Beschädigung von Denkmälern: Missauchtung der Werte
In letzter Zeit ist es in Tschechien zu einer Serie von Anschlägen auf verschiedene Denkmäler gekommen. Was dahinter steht, erfahren Sie im folgenden Beitrag von Dagmar Keberlova.
Die Denkmäler, die in den letzten Wochen nicht nur in Prag, sondern in ganz Tschechien beschädigt wurden, haben auf den ersten Blick nichts miteinander gemeinsam. Es handelt sich um zwei Denkmäler für jüdische Opfer, eins für Opfer des Kommunismus und um ein Denkmal des slowakischen Politikers Alexander Dubcek. Ich fragte den Politologen Zdenek Zboril, ob sich hinter den Anschlägen vielleicht eine gemeinsame Tendenz finden ließe:
"Bestimmt. Vor allem glaube ich, dass wir gegenwärtig eine Krise der Moral beobachten können. Es kommt zu einer Abwertung von Werten, die eine moralische Symbolik hatten. Die Denkmäler sind Leuchttürme auf dem Weg zu einer moralischen Wiedergenesung der Gesellschaft. Es ist nicht Hass, was diese Angriffe motiviert, sondern Mangel an Achtung, nicht nur gegenüber der Vergangenheit an sich, sondern auch gegenüber den Opfern der Vergangenheit und gegenüber Werten, die gewöhnlich von einer Generation an die andere weitergegeben werden."
Dem Politologen Zboril zufolge beginnt dieser Mangel an Achtung bei den Diebstählen in den Kirchen, die heutzutage wenig Empörung hervorrufen. In Tschechien gebe es sakrale Orte, von denen nicht nur wertvolle sakrale Sachen gestohlen wurden, die man verkaufen kann, sondern diese Orte sind auch entwürdigt, weil beispielsweise Köpfe von Heiligen abgerissen werden etc. Wenn es dann nichts mehr zu stehlen gäbe, äußere sich die Missachtung von Werten anderswo:
"Es ist, als ob sich die Missachtung der Eltern, die sie bei den Diebstählen in Kirchen oder 1989 in abgestellten deutschen Autos gezeigt haben, auf ihre Kinder übertragen würde. Diese Jugendliche äußern ihre Missachtung gegenüber Symbolen, von denen sie nichts wissen. Einem 16jährigen sagt Dubcek so gut wie gar nichts, ebenso wenig die Opfer des Kommunismus und die jüdischen Opfer sind nur noch ein Märchen für sie. Weil ihnen niemand Achtung gegenüber moralischen Werten beigebracht hat, sind für sie diese Taten Heldentaten, mit denen sie der Gesellschaft ihre Tapferkeit zu beweisen versuchen."