Bittová, Bárta und Baroque Ensemble - Musik aus Tschechien
Im Sommer liegt der Fokus tschechischer Kultur in den deutschsprachigen Ländern nicht so sehr auf den Veranstaltungen der jeweiligen Tschechischen Zentren. Dennoch tut sich auch in der Ferienzeit einiges. Eines der größten Ereignisse ist dabei sicher das Festival Mitte Europa. Darüber im Folgenden mehr sowie zwei weitere Tipps in Deutschland und Österreich.
„Kultur grenzenlos“ - dieses Motto unserer Sendereihe könnte ebenso für das „Festival Mitte Europa“ gelten. Bereits zum 23. Mal findet dieses Musikfestival im bayerisch-böhmisch-sächsischen Grenzgebiet statt, erneut werden dabei in diesem Sommer tschechische Musiker in Deutschland präsentiert und deutsche in Tschechien. 1990 wurde das Festival vom Ehepaar Thomas Thomaschke und Ivana Thomaschke-Vondráková ins Leben gerufen. Im Interview resümiert Ivana Thomaschke-Vondráková die diesjährige Festivalausgabe, bei der seit Mitte Juni schon zig Konzerte und Veranstaltungen geboten waren, und weist auf drei noch ausstehende Veranstaltungen hin:
Frau Thomaschke, zuerst einmal einen herzlichen Glückwunsch zu einer Auszeichnung, die Ihnen im Juli vom tschechischen Außenministerium verliehen wurde. Sie und Ihr Mann, Thomas Thomaschke, haben die Jan-Masaryk-Medaille erhalten. Was bedeutet für Sie diese Auszeichnung?
„Wir freuen uns sehr über diese Jan-Masaryk-Medaille, weil sie eine der hohen Auszeichnungen ist, die vom tschechischen Staat verliehen werden. Wir fühlen uns natürlich sehr geehrt. Es ist eine Anerkennung unserer Arbeit, die wir in den vergangenen 23 Jahren geleistet haben, auf dem Gebiet des kulturellen Austausches zwischen Tschechien und Deutschland. Die Auszeichnung des tschechischen Außenministeriums wurde uns von der tschechischen Generalkonsulin in Dresden übergeben, im Beisein des tschechischen Botschafters in Berlin, Rudolf Jindrák, und des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich. Das hat uns besonders gefreut.“Das 23. Festival Mitte Europa geht am kommenden Sonntag zu Ende. Wie sind Sie mit dem diesjährigen Verlauf zufrieden? Welches waren die erfolgreichsten Konzerte und Veranstaltungen?
„Wir sind sehr zufrieden. Es ist natürlich sehr schwierig zu sagen, was das Erfolgreichste war, weil jedes Konzert oder jede Veranstaltung wie etwa ein Workshop oder eine Lesung uns sehr naheliegen. Wir haben in diesem Jahr den Schwerpunkt ‚menschliche Stimme‘. Das heißt, mehrere Konzerte sind dem Gesang gewidmet. Ich denke nun insbesondere an die englische Vokalgruppe Voices8, die drei wunderbare Konzerte gegeben hat. Das schönste davon war wahrscheinlich im Kloster Osek (auf Deutsch Ossegg, Anm. d. Red.) in Nordböhmen, wo das Publikum von den geistlichen Gesängen wirklich völlig ergriffen war. Ich möchte aber sagen, dass auch tschechische Künstler, die in Deutschland gastiert haben, einen großen Erfolg hatten. Das ist unsere Philosophie, tschechische Künstler und tschechische Kunst in Deutschland zu präsentieren und umgekehrt. Ich denke, ein wunderbares Konzert war der Auftritt des Hornisten Radek Baborák und der Harfenistin Jana Boušková. Und auch das Konzert, das uns jetzt zum Abschluss des Festivals erwartet, mit dem Czech Ensemble Baroque und dem Geiger Pavel Šporcl wird sicherlich zu den Höhepunkten dieses Jahres gehören.“Sie versuchen, für die Konzerte immer wieder neue Austragungsorte zu entdecken. Haben Sie auch in diesem Jahr eine Überraschung dieser Art im Programm gehabt?„Ja, zum Beispiel gleich bei unserem Eröffnungskonzert. Die Stadt Falkenstein im Vogtland war zum allerersten Mal dabei, mit einem Konzert des Prager Kammerorchesters und der wunderbaren jungen Hornistin Kateřina Javůrková. Die Stadt hat sich sehr engagiert. Die Eröffnung war wunderschön, mit einem schönen Empfang, bei dem sich auch einige Künstler aus Falkenstein präsentiert haben. Sie sagen, dass wir die Orte suchen, aber es ist fast umgekehrt: Die Orte melden sich bei uns und möchten am Festival teilnehmen. Auf der tschechischen Seite war zum Beispiel Duchcov (auf Deutsch Dux, Anm. d. Red.) ein Neuling, in Bayern Tirschenreuth. Das bedeutet dann, wenn wir neue Orte aufnehmen, müssen andere Orte ein oder zwei Jahre pausieren. Es ist verständlich, dass man das Festival nicht uferlos ausdehnen kann, sowohl aus organisatorischen als auch aus finanziellen Gründen.“
Ein paar Ereignisse des Festivals stehen noch bevor. An diesem Donnerstag zum Beispiel ein Konzert in Mißlareuth, also in der Gemeinde, wo vor mehr als zwanzig Jahren die Wiege des Festivals lag. Was ist das für ein Konzert?„Das ist ein ganz besonderes Konzert. Auf das traditionelle Konzert in Mißlareuth freut sich die ganze Festivalgemeinde immer wieder schon seit Jahren. Ursprünglich war das ein Dankeschön-Konzert für die Bauernfamilie, bei der unsere Studierenden der Meisterklasse für Gesang gewohnt haben. Inzwischen hat das Konzert ein ziemlich großes Ausmaß angenommen. Es findet immer in einer ganz vollen Scheune statt, zieht Besucher von allen Seiten und auch aus dem Ausland an. Da präsentieren sich junge Sängerinnen und Sänger, die einige Tage davor in der Meisterklasse meines Mannes gewesen sind. Mein Mann ist ja Opern- und Konzertsänger. Er moderiert immer auch sehr locker das Konzert. In der diesjährigen Klasse werden sich junge Leute aus mehreren Ländern präsentieren, das ist wahrlich eine internationale Klasse, neben deutschen und tschechischen Sängerinnen und Sängern kommen noch junge Leute aus der Slowakei, Dänemark, China und Österreich. Wie gesagt, das ist immer einer der Höhepunkte, alles ist sehr locker, sehr heiter. Die jungen Leute singen das, was sie gerne möchten, auch mal ein Volkslied aus ihrer Heimat oder ein Musical-Stück. Das ist ein Konzert besonderer Art und heißt nicht umsonst ‚Heiteres Sommerkonzert‘.“
Was steht in den nächsten Tagen noch auf dem Programm?„Am Freitag, 1. August, findet auf der romantischen Burg Loket (Auf Deutsch Ellbogen, Anm. d. Red.) auf der tschechischen Seite ein Konzert des Ensembles Carolin No statt. Die Musik ist sehr poetische Musik, im Ensemble vertreten sind eine Sängerin, ein Keyboarder und ein Violoncellist. Das Konzert ist allerdings, soweit ich weiß, schon ausverkauft. Denn Carolin No war vor zwei Jahren schon einmal beim Festival und hat mit seinem Auftritt viele Anhänger gewonnen. Und am Sonntag geht das Festival zu Ende, mit einem, wie ich überzeugt bin, sehr furiosen Konzert im bayerischen Tirschenreuth, mit dem Czech Ensemble Baroque und Pavel Šporcl. Auf dem Programm stehen sehr effektvolle Barockkompositionen von Corelli, Vivaldi, Locatelli und anderen bekannten Komponisten.“
Ein weiterer Tipp führt in die Tanzszene. Das Festival ImPulsTanz im schönen Wien hat bereits eine lange Tradition und gilt mittlerweile als größte europäische Veranstaltung zeitgenössischer Tanzkunst. 1984 wurde die Veranstaltung ins Leben gerufen, mittlerweile umfasst sie rund 40 Produktionen, die in den Monaten Juli und August auf mehrere Bühnen in Wien gebracht werden.
Einer der Höhepunkte ist dabei in diesem Jahr die Begegnung der tschechischen Violonistin und Sängerin Iva Bittová mit dem venezolanischen Tänzer David Zambrano. Zum gemeinsamen Auftritt kommt es am 2. August im Volkstheater. Pressesprecher Joachim Kapuy erläutert im Interview, auf was sich die Besucher freuen dürfen:
„David Zambrano ist so etwas wie eine wirklich monumentale Figur des zeitgenössischen Tanzes, und wenn man so möchte auch ein starker Vertreter des kulturellen Austauschs. Bekannt geworden ist er vor allem durch seinen Einsatz für die Tanzimprovisation. Dieser große Improvisateur des Tanzes trifft nun auf die große Improvisateurin der Musik beziehungsweise der Vokalmusik. Und da kann man sich vorstellen, dass der Abend sehr sinnlich wird, tänzerisch, graziös und musikalisch auf jeden Fall hochwertig.“Und wahrscheinlich auf ein bisschen eine Begegnung zweier Welten…„Es ist definitiv eine Begegnung zweier Welten, wenn man sich ansieht, dass David Zambrano in Venezuela geboren ist und danach als junger Mann nach Europa und Amerika gegangen ist, um Tanz zu studieren. Er ist aber noch sehr verankert in seinem Ursprungskonzept in Venezuela. Lateinamerika ist auch nach wie vor ganz wichtig für seine Arbeit. Demgegenüber steht Iva Bittová, die eher aus dem osteuropäischen Gefilde kommt. Deswegen wird es auch ein spannender und kulturell reicher Auftritt werden.“
Ist es denn die erste Begegnung beider – oder sind sie sich schon häufiger begegnet?
„Es ist nicht die allererste Begegnung. Sie treffen und finden sich immer wieder. Es gibt fast schon so etwas wie eine spirituelle Verbindung zwischen beiden, wie sie es nennen, und auch die Freiheit, miteinander zu improvisieren und sich immer wieder zu treffen, um sich begegnen zu können. Iva Bittová lebt ja mittlerweile ebenfalls in New York, wo David Zambrano sehr viel unterrichtet. Und das nützen die beiden sehr intensiv aus, um sich im Rahmen des künstlerischen Kontexts immer wieder zu begegnen.“
Tschechische Musik gibt es demnächst aber auch in Düsseldorf – und das auch noch kostenlos. Und zwar beim Open-Air-Festival „Jazz und Weltmusik im Ehrenhof“. Der Sänger Dan Bárta wird dabei zusammen mit dem Robert Balzar Trio eine Reise durch die Zeit unternehmen, die Stopps erfolgen dabei nicht nur bei den Songs der neuen gemeinsamen CD „Theyories“, sondern beginnen bereits bei einem mittelalterlichen Choral und führen bis zu akustischen Neuinterpretationen bekannter Stücke von „The Police“ oder „Led Zeppelin“. Dan Bárta und das Robert Balzar Trio treten am Samstag, 9. August, ab 20 Uhr auf.