Bioabfall in Tschechien: Trennung ja, Tonnenpflicht nein

Foto: ČT24

Seit diesem Jahr gilt in Tschechien eine neue Abfallverordnung. Diese schreibt den Gemeinden seit 1. April vor, Bioabfall getrennt zu sammeln. Das heißt jedoch nicht, dass damit auch die braune Biotonne flächendeckend eingeführt wurde.

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Tschechien macht sich eigentlich relativ gut in den europäischen Abfall-Statistiken. Nur 307 Kilogramm Hausmüll pro Person und Jahr bedeuten den niedrigsten Wert, selbst im vergleichsweise armen Rumänien fliegt mehr in die Tonne. Etwas anders liegt das bei der Recyclingquote. 2012 wurden in Tschechien nur 21 Prozent des Hausmülls wiederverwertet. In Deutschland sind es mittlerweile bereits 64 Prozent.

In dieser Hinsicht gibt es hierzulande also noch einiges aufzuholen. Auch deshalb hat das tschechische Umweltministerium eine neue Abfallverordnung ausgearbeitet. Seit Beginn dieses Monats müssen die Gemeinden und Städte nun gewährleisten, dass Bioabfall getrennt gesammelt wird. Jaromír Manhart verantwortet den Bereich Abfall im tschechischen Umweltministerium:

Kompost | Foto: Kompostuj.cz,  CC BY 3.0
„Der Grund war, dass die Tschechische Republik bisher nicht den Verpflichtungen der EU-Richtlinie zu Mülldeponien nachgekommen ist. Konkret wurden 2013 nicht die Vorgaben zur Verbringung von Biomüll erfüllt. Hierzulande sind 131.000 Tonnen Bioabfälle zu viel auf den Deponien gelandet. Deswegen haben wir allen Städten und Gemeinden nun vorgeschrieben, Bioabfälle getrennt zu sammeln.“

Wer allerdings zum Beispiel durch die Straßen Prags geht, trifft auf keine einzige braune Biotonne. Der Grund ist, dass Städte und Gemeinden der Pflicht auch dann nachkommen, wenn sie ihre Einwohner an die Recyclinghöfe verweisen. So sagte die Prager Umweltbürgermeisterin Jana Plamínková (Vereinigung von Freien und Bürgermeistern – STAN) im März den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

Jan Plamínková  (Foto: Michal Vítů,  Wikimedia CC BY-SA 4.0)
„Da die tschechische Hauptstadt insgesamt über 17 Recyclinghöfe verfügt, erfüllen wir die gesetzlichen Vorschriften zum Bioabfall. Außerdem besteht noch im Stadtteil Malešice eine Dauersammelstelle, und zudem werden immer wieder an verschiedenen Orten auch mobile Container oder sogenannte mobile Recyclinghöfe bereitgestellt.“

Mit den Kartoffelschalen zum Recyclinghof

Umweltschützer begrüßen die Sammelpflicht für Bioabfälle als einen Schritt in die richtige Richtung. Ivo Kropáček ist Fachmann für Abfallwirtschaft bei der Umweltorganisation Hnutí Duha (Bewegung Regenbogen – Friends of the Earth). Er betont, dass der biologische Anteil am Hausmüll genauso schwer wiege wie alle anderen Anteile zusammen, die für das Recycling getrennt gesammelt werden – also Papier, Verpackungen, Glas und Metall. Gerade deswegen hält er es aber für falsch, dass sich Städte und Gemeinden auch auf Recyclinghöfe beschränken können.

Foto: Tracy Benjamin,  CC BY-NC-ND 2.0
„Dies motiviert natürlich nicht dazu, Küchenabfälle zu trennen. Wer wird schon zur Entsorgung von Kartoffelschalen mehrere Kilometer gehen wollen. Das heißt, die landen dann weiter im Restmüll und damit auf Müllhalden oder in der Verbrennungsanlage. Hnutí Duha fordert, dass definiert wird, wie weit ein Bioabfallcontainer maximal von einem Haushalt entfernt sein darf – also vielleicht 100 oder 50 Meter beziehungsweise nicht weiter als vor der Haustür. In jenen Städten und Gemeinden, in denen bereits vernünftige Trennsysteme für Bioabfall eingeführt wurden, ist die Wiederverwertungsquote von Müll deutlich gestiegen. Zugleich ging jener Anteil des Hausmülls klar zurück, der auf den Deponien oder in der Verbrennungsanlage landet“, so Kropáček.

Jaromír Manhart  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Doch beim Umweltministerium wollte man bewusst nicht so streng verfahren. Jaromír Manhart verweist darauf, dass die Städte und Gemeinden mit der neuen Abfallverordnung seit Beginn des Jahres außerdem auch verpflichtet wurden, Metall getrennt zu sammeln. Die Bioabfallbehandlung sei also für manche Orte eine weitere Herausforderung.

„Bisher gab es in Tschechien keine flächendeckende Verpflichtung zur Sammlung von Biomüll. Wir wollen, dass sich die Gemeinden erst einmal daran gewöhnen können. Mancherorts sind bisher nur Papier, Glas und Verpackungen getrennt gesammelt worden. Aber mittlerweile müssen die Gemeinden mindestens fünf Abfallsorten aussondern.“

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Deswegen reicht also auch der Verweis auf Recyclinghöfe. Zudem gilt die Trennpflicht für Bioabfälle sogar nur vom 1. April bis 31. Oktober des Jahres. Die Überlegungen beim Umweltministerium sind, dass in den wärmeren Monaten mehr Gartenabfälle anfallen, aber auch dass mehr Obst und Gemüse konsumiert werden und dementsprechend der organische Anteil am Hausmüll ansteigt.

Biotonnen seit Mitte der 1990er Jahre

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Während in Deutschland in diesem Jahr die allgemeine Biotonnenpflicht in Kraft getreten ist, setzt Tschechien viel weiter unten an. Doch beim Umweltministerium in Prag wird nicht ausgeschlossen, dass die Anforderungen schon bald hochgeschraubt werden. Jaromír Manhart:

„In einem Jahr oder anderthalb Jahren werden wir auswerten, ob die Sammlung von Bioabfällen ausreicht, um den Umfang des Mülls, der auf Deponien landet, zu reduzieren. Sollte dies nicht der Fall sein und damit die Gefahr bestehen, dass Tschechien die Vorgaben der EU für 2020 nicht erfüllt, würden wir die Verordnung verschärfen. Und zwar würden wir den Mindestumfang an getrennt gesammelten Bioabfall für eine bestimmte Zahl Einwohner festlegen oder eine maximale Entfernung für die Abstände zwischen den Containern definieren.“

Kompost  (Foto: Zuzana Rejchová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Doch so unerfahren ist Tschechien beim Bioabfall-Sammeln und Kompostieren auch wieder nicht. Erste kommunale Kompostieranlagen wurden bereits zu sozialistischen Zeiten in den 1980er Jahren angelegt. Allerdings waren sie technisch noch nicht ausgereift. Und so wurden Mitte der 1990er Jahre die kleinen Orte Nová Paka und Stará Paka im Böhmischen Paradies zu Vorreitern des Recyclings in Tschechien – mit fünf verschiedenen Wertstofftonnen inklusive der braunen für Bioabfälle. Mittlerweile haben viele weitere Städte und Gemeinden nachgezogen, besonders in Mähren. Laut einer Umfrage sammeln bereits 70 Prozent der Kommunen hierzulande in irgendeiner Weise Bioabfälle getrennt ein. Die überwiegende Zahl der Städte über 20.000 Einwohner hat jedoch keine Biotonne.

Ivo Kropáček  (Foto: Archiv von Hnutí Duha)
Anders ist dies zum Beispiel in Mikulov / Nikolsburg nahe der Grenze zu Österreich. Die Kleinstadt mit knapp siebeneinhalbtausend Einwohnern hat sich 2010 mit den umliegenden Gemeinden zu einem Verbund zusammengeschlossen. Ivo Kropáček von Hnutí Duha:

„Das System dort motiviert die Bewohner finanziell dazu, den Umfang des Restmülls zu reduzieren. Die Bewohner erhalten die Container zur Mülltrennung direkt vor das Haus. Und das betrifft nicht nur Papier, Verpackungen, Glas und Metall, sondern eben auch Biomüll. Das System in Mikulov und Umgebung ist sehr effizient, dadurch wird eine hohe Wiederverwertungsquote erreicht und ein geringer Anteil Restmüll. Zugleich zahlen die Bewohner deutlich weniger Gebühren für die Müllabfuhr als im landesweiten Durchschnitt.“

Jaromír Manhart vom Umweltministerium verweist wiederum auf eine etwas größere Stadt: das mittelböhmische Kolín / Köln an der Elbe mit 31.000 Einwohnern.

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
„Da ich selbst dort wohne, kann ich sagen, dass sich der Restmüll in den schwarzen Tonnen durch die Einführung einer getrennten Sammlung von Bioabfällen auf die Hälfte reduziert hat. Die Stadt Kolín hat zusammen mit der Entsorgerfirma für jeden Einwohner gut erreichbare braune Biotonnen aufgestellt. Die Abfuhr ist vierzehntägig“, so Manhart.

Kleine Ortschaften beschweren sich

Umweltministerium  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Tatsächlich greift das Umweltministerium den Städten und Gemeinden sogar unter die Arme, um sich ein Beispiel zu nehmen an Mikulov oder Kolín:

„Wir haben aus dem staatlichen Umweltprogramm im ersten Quartal dieses Jahres rund 800 Millionen Kronen freigemacht, um Projekte in Städten und Gemeinden zu unterstützen, mit denen Recycling verstärkt wird. Das Geld kann zum Beispiel zum Kauf von Containern und Mülleimern für Wertstoffe genutzt werden. Wir haben so viele Anträge erhalten, dass die geforderte Summe um ein Vielfaches den Umfang der Fördermittel übertrifft. Die Gesamtsumme für alle Projekte würde sich auf drei Milliarden Kronen belaufen. Das Umweltministerium wird also in diesem und den folgenden Jahren finanziell fördern, dass ein System zum Sammeln von verwertbaren Abfallteilen entsteht.“

Foto: Drahomíra Bačkorová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
800 Millionen Kronen, das sind umgerechnet 29 Millionen Euro, also eine beträchtliche Summe. Allerdings scheinen in einem Punkt die Ministeriellen etwas über das Ziel hinausgeschossen zu sein – und zwar in sehr kleinen Ortschaften auf dem Land. Ivo Kropáček von Hnutí Duha:

„In solchen Ortschaften haben die meisten Haushalte die Möglichkeit, selbst Bioabfall zu verwerten, indem sie ihn auf den eigenen Kompost geben oder auf den kommunalen. Hier für Biomüll ein Trennsystem einzuführen, ist eher kontraproduktiv.“

Diesen Punkt haben auch die Bürgermeister solch kleiner Gemeinden mehrfach bemängelt.