Berlin: neues Sprachkurssystem und Kultur von Film bis Buch

Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums Berlin

Die tschechische Kultur in Berlin ist sofort nach dem Jahreswechsel wieder erwacht. Filme sind dabei zu sehen, ein interessanter Autor kommt, eine erste Ausstellungseröffnung folgt. Und demnächst starten auch die neuen Sprachkurse - mit einem neuen Modus. Dazu mehr im Interview mit der stellvertretenden Direktorin des Tschechischen Zentrums in Berlin, Christina Frankenberg.

Christina Frankenberg  (Foto: Eva Pandulová,  Archiv des Tschechischen Zentrums Berlin)
Frau Frankenberg, viele Menschen haben zum neuen Jahr gute Vorsätze. Für das Tschechische Zentrum in Berlin könnte man fast sagen, dass ein Vorsatz schon jetzt direkt umgesetzt wird. Und der betrifft die Sprachkurse. Was ändert sich im neuen Jahr?

„Wir werden unser Sprachkurssystem etwas umstellen. Bisher haben wir in Trimestern unterrichtet, aber ab dem 26. Januar beginnen wir mit Semester-Sprachkursen. Das hat für unsere Kursteilnehmer den Vorteil, dass sie – und auch wir – weniger Verwaltungsarbeit haben. Somit muss man sich nur noch zwei Mal im Jahr für die Sprachkurse anmelden. Wer sich also im Januar anmeldet, kann sich bis zum 6.Juni allwöchentlich mit der tschechischen Sprache beschäftigen. Auch das Angebot an Sprachkursen haben wir beträchtlich erweitert. So bestehen jetzt alle Niveaustufen von A1 bis C1. Damit sind wir in Berlin der größte Anbieter für Tschechisch-Sprachkurse, und unsere Lehrer und Lehrerinnen sind weiterhin qualifizierte und erfahrene Muttersprachler mit Universitätsausbildung. Nicht neu, aber erwähnenswert ist auch, dass bei uns zwei Mal im Jahr die Möglichkeit besteht, eine zertifizierte Prüfung abzulegen. Das ist die sogenannte CCE-Prüfung, welche man normalerweise nur an der Karlsuniversität beziehungsweise eben in der Tschechischen Republik ablegen kann. Wenn also die Hörer den guten Vorsatz gefasst haben, Tschechisch zu lernen und diese Prüfung ablegen wollen, dann können sie das auch bei uns tun. Für diese Prüfungen werden auch Vorbereitungskurse angeboten.“

Film „K oblakům vzhlížíme“  (Foto: Archiv des Internationalen Dokumentarfilmfestivals in Jihlava)
Einige Veranstaltungen haben im Januar bereits stattgefunden, die wir nun also nicht mehr berücksichtigen können. Deswegen möchte ich mit dem Doku-Montag am 19. Januar starten. Dort steht der Film „K oblakům vzhlížíme“ auf dem Programm. Worum geht es in dem Film?

„Der Film ‚K oblakům vzhlížíme‘ ist von Martin Dušek, einem jungen tschechischen Dokumentarfilmregisseur, den wir auch schon bei vorherigen Filmen hier bei uns in Berlin zu Gast hatten. In seinem neuen Film führt er uns wieder nach Nordböhmen, wo er selbst aufgewachsen ist. Dieser Film hat eigentlich zwei Helden. Zum einen ist es Ráďa, ein junger Mann aus Nordböhmen und zum anderen sein alter, klappriger Ford Escort. Dieses alte Auto erwacht in der Nacht zu neuem Leben und wird angestrahlt von grünen Leuchtdioden. Wie das Leben seines Autos geteilt ist auch das Leben von Ráďa. Tagsüber lebt er den eher unerfreulichen Alltag eines jungen Mannes, der keine Arbeit, kein Geld und in Nordböhmen nun auch nicht allzu viele Chancen hat, und nachts oder an den Wochenenden fährt er mit seinem Auto auf Tuning-Partys. Dort wird gefeiert, getanzt, Stripperinnen verkehren dort, und es gibt Feuerwerk. Dieser Film zeigt eine nicht nur mir bis dahin recht unbekannte Welt, sondern er repräsentiert auch die Situation einer jungen Generation in Nordböhmen. Ich denke, dass dieses Generationsportrait auch in Deutschland und ganz Europa auf Interesse stoßen kann, da ja nicht nur die jungen Leute in Nordböhmen mit dem Problem konfrontiert sind, Arbeit zu finden.“

Film ‚Gottland‘  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Mit Ihrer Dokumentationsreihe fahren Sie dann Anfang Februar fort…

„Der zweite Doku-Montag, den wir in diesem Jahr vorbereitet haben, wird am 2. Februar stattfinden. Dort zeigen wir den Film ‚Gottland‘ nach dem Buch des polnischen Journalisten Mariusz Szczygiel, der sich mehreren Reportagen der tschechischen Geschichte des 20. Jahrhunderts gewidmet hat. Fünf junge Regisseure von der Prager Filmhochschule Famu haben Episoden aus diesem Buch verfilmt. Daran kann man sehr gut sehen, wie jüngere Generationen mit der tschechischen Geschichte umgehen. Die tschechische Geschichte wird im Film zwei Mal gespiegelt: einerseits durch die Augen des polnischen Journalisten und andererseits durch die Augen der jungen tschechischen Regisseure. Beispielsweise hat sich Rozálie Kohoutová mit dem riesigen Stalin-Denkmal beschäftigt, welches einst in Prag auf der Letná gestanden hat. Eine andere Episode führt nach Zlín zu Baťa, und es gibt auch eine Episode, die sich mit Lída Baarová beschäftigt. Alle fünf Filmepisoden werden Sie am zweiten Doku-Montag sehen können.“

Foto: Host Verlag
Donnerstag kommender Woche kommt dann ein Preisträger ins Tschechische Zentrum, nämlich der Autor Jan Němec. Er hat sein neuestes Buch „Dějiny světla“ im Gepäck. Bisher ist es noch nicht auf Deutsch herausgekommen, aber dennoch wird Němec aus dem Roman vorlesen. Wie schaffen Sie diesen Spagat?

„Wir haben eine gute Variante, mit deren Hilfe wir nun schon des Öfteren Bücher von Autoren vorgestellt haben, die noch keinen deutschen Verlag gefunden haben. Wir arbeiten mit Übersetzern zusammen, die uns Probe-Übersetzungen anfertigen, und der Autor selbst wird aus dem tschechischen Original lesen. Die Besucher werden also die Möglichkeit haben, Jan Němec und den tschechischen Text zu hören. Die deutsche Übersetzung wird hinter ihm an die Wand gebeamt. Natürlich sollten wir den Hörern verraten, worum es in diesem Roman eigentlich geht. Jan Němec hat in seiner Geschichte des Lichts ‚Dějiny světla‘ den Lebensweg des tschechischen Fotografen František Drtikol nachvollzogen. Er hat keine Biografie veröffentlicht, sondern er hat wirklich einen Roman geschrieben und eine ganz subjektive Sichtweise des Lebens erfunden, welches der Mitbegründer der modernen tschechischen Fotografie geführt hat.“

Fotoausstellung ‚Delta‘  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums Berlin)
Von einem Klassiker der tschechischen Fotografie zum heutigen Nachwuchs: Am 29. Januar wird bei Ihnen eine Ausstellung junger Fotokünstler eröffnet. Vielleicht können Sie ein paar Worte dazu sagen…

„Diese Fotoausstellung trägt den Namen ‚Delta‘ und beruht auf der Zusammenarbeit mit dem Fotoatelier der Akademie für Kunstarchitektur und Design in Prag. Die Ausstellung wird von Alexandra Vajd und Hynek Alt geleitet, welche ebenfalls die Ausstellung kuratieren. ‚Delta‘ zeigt eine Auswahl von Arbeiten ehemaliger und derzeitiger Studierender. Wie in einem Delta sich Salz- und Süßwasser vermischen, so vermischen sich in dieser Ausstellung Arbeiten von noch ganz jungen Leuten, die derzeit an der Famu studieren, mit Arbeiten von Absolventen, die sich schon im Galeriebetrieb etabliert haben. Die Ausstellung wird bei uns bis zum 27. Februar zu sehen sein, und die Vernissage findet am 29. Januar um 19 Uhr statt.“

Im Februar dann startet eines der wichtigsten Kulturereignisse in Berlin, nämlich die Berlinale. Sind in diesem Jahr tschechische Filme dabei?

„Die Berlinale wird vom 5. bis zum 15. Februar stattfinden, und es freut mich sehr, dass wir in diesem Jahr schon einen tschechischen Film bestätigt haben. Das ist ‚Danielův svět‘, also Daniels Welt, von Veronika Lišková. In diesem Film entwirft die junge Regisseurin ein sehr subjektives Portrait eines pädophilen Menschen, der seine sexuellen Neigungen nie ausleben kann. Dieser Mann geht sehr verantwortungsvoll mit seiner Veranlagung um. Die Filmemacherin will damit zeigen, wie schwer es für Pädophile ist. Dieser Film wird in der Sektion ‚Panorama‘ laufen, und in dieser Sektion werden mehrere Filme internationale Produktionen, die sich mit dem Thema Pädophilie beschäftigen, zu sehen sein. Ich denke außerdem nicht, dass dieser Film der einzige tschechische Film auf der Berlinale sein wird.“

Autor: Till Janzer
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