Begegnungen in Schweden (2.Teil )
Vor zwei Wochen konnten Sie bei uns ein Gespräch unter dem Motto "Begegnung in Schweden" hören. Sein konkretes Thema war der Arbeitsmarkt in Schweden, der neben Irland und Großbritannien nach der EU-Erweiterung nicht für Arbeitssuchende aus den neuen EU-Ländern gesperrt wurde. Wie damals können Sie, liebe Freunde, auch heute in der nun folgenden Rubrik noch einmal Jitka Mladkova nach Schweden folgen, wo sie bei einem Besuch in Stockholm mehrere Begegnungen hatte und ihre Reflexionen mit Ihnen teilen will:
Der Anlass meiner Schweden-Reise war rein dienstlich. Im Stockholmer Rundfunk fand nämlich eines der regelmäßigen Treffen von Radio statt. Unsere Stammhörer wissen schon Bescheid: Radio E ist ein Projekt einiger Auslandssender Europas, die jede Woche ein Gemeinschaftsprogramm jeweils zu einem gemeinsam beschlossenen Thema produzieren und im Rahmen ihrer Sendungen ausstrahlen. Bei Radio Prag ist dieses Sonderprogramm samstags und sonntags um 8.30 Uhr zu hören. Außer der geplanten Begegnung, sprich ganztägigen Sitzung mit Kollegen aus Paris, London, Bonn, Brüssel, Budapest, Bratislava und Stockholm konnte ich auch einen Streifzug durch die schwedische Hauptstadt unternehmen. Es war ein Sonntag und Stockholm war an dem Tag voller Musik.
Auf einem großen Platz dröhnte von einem Podium lautstarke Musik. Man bereitete sich, wie einer riesengroßen Überschrift zu entnehmen war, auf die Internationalen Tage der Familie vor. Veranstalter ist die UNO. Um nähere Informationen bat ich einen der anwesenden Organisatoren. Im Gespräch zum aktuellen Thema "Familie" komme ich nicht darum herum und mache einen Schwenk zum Stichwort "Tschechien". Wie bekannt ist dieses neue EU-Land in Schweden, frage ich:
"Ich weiß nicht," sagt der Mann. Er glaubt, dass einige Leute etwas über den Handel mit Tschechien wissen, im Prinzip aber ist Tschechien mehr aus Sportereignissen bekannt."
Habe man also keine Angst vor Newcomern auf dem Arbeitsmarkt, frage ich weiter und kriege eine kurz gefasste Antwort:
"Die meisten von uns haben gar kein Problem mit dem erweiterten EU-Markt."
Ich verlasse jetzt den immer lauter werdenden Platz und lande etwas später mithilfe des städtischen Nahverkehrs in einem Freilichtmuseum mit typischen Bauten verschiedener ländlicher Regionen Schwedens, immer noch mitten in der Stadt. Auch hier stoße ich bald auf eine Musikproduktion, diesmal auf einer Wiese.
Schwedische Volksmusik in der Darbietung eines Musikantentrios. Ich spreche einen jungen Mann an, während die restlichen zwei ihr Musizieren fortsetzen. Wenn er das Wort Tschechien hört, fällt ihm sofort ein: "Skoda, Pilsner." Vielleicht noch Schwejk, frage ich, um das Denkstereotyp zu ergänzen. Nein, Schwejk nicht, sagt er und fügt hinzu, dass Tschechien als Industrienation nicht besonders bekannt sei. In Tschechien war er noch nie, aber sein Vater stammte von "dort oben, vielleicht aus Mähren, war deutschsprachig." Das Land seines Großvaters gebe es aber nicht mehr, kontert er, wenn ich frage, ob er bisher keine Lust hatte dieses zu besuchen. Aber jetzt, mit dem erweiterten Europa, mag sein, dass er irgendwann doch zu besuch kommt. Und wenn Tschechen, die auch gute Musiker sind, in Schweden zu Haufe auftauchen, frage ich. Der junge Mann überlegt nicht lange: Die Tschechen sollen lieber zu Hause bleiben, dort haben sie es auch gut, meint er.
Ich kehre zurück in das Stadtzentrum und wenn ich dann bald einen Parademarsch spielen höre und anschließend ein ganzes Orchester sehe, wie es sich den Weg durch die Menschenmenge in der Fußgängerzone bahnt, überrascht mich das nicht mehr. Ich bin mir schon im Klaren: nicht nur die Tschechen, sondern auch die Schweden lieben Musik. In einer Bar treffe ich mich mit Katerina Helström, einer Tschechin. In Prag studierte sie Englisch Dänisch und Schwedisch. 1990 hat sie nach Schweden geheiratet und lebt seitdem in Stockholm. Dort studierte sie an der Wirtschaftshochschule, wo sie nach dem Abschluss zu unterrichten begann. Momentan schreibt sie ihre Doktorarbeit, auf Schwedisch versteht sich, denn es ist mittlerweile ihre, wie sie sagt, zweite Muttersprache geworden. Auch sie frage ich nach einer Einschätzung der neuen Situation in der erweiterten Europäischen Union aus der Sicht einer in Schweden naturalisierten Tschechin:
"Es gibt hier eine ganze Menge von Leuten, die immer noch in der alten Überzeugung leben, dass es ein Ost- und ein Westeuropa gibt, und dass Osteuropa anderes ist. Diese Denkweise können sie nicht loswerden und sind dann oft auch sehr Überrascht, dass die Realität ganz anders ist, als sie gedacht haben. Es gibt aber auch solche, die der weltoffener sind, bereist sind, und bei diesen Leuten genießt die Tschechische Republik einen guten Ruf. Besonders im Kulturbereich."
Wie steht es nun aber um die Angst vor einem etwaigen Ansturm von Arbeitssuchenden aus dem Osten? Mit ihr haben doch westliche Politiker argumentiert, um die Einführung der Übergangsfristen für Arbeitnehmer aus den neuen Ländern zu begründen? Katerina Helström ist überzeugt, dass die Mehrheit der Schweden schon von Anfang an gegen diese Maßnahmen war. Zumindest gehe sie von der Meinungslage aus, die sie aus ihrem Freundes- bzw. Bekanntenkreis kenne. Doch auch außerhalb von diesem nehme sie diesbezüglich keine große Besorgnis wahr. Wenn aber Schweden doch schon gewisse Bedenken haben, sagt Katerina, dann ist es vielmehr nur Reaktion auf die Politszene, von der diese artikuliert werden. Mich interessiert, welche Tschechen gute Chancen auf dem schwedischen Arbeitsmarkt haben:
"Meiner Meinung nach können hier gut ausgebildete Tschechen erfolgreich sein. Verschiedene Spezialisten wie z.B. im Gesundheitswesen oder im Dienstleistungssektor. Die haben gute Chancen,"
meint Katerina Helström. Ob sie recht hat, wird aber erst die Zeit zeigen. In zwei Jahren sollten aber auch die EU-Länder, die auf die Übergangsfristen nicht verzichten wollten, über ihre Verlängerung oder Abschaffung entscheiden.