Ökologen kritisieren Entwurf zu neuem Abfallrecht
Tschechien plant ein neues Abfallrecht, und die Regierung behauptet, es sei revolutionär. Die Reform solle das Land endlich auf den Weg einer Kreislaufwirtschaft bringen, wie die EU das fordere, heißt es. Doch Kritik kommt von allen Seiten, besonders aber von Umweltverbänden.
Zwar sind die Tschechen europäische Spitze bei der Mülltrennung. Dennoch werden bisher nur 39 Prozent des Siedlungsmülls hierzulande recycelt. Das soll sich ändern durch das neue Abfallrecht, das die Regierung am Montag abgesegnet hat. Umweltminister Richard Brabec (Partei Ano) erläuterte nach der Kabinettssitzung gegenüber den Journalisten:
„Wichtig ist, dass das Abfallrecht einige grundlegende Änderungen enthält, die – einfach ausgedrückt – dazu führen, dass weniger Müll deponiert wird. Denn hierzulande werden weiterhin 46 Prozent der Siedlungsabfälle auf Deponien verbracht. Das sind in etwa 2,7 Millionen Tonnen im Jahr. Unsere Ambitionen sind, daraus bis 2030 maximal 0,5 Millionen Tonnen zu machen.“
Damit würde Tschechien auch die Vorgaben aus Brüssel erfüllen. Das bedeutet, höchstens zehn Prozent der Siedlungsabfälle auf die Deponien zu bringen.Belohnung für Mülltrennung
Dies will man mit einer Kombination aus höheren Gebühren und finanziellen Anreizen erreichen. Das heißt, die Deponierung soll für die Gemeinden langsam teurer werden. Zugleich würden jene Kommunen belohnt, in denen der Müll gut getrennt wird.
„Falls die Gemeinden gut Müll trennen, dann führen die höheren Deponiegebühren auch nicht zu einer höheren Belastung ihrer Bewohner. Denn die Mülltrennung ist die Grundvoraussetzung dafür, dass sich die Quote für Recycling und thermische Verwertung auf Kosten der Deponierung erhöht. In manchen Kommunen könnten die Müllgebühren für die Einwohner sogar fallen“, so Richard Brabec.Andersherum heißt das natürlich auch: Wo schlecht getrennt wird, zahlen die Bürger drauf. Dabei will der Umweltminister den Rathäusern noch ein weiteres Mittel an die Hand geben. So wird das neue Recht ihnen erlauben, die Müllgebühren nicht pauschal von den Haushalten zu erheben, sondern nach tatsächlichem Umfang.
Ab 2030 soll dann aber die Verbringung von Siedlungsabfällen auf die Deponien nicht mehr erlaubt sein. Eigentlich war bereits 2024 als Stichtermin gesetzlich festgelegt gewesen, doch die Kommunen und die Industrie haben dagegen Druck gemacht. Sie forderten sogar eine Verschiebung auf 2035. Letztlich habe man einen Kompromiss ausgehandelt, sagte Brabec am Montag:
„Gegen das Stichjahr 2024 hatte vor allem der Bund der Städte und Gemeinden seine Einwände. Dort ist man der Meinung, dass in so kurzer Zeit kein vollwertiger Ersatz für die Dc/pixabay/ekologie/odpad_skloeponien geschaffen werden könne. In diesem Fall wäre der Staat tatsächlich in einer unangenehmen Lage. Dazu muss ich erläutern, dass wir neue Recyclinganlagen brauchen. Bei wachsender Wettbewerbsfähigkeit werden aber solche Einrichtungen auch entstehen.“Allerdings weist der Umweltminister darauf hin, dass das neue Abfallrecht erst noch vom Parlament beurteilt werden muss. Und dort würde sicher wieder eine Debatte aufkommen über das Stichjahr, so der Ano-Politiker.
Zögerlicher Vorstoß
Den Kommunen und Industrieverbänden geht also alles zu schnell, Umweltschützer wiederum halten den Vorstoß für zu zögerlich. Es sind einige Punkte, die sie dabei kritisieren. So etwa das geringe Augenmerk auf die Recyclingindustrie. Ivo Kropáček ist Abfallexperte bei Tschechiens größtem Umweltverband Hnutí duha (Bewegung Regenbogen). Er verweist darauf, dass in ganz Europa der Absatz von Recycling-Plastik stagniert. Deswegen fordert er:„Die Europäische Kommission hat eine Steuer vorgeschlagen auf Primärplastik, das aus Erdöl gefertigt wird. Die tschechische Regierung lehnt dies aber leider ab. Dabei wäre es die beste Lösung, wenn das Primärplastik teurer würde und auf diese Weise recycelte Kunststoffe auf den Markt kommen würden.“
Während Kropáček in dem geplanten Gesetzespaket die richtigen Ideen für das Recycling vermisst, unterstützt er ausdrücklich die schrittweise Anhebung der Deponiegebühren.
Doch die zweite große Kritik richtet sich gegen den zögerlichen Ausstieg aus der Deponierung. Es sind folgende Aspekte, die man bei Hnutí duha am geplanten Abfallrecht nicht versteht:„Dieses ermöglicht nicht nur, bis 2030 Siedlungsabfälle auf die Kippen zu bringen, sondern auch noch ohne Vorsortierung. Das ist schlecht. Schließlich ist die EU-Deponie-Richtlinie schon seit 20 Jahren in Kraft und fordert, dass die Abfälle eben gerade vorher behandelt werden. So sollten zum Beispiel kompostierbare Bestandteile aussortiert werden.“.
Stattdessen würde einfach noch zehn Jahre so weitergemacht wie bisher, wundert sich Kropáček:
„Wenn jemand zum Beispiel aus Versehen einen Goldbarren in den Müll schmeißt, dann bekommt das niemand mit. Der Müllwagen bringt ihn inmitten der anderen Siedlungsabfälle auf die Halde und kippt alles aus. Das heißt, es gibt keine Anlage, in der noch einmal mögliche recycelbare Bestandteile aussortiert werden.“
Ganz besonders unsinnig findet der Ökologe, dass Küchenabfälle weiter in der Schwarzen Tonne landen. Denn den Gemeinden wird viel Spielraum gelassen, sie müssen Biotonnen nicht in den Wohngebieten aufstellen. Es reicht auch wenn sie solche Behälter auf den Recyclinghöfen anbieten. So etwa machen es die meisten Stadtteile Prags. Doch wer trägt Essensreste schon kilometerweit umher?Küchenabfälle als Klimakiller
Von den eingangs erwähnten 2,7 Millionen Tonnen Siedlungsabfällen, die jährlich auf die Deponien gebracht werden, ist rund eine Million Tonnen kompostierbar. Wenn dieser Anteil wie bisher weggekippt wird, richtet er großen Schaden an.
„Aus den kompostierbaren Abfällen entweicht Methan, das nur zu Teilen aufgefangen wird. Der Rest gelangt in die Luft und ist ein größerer Klimakiller als Kohlendioxid. Der Anteil der CO2-Äqivalente dieses Methans ist größer als der des gesamten Luftverkehrs in Tschechien. Deswegen ist die Deponierung von kompostierbarem Abfall ein sehr ernstes Problem“, so der Umweltschützer.Nach Schätzungen von Hnutí Duha könnten bis 2030 insgesamt zehn Millionen Tonnen CO2-Äquivalente allein aus dem kompostierbaren Anteil des Siedlungsmülls entweichen. Dies hinzunehmen hält Ivo Kropáček für unverständlich. Denn die Technologien für die Behandlung solchen Abfalls seien ja bekannt:
„Das sind große Kompostieranlagen und idealerweise Biogasanlagen, von denen es hierzulande bisher nur fünf gibt. Uns fehlen die technologischen Voraussetzungen für die Verarbeitung von Küchenabfällen. Genau da brauchen wir aber einen größeren Impuls.“
Stattdessen liebäugelt der tschechische Umweltminister mit mehr sogenannter thermischer Verwertung – oder umgangssprachlich der Müllverbrennung. Nur zwölf Prozent des tschechischen Siedlungsmülls würden bisher auf diese Weise beseitigt, behauptet Brabec. Der europäische Durchschnitt liege jedoch bei 24 Prozent.Das hält Ökologe Kropáček allerdings für eine schlechte Idee, so lange nicht vorsortiert wird. Außerdem widerspricht er den Zahlen zu Verbrennung:
„Das sind Daten des Umweltministeriums. Leider gibt es unterschiedliche Angaben. So macht auch das Statistikamt Erhebungen, die es an Eurostat weiterleitet. Und nach den Zahlen der Europäischen Union verbrennt Tschechien 20 Prozent seiner Siedlungsabfälle. Das heißt, wir liegen eigentlich auf gesamteuropäischem Niveau. Dazu kommt, dass einige Mitgliedsstaaten eine Überkapazität haben. Sie müssen also Verbrennungsanlagen abstellen, um die Recyclingquote zu erreichen. Die genannten 24 Prozent sind eigentlich daher schon zu hoch berechnet.“
Für die Verbringung von unsortierten Siedlungsabfällen auf Deponien drohen Tschechien laut Hnutí Duha übrigens hohe Strafen vonseiten der EU. Über 60 Millionen Kronen (2,4 Millionen Euro) könnten demnach pro Jahr fällig werden.