Bewegt sich Tschechien auf die nächste Corona-Welle zu?
In Tschechien gehen in den letzten Tagen die Corona-Zahlen wieder nach oben. Laut Experten ist die Verbreitung der aggressiveren Delta-Virusvariante für die Entwicklung verantwortlich. Doch sie beschwichtigen, dass sich Corona derzeit hauptsächlich unter jungen Menschen und nur in einigen Regionen ausbreitet.
Der Direktor des Instituts für Gesundheitsinformationen und Statistik (ÚZIS), Ladislav Dušek, hat in einem Interview im Inlandssender des Tschechischen Rundfunks die aktuelle Corona-Lage bilanziert. Zu den jetzigen Fallzahlen führte er an:
„Die Zahl der neuangesteckten Menschen liegt im längerfristigen Durchschnitt bei 230 bis 270 Fällen pro Tag. Wir müssen aber in Betracht ziehen, dass dies nur die positiv Getesteten sind, von denen wir wissen. In der Tat kann der Anteil der Angesteckten in der Population zwei- bis dreimal höher sein.“
Dušek verweist auf einige Spezifika der aktuellen Verbreitung des Virus:
„Die Lage ist anders als Ende vergangenen oder Anfang dieses Jahres. Die Bevölkerung ist zum großen Teil durchimpft, vor allem die Menschen im Seniorenalter. Wir verzeichnen fast keine neuen Fälle mehr unter den ältesten Senioren und unter Personen mit hohem Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs.“
Den aktuellen Daten zufolge steigt die Infektionsrate hauptsächlich in den Altersgruppen von 16 bis 19 und von 20 bis 29 Jahre:
„Der Lebensstil der jungen Menschen ist durch viele soziale Kontakte geprägt. Das fördert die Weitergabe dieser Atemwegsinfektion. Zudem sind diese Bevölkerungsgruppen im Moment leider noch wenig geschützt. Unter den 20- bis 29-Jährigen sind nur etwa 20 Prozent der Menschen voll geimpft.“
Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt in Tschechien derzeit bei 15,5 Neuangesteckten pro 100.000 Einwohner. Der R-Wert – also die Angabe, wie viele Menschen eine infizierte Person im Durchschnitt ansteckt – schwankt zwischen 1,2 und 1,4. Der Statistiker weist aber auf große regionale Unterschiede hin:
„Der Anstieg dieser Zahl wird vor allem von drei Kreisen verursacht. Dies sind die Hauptstadt, einige Bezirke im Kreis Mittelböhmen – vor allem diejenigen, die mit Prag eng verbunden sind – und die Region von Pilsen. In Prag liegen die Werte 2,5-mal höher als im Rest der Republik. In den sonstigen Regionen sieht die Lage momentan relativ ruhig aus.“
Die Inzidenz und der R-Wert lassen aufhorchen. Laut Dušek sind diese aber nicht die einzigen Angaben, die bei der Einschätzung der Lage herangezogen werden müssen. Insgesamt 20 bis 25 Kriterien werden bei der Datensammlung in Betracht gezogen:
„Wir verfolgen natürlich die Sieben-Tage-Inzidenz, aber auch etwa die Zahl der durchgeführten Tests. Diese ist hierzulande hoch und vor allem längerfristig stabil. Wir sehen, dass der Anteil der positiven Tests nicht enorm steigt.“
Entscheidend bei der Auswertung sind laut Dušek vor allem die soziale Struktur der Infizierten und das daraus folgende Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs:
„Die überwiegende Mehrheit der Neuinfizierten bilden nun Nichtgeimpfte. Der Krankheitsverlauf bei ihnen ist ähnlich wie im letzten Sommer sehr mild. Nur Einzelpersonen werden täglich ins Krankenhaus gebracht, am Dienstag und Mittwoch gab es gar keine neuen Patienten. Der schwere Verlauf wird republikweit nur bei Einzelfällen gemeldet. Also in dieser Hinsicht ist die Lage relativ stabil.“