davon so begeistert sein werden, sei dahin gestellt, schließlich ist diese Autobahn D8 ja bis heute noch nicht fertig gestellt. Es dürfte aber trotzdem alle Autofahrer, Nicht-Autofahrer und Cineasten interessieren, was Ivo Bystřičan, ein junger tschechischer Regisseur, in seinem Dokumentarfilm ‚Dál nic‘ zu sagen hat. Schon allein der Titel ist recht gut gewählt: ein Wortspiel auf Tschechisch, das einerseits ‚nichts weiter‘ bedeutet, andererseits fast das komplette Wort für Autobahn, ‚dálnice‘, enthält. Mit dieser Autobahn D8 geht es ja wirklich nicht weiter, und das dürfte auch für die Deutschen interessant sein. Schließlich kennen auch wir solche Großprojekte, die jahrelang gebaut werden, dabei immer teurer werden und deren Ende noch immer offen ist. Beispiele sind die Elbphilharmonie in Hamburg oder der neue Berliner Flughafen. Ivo Bystřičan führt den Zuschauer eben an diese Autobahn D8, er wird auch persönlich nach Berlin kommen und nach der Filmvorführung noch mit dem Publikum diskutieren.“
Aber am Doku-Montag gibt es im Mai auch noch weitere interessante Filme zu sehen…„Im Mai haben wir noch zwei Termine, da werden wir allerdings keine tschechischen Filme zeigen. Der Doku-Montag ist ja mittlerweile eine europäische Filmreihe geworden, daher zeigen wir am 5. Mai den Film einer litauischen Regisseurin mit dem Titel ‚Conversations about serious topics‘. Die Regisseurin hat in diesem Film, der auch der litauische Beitrag für den Oscar war, Kinder vor die Kamera geholt. Mit ihnen spricht die Regisseurin über wichtige und ernsthafte Themen. Im Film gibt es nichts, was von den Gesichtern der Kinder ablenkt, sie stehen meist in ganz kahlen Räumen vor weißen Wänden, und man sieht hauptsächlich diese Kinder mit ihrer einmaligen Mimik. Ihre Augen wirken wie ein Spiegel ihrer Seele, in ihnen kann man ablesen, woran sie gerade denken. Andererseits sieht man in den Gesichtern aber auch, wie ernsthaft sie nachdenken. Am 19. Mai zeigen wir dann noch einen weiteren Film, diesmal eine französisch-rumänische Koproduktion. Diese führt uns ganz woanders hin, nämlich nach Rumänien. Der Film heißt ‚After the silence‘ und beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Diktatur in Rumänien.“
Und genau Mitte Mai, am 15., startet die Ausstellung „Objectivity“. Was hat es damit auf sich?„Unter diesem Titel stellen wir Arbeiten der sehr bekannten tschechischen Künstlerin, Designerin und Architektin Eva Eisler vor. Sie hat ein eigenes Atelier an der Prager Akademie für Design und Architektur. Eisler wird in Berlin nicht nur ihre eigenen Sachen zeigen, sondern auch Werke von drei aktuellen und ehemaligen Studenten. Der Ausstellungstitel kam zustande, weil es in den heutigen visuellen Medien gar nicht so einfach ist, die Grenze zu finden zwischen den verschiedenen Genres.“
Dann folgt ja vom 16. bis 18. Mai ein ganz spannendes Festival, an dem sich das Tschechische Zentrum beteiligt. Die Pantomime steht dabei im Vordergrund…„Richtig, das ist ein internationales Festival der Mime und Pantomime. Organisiert wird es von der Berliner Schule für darstellende Künste, ‚Die Etage‘. Diese Schule wird übrigens von einem Tschechen geleitet, und an dem Wochenende vom 16. bis 18. Mai treten in der Etage Künstler aus Tschechien, Polen und Berlin zusammen auf. Sie alle widmen sich der Pantomime beziehungsweise der mimischen Künste. Am Sonntag sind dann auch noch Studenten der Prager Akademie für musische Künste - HAMU - zu Gast. Sie werden die zarte pantomimische Groteske ‚Kabarett Marceau‘ aufführen. Die Vorstellung heißt nicht umsonst so, sie ist angelehnt an die pantomimischen Etüden von Marcel Marceau und ist dessen mimischem Theater insgesamt gewidmet.“
Das ist aber nicht das einzige internationale Festival, an dem sich das Tschechische Zentrum im Mai beteiligt, oder?„Das stimmt, im Mai gibt es recht viele große Projekte in Berlin. Zum Beispiel organisiert die Eunic, der Zusammenschluss der europäischen Kulturinstitute in Berlin, ein erstes gemeinsames Jazz-Festival. Es trägt den Namen ‚Mai-Juni-Jazz-Festival‘ und wird vom 21. bis 29. Mai an verschieden Orten in Berlin stattfinden, meist in der Kunstfabrik Schlot. Am Freitag, 23. Mai, tritt dort um 20 Uhr ein Duo auf. Dieses wird von der tschechischen Pianistin Beata Hlavenková und dem englischen Gitarristen und Sänger Justin Lavash gebildet. Die beiden spielen Musik aus ganz verschiedenen Genres, man findet Elemente von Jazz, Blues und Folk, aber auch von Minimal Music.“
Und schließlich wird am 24. Mai ein Preis verliehen, beim Soundout-Festival. Vielleicht könnten Sie da noch ein paar Worte zu sagen?„Das ‚Soundout!‘ ist ein ganz neues Projekt, es ist ein Festival und eine Preisverleihung. Die Macher dieses Festivals vom jungen Berliner Literaturhaus ‚ Lettrétage‘ wollen neue Wege vorstellen, wie man heutzutage Literatur präsentieren kann. Sie haben sich an viele Künstler aus europäischen und nicht-europäischen Ländern gewandt und einen Wettbewerb ausgeschrieben. Sie waren dann ganz erstaunt von dem Widerhall, den ihre Ausschreibung hatte - es sind über 100 verschiedene Projekte eingegangen. Diese verschiedenen Projekte, wie man Literatur heute präsentieren kann, werden jetzt bei dem Festival in Berlin vorgestellt. Dieses Festival führt auch an ganz verschiedene Orte, es wird zum Beispiel in Supermärkten oder in Schwimmbädern gelesen. Die zumeist jungen Künstler suchen zudem Verbindungen zwischen Literatur und den neuen Medien, es wird daher auch einen Roman in Power-Point-Format geben. Zur Eröffnung am 24. Mai haben wir eben einen tschechischen Künstler hier zu Gast, und zwar wird Tomáš Čada zusammen mit Kollegen seine multilinguale Literaturperformance aufführen. Sie trägt den Namen ‚Tři ekonomické jednotky?‘ oder auf Englisch ‚Three economic entities?‘“