Bijouterieerzeugung wie anno dazumal: Die historische Glasdrückerei „Korálek“

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„Gläsernes Gebirge“, so wird das Isergebirge oft im Volksmund genannt. Weite Teile des böhmischen Vorlandes lebten früher von der edlen Glasmasse. Zentren kristallisierten sich heraus, spezialisiert auf verschiedene Arten von Glasware – Jablonec nad Nisou / Gablonz an der Neiße galt als Stadt der Bijouterie. Die „Gablonzer Ware“ war im Handel weltweit ein Begriff. Mit welchen Verfahren man die Gablonzer Bijouterie anfertigte und wie die Glasmacher und ihre Familien lebten, das kann man im „Korálek“, einer historischen Glasdrückerei, nachvollziehen. Maria Hammerich-Maier hat sich für Panorama.cz in der musealen Stätte der Gablonzer Glasmacherkunst umgesehen.

Glasdrückerei „Korálek“
Für die Schulkinder der Isergebirgsgegend ist eine Exkursion in die ehemalige Glasdrückerei „Korálek“ ein fester Bestandteil des Unterrichts. Das Drücken von Glasperlen, Knöpfen und dergleichen war eines von mehreren Herstellungsverfahren. Die Schmuck- und Zierstücke wurden aus erweichtem Glas mit zangenartigen Werkzeugen, später dann mit Maschinen, in Hohlformen gedrückt - daher der Name „Glasdrückerei“. Von 1902 bis 1975 war die Glasdrückerei Korálek am Stadtrand von Jablonec nad Nisou in Betrieb. Liboš Štryncl führt die kleinen Besucher durch die historische Manufaktur und erklärt ihnen, wie sie aufgebaut war:

Liboš Štryncl
„Ihr seid hier in einem staatlichen Kulturdenkmal. Denn Bauten dieser Art findet ihr nirgendwo sonst auf der Welt. Wir haben hier sämtliche Glasdrückereien des Isergebirges – insgesamt waren es 286 – auf Fotos dokumentiert. Diese Manufakturen hatten hohe Schornsteine, damit die Schmelzöfen gut zogen. Denn wenn ihr diese Öfen einheizt, erreichen sie eine Temperatur von 1350 Grad Celsius, das ist der Schmelzpunkt des Glases. Also, wir befinden uns hier in einem Kulturdenkmal, das in drei Teile gegliedert ist: Im ersten Teil wurde das Glas gemacht – hier standen fünf Öfen; in dem Raum daneben stellte man die Glasperlen und den übrigen Schmuck her, der dritte Teil war dann das Lager.“

Die Bijouterieware wurde oft in Familienbetrieben erzeugt, dann sprach man von „Drückhütten“, oder sie wurde in größeren Manufakturen mit mehreren Arbeitern gefertigt. Auch in diesen arbeitete die ganze Glasmacherfamilie gewöhnlich mit. Liboš Štryncl:

„Hier im Schrank hatte der Vater die Muster. Er zeigte den Arbeitern, wie und was sie produzieren sollten. Dann musste er das Glas bestellen, nachher wurden die Glasperlen angefertigt, schließlich fädelten die Kinder die Glasperlen auf Schnüre, und zum Schluss wurden sie in ein Exporthaus nach Jablonec geliefert und von den Handelsfirmen exportiert.“

Wickeln von Glasperlen
Das Rohmaterial kam aus Glashütten im Isergebirge in die Manufakturen. Eine der größten Glashütten stand in Kristiánov. Sie erwarb sich den Ruf der „Krone der Isergebirgsglashütten“. Von Kristiánov wurden tausende Tonnen von Halbfabrikaten – Glasplatten, Glasstangen und Hohlglas - ins Tal gebracht. Auch die Gablonzer Glasmacher bezogen Halbfabrikate aus Kristiánov. Errichtet hatte die Glashütte in Kristiánov 1775 Josef Riedel, der Begründer eines bekannten Glasmachergeschlechts aus dem Isergebirge. Um die Glashütte herum wuchs dann der Ort Kristiánov. Über seine Geschichte kann man sich heute in der dortigen „Gedenkstätte der Glasmacher im Isergebirge“ informieren.

In der Glasdrückerei Korálek am Stadtrand von Jablonec wiederum erfahren die Besucher, wie das Rohmaterial entstand, das in den Manufakturen zu bezaubernden Schmuck- und Zierstücken weiter verarbeitet wurde:

„Der natürliche Reichtum dieser Gegend, das ist der Quarzit. Der Quarz wurde zerrieben, er bildet den Grundstoff für das Glas. Die Glasmasse wurde dann mit Metalloxiden eingefärbt. Wie man die Einfärbung bewerkstelligte, das war ein streng gehütetes Geheimnis der Glasmacher. Früher kannte man beim Glas 650 Schattierungen, heute sind es über 900 Farbnuancen.“

Das wichtigste Endprodukt der Manufakturen war die Glasperle. Zu ihrer Herstellung wurden verschiedene Verfahren angewendet. Die Glasperlen wurden als hohle Perlen geblasen oder von Hand gewickelt oder aber eben gedrückt.

Das Wickeln von Glasperlen kann man im Korálek selbst ausprobieren. Dabei wird das Rohmaterial, ein Glasstäbchen, an der Flamme eines Petroleumbrenners erhitzt, bis sich die Spitze des Stäbchens erweicht. Nun treibt man einen Draht in die weiche Glasmasse und dreht ihn um die eigene Achse. Das zähflüssige Glas wird solange um den Draht gewickelt, bis sich eine kleine Kugel bildet – eine Perle, zwar keine echte, doch eine besondere, für die das Tschechische sogar ein eigenes Wort prägte, wie Liboš Štryncl erklärt.

„´Perla´ ist eine echte Perle, und ´perle´ ist eine Glasperle zu der wir hier auch ´korálek´ sagen. Etwa 40 Glasperlenketten musste eine Familie täglich herstellen, um davon leben zu können.“

Die Gablonzer Glasperlen waren auch über Europa hinaus, in Asien und Übersee, eine viel nachgefragte Ware. Die Kunden waren bereit, einen hohen Preis für sie zu bezahlen.

Museum in Jablonec
Doch in Gablonz wurde nicht nur Perlen hergestellt. Die Glasmacher ließen ihrer Kreativität freien Lauf. Das Handwerk wurde zur Kunst verfeinert: Durch Ziehen der erweichten Glasmasse formte man edle Blüten, zum Beispiel als Anhänger von Halsketten, und zierliche Figuren, etwa für Broschen. Metallknöpfe mit gläsernen Einsätzen waren eine beliebte Ware, die mittels der Technik des Drückens hergestellt wurde.

Die Glasmacherkunst fand immer neue Wege, um interessante Produkte herzustellen. Ein besonders erfinderischer Vertreter der Branche war Daniel Swarovski. In der Blütezeit der Glasmacherkunst, dem ausgehenden 19. Jahrhundert, erwarb er ein wichtiges Patent. Petr Nový vom Glas- und Bijouteriemuseum Jablonec:

„1891 konstruierte Daniel Swarovski zusammen mit seinen Schwagern die erste Schleifmaschine für Chatons in Österreich-Ungarn. Chatons – das sind Imitate von Diamanten einer ganz bestimmten Form. Und da Daniel Swarovski fürchtete, dass ihm jemand in der Isergebirgsgegend das Patent stehlen könnte, das er dann 1892 erwarb, kam er mit seinem Geschäftspartner, dem Pariser Juden Armand Kosman überein, das Unternehmen im Tiroler Wattens neu anzusiedeln.“

In Wattens wirkt die Firma Swarovski Kristallwelten bis auf den heutigen Tag.

Museum in Jablonec
Bestellungen für die Gablonzer Schmuck- und Zierstücke aus Glas kamen in der Frühzeit der Bijouteriebranche im Isergebirge vor allem aus Hamburg, Bremen, Nürnberg und Augsburg. Von diesen Handelszentren aus wurde die Gablonzer Ware in Drittländer exportiert. Später gab es die Exporthäuser aber auch in Jablonec selbst, die prächtigen Bauten prägen das Stadtbild bis heute.

„Die Exporthäuser stellen einen besonderen Typ von Architektur dar, den man im Grunde nur in Jablonec findet. Sie vereinigten die Funktion eines Unternehmens und eines Wohnhauses. Meistens waren sie mehrstöckig. Unten befanden sich die Lager, Packräume, der Versand und die Kassen, in der Mitte waren große Musterräume, wo die Agenten der Händler die Ware auswählten und die auch den Touristen zugänglich waren, und oben wohnte die Unternehmerfamilie“,

so Petr Nový. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Glasmacherkunst zum tragenden Wirtschaftszweig in Nordböhmen. Jablonec wuchs auf seine heutige Größe von rund 45 000 Einwohnern an. Die Stadt rühmte sich in den letzten Jahrzehnten der Habsburgermonarchie, Österreich mehr Steuern zu zahlen als das ganze Königreich Dalmatien zusammen. Jablonec weckte Sehnsüchte, die Stadt hatte das Flair eines „österreichischen Kaliforniens“.

„Also das ´österreichische Kalifornien´, das ist eine übertragene Bedeutung. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erlebte die Gablonzer Bijouterie einen mächtigen Aufschwung, zahlreiche Glasmacher und Händler ließen sich in Jablonec nieder, und vielen ging es vor allem darum, schnell reich zu werden. Es herrschte eine Art Goldgräber-Mentalität“,

erzählt Marcela Provazníková vom Museum in Jablonec.

Die Weltwirtschaftskrise setzte dem Wohlstand der nordböhmischen Glasbranche vorerst ein Ende. Danach leiteten technischer Fortschritt und politische Änderungen schon ein neues Kapitel der Glasmacherkunst im Isergebirge ein.

Fotos: Autorin