Basilika Mariä Heimsuchung – altehrwürdiger Wallfahrtsort auf dem Heiligenberg in Mähren
Der „Svatý Kopeček“, auf Deutsch „Heiligenberg“, gehört zu den meistbesuchten Pilgerstätten in Mähren und ist auch ein Touristenmagnet. Er liegt nur wenige Kilometer nordöstlich von Olomouc / Olmütz. Die Dominante dort ist die barocke Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung, die 1995 von Papst Johannes II. zur Basilika minor erhoben wurde. Ihre historischen Wurzeln reichen allerdings viele Jahrhunderte weit zurück.
Die im 17. Jahrhundert erbaute Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung war nicht das erste religiöse Bauwerk auf dem Heiligenberg. Knapp fünf Jahrzehnte vor ihrer Entstehung wurde dort bereits eine bescheidene Kapelle errichtet. Ihr Stifter war Jan Andrýsek, Sohn einer Einwandererfamilie, die zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges aus Schlesien nach Olmütz gekommen war. Der Vater Samuel Andrýsek war in der mährischen Stadt als Konsistorialschreiber tätig. Der Sohn betätigte sich als Weinhändler. Was diesen zum Bau einer Kapelle bewegte, ist schriftlich belegt. Jan Gottwald ist der heutige Organist der Basilika und studierter Musikwissenschaftler:
„Der Weinhändler Andrýsek, der seinen Wein im südmährischen Mikulov einkaufte, machte auf seinem Heimweg gerne Station im Pilgerort Luleč bei Vyškov. Dort gelobte er einmal, auch in der Nähe von Olmütz ein Sakramentshäuschen für die Gottesmutter zu errichten. Nach und nach verdiente er dank seiner geschäftlichen Aktivitäten genug Geld, doch sein Versprechen hatte er in Zwischenzeit vergessen. Bei einem Bummel im Wald auf dem Heiligenberg erschien Andrýseks Schilderung zufolge die Gottesmutter und erinnerte ihn an dieses Versprechen. Danach ließ er an dem Ort eine Kapelle bauen. In einer der historischen Räumlichkeiten der Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung, Andrýsek-Saal genannt, zeigt eine Wandmalerei den heiligen Ort mit einer Pilgerhütte und einem Pilger, der seine Zeugenschaft von der Offenbarung der Gottesmutter abgelegt haben soll. Ihr zufolge will er weißgekleidete Gestalten, wahrscheinlich Engel, gesehen haben, die vom Himmel ein Gnadenbild für den Altar der Kapelle hinunterbrachten.“
1632, also ein Jahr vor der Fertigstellung der Kapelle, soll in ihrem Inneren unerwartet ein plastisches Steinrelief der Madonna mit dem Kind gefunden worden sein. Laut Gottwald befindet es sich heute auf dem Hauptaltar der Basilika Mariä Heimsuchung, dem Nachfolgebau der Kapelle. Der Ursprung des Reliefs sei aber nach wie vor ein Rätsel, sagt er.
Gestaltet von Meistern des Barock
Ab 1618 litt Europa unter dem Dreißigjährigen Krieg, und 1642 wurde Olmütz von schwedischem Heer eingenommen. Drei Jahre später setzten die Soldaten aus dem skandinavischen Land bei einem ihrer Plünderungszüge die Kapelle in Brand. Nur die Wände überstanden das Feuer. Als die Schweden nach insgesamt acht Jahren Mähren verließen, wurde die Kapelle erneuert und erweitert. Doch für den kontinuierlich steigenden Pilgerbetrieb reichte dies nicht. 1667 ließ Andrýsek die Kapelle in den Besitz des nahe gelegenen Prämonstratenserklosters Hradisko / Hradisch überführen. Wegen der steigenden Pilgerzahlen entschied der Abt, an ihrer Stelle eine weitläufige Wallfahrtskirche zu bauen. Jan Gottwald:
„Das Projekt wurde beim kaiserlichen Architekten Gian Pietro Tencalla in Auftrag gegeben. Nach zehn Jahren Bauzeit wurde die monumentale Barockkirche Mariä Heimsuchung am 1. Oktober 1679 vom Olmützer Bischof Karl II. von Liechtenstein-Kastelkorn eingeweiht. Das erlebte Jan Andrýsek allerdings nicht, weil er sechs Jahre zuvor gestorben war. Anfang des 18. Jahrhunderts wurden zwei Residenzflügel an die Seiten der Kirche angebaut. Der eine war für die Priester bestimmt, deren Zahl im neuen Kirchenbetrieb erhöht werden musste. Der andere wurde zum Sitz des Priorats, wobei dem Klostervorsteher auch drei kleinere Repräsentationsräume zur Verfügung standen: der chinesische, der Andrýsek-Saal und der größte französische Saal.“
Der sakrale Gebäudekomplex, zu dem auch der im Hinterhof befindliche Kreuzgang gehört, stellt ein architektonisches Gesamtkunstwerk dar. Gian Pietro Tencalla, Baldassare Fontana, Johann Christoph Handke, Paul Troger und Domenico Martinelli sind die Namen nur einiger Baumeister, die bei der Außen- und Innengestaltung zu dem Meisterwerk beigetragen haben. Die Barockkirche wurde schon bald zum geistlichen Zentrum der Region. Und sie thront gewissermaßen über der Landschaft. Die vordere Fassade ist geprägt von typischen dekorativen Elementen des Barock – insbesondere von Skulpturen. Jan Gottwald:
„Unter dem oberen Dachgesims, das die beiden massiven Kirchentürme optisch von der Fassade abhebt, sind drei Heiligenfiguren in den Nischen zu sehen. In der Mitte ist dies der hl. Stephan, Schirmherr und Beschützer des Prämonstratenserklosters Hradisko. Er wird auf der einen Seite flankiert vom hl. Augustin, dessen Regeln die hiesige Klostergemeinschaft befolgt, und auf der anderen vom hl. Norbert, dem Begründer des Prämonstratenserordens. Auf den Dächern der beiden Residenzflügel ragen insgesamt 14 überlebensgroße Standbilder empor: die zwölf Evangelisten, ergänzt von den Heiligen Rochus und Sebastian.“
Sie alle blicken auf das Mutterkloster, das allerdings seit geraumer Zeit schon als Militärkrankenhaus dient. An höchster Stelle in der Kirchenfront befindet sich eine Nische mit einer steinernen Plastik der Jungfrau Maria vom Heiligenberg. Das Haupteingangsportal unten schmücken drei wertvolle Statuen von 1731, die drei Tugenden darstellen: Glaube, Hoffnung und Liebe.
Die Basilika Mariä Heimsuchung hat ein Haupt- und ein Querschiff mit jeweils identischer Höhe und Breite. Das Langhaus säumen auf jeder Seite durchgängige Kapellen. Die Fresken an den Wänden illustrieren die Geschichte der Entstehung des Wallfahrtsortes und der Kirchengründung. In einer der Kapellen wurden die Reste der historischen Vorgängerin verbaut. Im Inneren ist die Kirche üppig und formenreich dekoriert. Als Sehenswürdigkeit von mitteleuropäischem Rang gelten die Stuckaturen und plastischen Verzierungen an der Chorempore mit der Orgel.
Beim Betreten der Kirche geht der Blick vieler Besucher zunächst auf den Hauptaltar. Dort befindet sich das berühmte Relief der Jungfrau Maria mit dem Gotteskind aus Plänersandstein. Am 18. September 1732 wurden dem Votivbild drei goldene Krönchen aufgesetzt, die der Olmützer Bischof Wolfgang Hannibal von Schrattenbach in Rom als Geschenk erhalten hatte. Von da an wurde die Madonna als Königin Mährens verehrt.
Kriegsschäden und Restaurierung
Die Wallfahrtsstätte Heiligenberg erlebte in ihrer Geschichte nicht nur helle, sondern auch dunkle Zeiten.1784 ließ Kaiser Josef II. das Kloster Hradisko und das Priorat Heiligenberg auflösen. Die Prämonstratenser mussten ihre Residenz räumen. Ihr neues Domizil fanden sie bei den Ordensbrüdern im Prager Strahov-Kloster. Nach 1864 kehrte der Mönchsorden auf den Heiligenberg zurück. Doch das Klosterareal war damals bereits in einem desolaten Zustand und wurde bis in die 1930er Jahre mühsam renoviert. Die größte der vier Glocken aus dem 17. Jahrhundert, die 2450 Kilogramm schwere Marien-Glocke, wurde 1916 für Kriegszwecke beschlagnahmt. Eine weitere Glocke wurde zum Opfer des Zweiten Weltkriegs, als rund um Olmütz schwere Gefechte tobten. Jan Gottwald:
„In der Nacht vom 6. auf den 7. Mai 1945 fing auch die Wallfahrtskirche auf dem Heiligenberg im Gefecht zwischen russischer und deutscher Artillerie Feuer und wurde schwer beschädigt. Besonders in Mitleidenschaft gezogen war der Südturm, der teilweise einstürzte. Mit ihm ging auch die Joachims-Glocke zu Boden und zerbrach. Im Zusammenhang mit dem Brand begann man allerdings bald von einem Wunder zu sprechen. Wie aus heiterem Himmel soll eine dunkle Wolke aufgezogen sein, die Regen brachte, der das Feuer löschte.“
Die Sanierung der Kirche nahm vier Jahre in Anspruch. 1950 – also zwei Jahre nach der Machtübernahme durch die Kommunisten – wurden die kirchlichen Orden in der Tschechoslowakei aufgelöst und die Mönche in Internierungslager verschleppt. In den 1950er Jahren wurde der Olmützer Tiergarten ins Areal auf dem Heiligenberg verlegt. Damals hieß der Ort nur noch Kopeček, also Berg beziehungsweise Hügel. Das Attribut svatý, also heilig, strichen die kommunistischen Machthaber.
1990, nach der Samtenen Revolution in der Tschechoslowakei, kehrte der Prämonstratenserorden zum zweiten Mal auf den Heiligenberg zurück. Ähnlich wie bereits im 19. Jahrhundert wurde das Areal der historischen Wallfahrtskirche, an der vier Jahrzehnte lang der Zahn der Zeit genagt hatte, schrittweise erneuert. Nach dem Jahr 2000 waren anspruchsvolle Restaurierungsarbeiten im Innern der Kirche nötig. Dabei wurden auch die Stuckverzierungen im Kuppelgewölbe ausgebessert. An den Kosten beteiligten sich außer der Prager Abtei und dem tschechischen Kulturministerium in hohem Maße auch die sogenannten Norwegischen Fonds.
Im April 1995 besuchte Papst Johannes Paul II. die Kirche. Einen Monat später wurde sie von ihm zur Basilika Minor erhoben.