Borek Sipek

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Derzeit läuft auf der Prager Burg eine Ausstellung eines der größten Designer unserer Zeit, des tschechischen Künstlers und Architekten Borek Sipek. Er erhielt zahlreiche Preise für Architektur und Design und designte u.a. für so bekannte Manufakturen wie Alessi, Moletti, Vitra, Neotu und Driade. Sipek, der seit 1999 wieder in Prag lebt, soll im heutigen Kultursalon vorgestellt werden. Sie hören einen Beitrag von Martina Zschocke.

Borek Sipek erlangte mit seinen Werken in den letzten 20 Jahren Weltruhm. Arbeiten von ihm finden sich u.a. im Museum of Modern Art in New York, im Museum für Dekorative Kunst in Paris, im Design-Museum London, und im Vitra Design Museum in Weil am Rhein. Dabei ist Sipek nicht nur Architekt, Innenarchitekt und Designer. Man kann ihn mit Fug und Recht als Grenzgänger, vielmehr als Grenzüberschreiter zwischen verschiedenen Kunstformen, Kulturen und Konventionen bezeichnen. Seine aktuelle Ausstellung trägt nicht umsonst den Titel "Designnomad". Und tatsächlich ist Sipek der Inbegriff des modernen Nomaden. Er selbst sieht sich als Nomaden im doppelten Sinne:

"Ich bin ganz sicher Nomade. Ich bin einmal eigentlich durch meinen Lebenslauf Nomade. Ich bin hier in Prag geboren, ich bin nach Deutschland übersiedelt und da studiert und dann nach Holland gegangen, ich habe eine englische Frau geheiratet und ich habe holländische Kinder. Und jetzt unterrichte ich in Österreich und bin am liebsten in Bangkok. Insofern bin ich eigentlich durch meine Art und Weise Nomade. Das ist die eine Seite. Und die andere Seite ist, dass ich tatsächlich durch verschiedene Bereiche im Design wandele permanent. Es gibt Designer, die machen nur Möbel oder es gibt Designer, die machen nur Porzellan oder nur Sanitär. Und ich wandele tatsächlich durch all die Bereiche von Architektur bis zu Mode. Und das ist auch eine Art von Nomadismus. Also das hat eine doppelte Bedeutung."

Borek Sipek wird 1949 in Prag geboren, wo er in den 60er Jahren Möbeldesign studiert. 1968 nach der Besetzung Prags emigriert er nach Deutschland. Dort studiert er Architektur in Hamburg und im Anschluß daran Philosophie in Stuttgart. 1979 promoviert er in Delft in den Niederlanden. Durch das Ausbleiben von Architekturaufträgen verlegt er sich auf das Entwerfen von Glasobjekten und Möbeln. 1983 wird Sipek erstmals international bekannt mit einer anerkennenden Erwähnung im Rahmen des Deutschen Architekturpreises für das Haus, das er für seine Schwester in Hamburg entwarf. Im selben Jahr zieht er nach Amsterdam, wo er ein Studio für Architektur und Formgebung eröffnet. In den 80er Jahren erfolgt auch sein Durchbruch als Designer. Sipeks Arbeiten ignorieren herkömmliche Design-Grundsätze und bilden einen eigenen Stil. Häufig werden sie mit den Begriffen Sinnlichkeit und Neobarock beschrieben. Letzterer stammt von Sipek selbst, der diesen Ausdruck in den 80er Jahren einem Journalisten gegenüber als Beschreibung seines Stils erwähnte.

"Ja, das Neobarock habe ich mir selbst verbrockt eigentlich. Aber ich habe das damals ganz anders gemeint, ich meinte im Prinzip, dass: Barock ist nach der Renaissance gekommen. Renaissance war eigentlich ein sehr strenger Stil, und nicht nur Stil aber auch Lebensweise, wo eigentlich das Leben die Abbildung der Vorstellung des Lebens im Himmel war, wo alles sehr deutlich geregelt war. Das dann Barock danach kam und eine Art von Befreiung war. Dass Leute anfingen schmutzig zu sein und sich pudern und sie haben gelogen und gesoffen und auf einmal, alles was in der Renaissance absolut nicht möglich war, ist im Barock durchgebrochen. Und ich habe das verglichen eigentlich mit unserer Zeit Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, dass wir lange Zeit Funktionalismus hatten, von eigentlich strengen, funktionsorientierten Sachen. Und da dachte ich, dass eigentlich die Umkehrung davon die Befreiung genauso wichtig wäre, wie das damals. Und so war das gemeint. Und wenn man das so sieht, dann ist es eigentlich die Leichtigkeit. Das man das Leben nicht so ernst nimmt und das man auch Freude am Leben haben kann."

Seine Vasen und Kronenleuchter knospen, schlingen und winden sich und haben nicht selten erotische Komponenten wie seine Glascollage Animus-Anima. Würde man Sipek mit Jazzterminologie beschreiben, dann ist er der Meister wilder, phantasievoller Improvisationen über die Themen Tisch, Vase und Stuhl, die sich weit von der ursprünglichen Form entfernen, ohne sie dabei je aus dem Auge zu verlieren." 1989 verleiht ihm der Amsterdamer Fonds für Kunst den "Kho Liang Preis". Im Bericht für die Preisvergabe wird er als "Formgeber der Emotion" beschrieben. In gewisser Weise lässt sich Sipek als kongenialer Designer der 80er Jahre bezeichnen.

Für viele ist der Name Sipek synonym mit Glas, obwohl er mit weit mehr Materialien arbeitet: wie Holz, Marmor, Bronze und Metall. Doch am bekanntesten sind zweifellos seine Glasobjekte. Glas ist auch tatsächlich eines seiner Lieblingsmaterialien. Die meisten seiner Werke lässt er in Novy Bor in einer Brennerei im Norden Tschechiens anfertigen, wo er sich auch gern selbst aufhält.

"Glas ist ein fantastisches Material. Es sieht so aus, als ob ich nur Glas machen würde, weil ich sehr viel Glas gemacht habe. Aber mich fasziniert vor allem das Leben in der Hütte. Die Art und Weise, wie die Glasbläser arbeiten, weil das ist wie eine Ballett-Choreographie im Prinzip. Und auch die Freundschaft, die da ist in der Hütte. Ich bin unheimlich gern zwischen den Glasbläsern. Wenn ich schon da bin, dann mache ich etwas mit denen zusammen."

In den 90er Jahren arbeitet Borek Sipek als Professor für Architektur in Prag. 1992 wird er darüber hinaus von Präsident Václav Havel zum Burgarchitekt ernannt. Die Prager Burg ist gleichzeitig historisches Bauwerk und Sitz des tschechischen Präsidenten. Auf die Frage, welche seiner vielen Rollen ihm die liebste ist, antwortet er:

"Naja, die liebste ist, das ist schwer zu sagen. Ich mache das alles ganz gern. Und eigentlich am liebsten ist mir, dass ich eben so was machen kann, dass ich mich nicht nur auf eine Seite davon spezialisieren muss, dass ich tatsächlich wechseln kann."

Er betont, dass er diese Lebensweise sehr inspirierend findet, weil er jedes Mal, wenn er den Bereich wechsle, Inspirationen für etwas anderes bekomme. Dabei wechselt er nicht nur die Stilmittel, sondern verbindet auch verschiedene Kulturkreise. Für ihn sind die Einflüsse verschiedener Kulturen in seinen Werken nahezu unvermeidlich:

"Das geht auch nicht anders, wenn jemand mit offenen Augen durch die Welt läuft und sich eigentlich durch die Welt inspirieren lässt und jemand, der dann so viel reist wie ich permanent ist deutlich, dass dann die Kulturen irgendwie einen Einfluss darauf kriegen."

Dabei fühlt er sich immer wieder stark zu Asien hingezogen. So verbindet er in seiner Serie "confrontasians" typisch asiatische Objekte und Materialien mit böhmischem Glas und Kristall. In "Argentomania" verwendet er asiatisches Silber mit Details aus Bali und Indien zusammen mit zeitgenössischen niederländischen Silbergravuren.

Sipek ist jedoch kein Einzelkämpfer. Immer wieder arbeitet er gern mit anderen zusammen. Erst unlängst kreierte er zum Beispiel gemeinsam mit dem französischen Floristen Christian Tortu Vasen. Diese Zusammenarbeit beschrieb er als spannend, da jeder schon viel selbst gemacht habe und es sich so phantastisch arbeiten lasse. Die Arbeit im Team hingegen mag er nur unter bestimmten Voraussetzungen:

"Ich arbeite sehr gern im Team, aber ich arbeite ganz gerne in Teams, wo die Mehrheit der Argumente eigentlich der demokratische Stil ist, nicht die Mehrheit der Stimmen. In Teams, wo die Anzahl der Leute entscheidet, ob es gut ist oder nicht, dass mag ich nicht."

Was Sipek bei seinen Entwürfen am meisten inspiriert sind vor allem Lebensweisen von Menschen:

"Eigentlich nicht so sehr Objekte, die ich sehe, sondern Lebensweisen. Aber ich sehe Objekte sowieso als unser Bestandteil, als lebende Wesen, die mit uns leben. Ich sehe Objekte nicht als Dinge, die wir beherrschen. Ich sehe sie auch als Dinge, die uns beeinflussen. Also wenn z.B. eine Tasse gut gemacht ist, dann kann sie uns sehr stark beeinflussen, wie wir sie halten wie wir damit umgehen. Da entstehen so Rituale durch Objekte, durch das Zusammenleben mit Objekten. Und das sind gerade die Sachen, die mich eigentlich inspirieren, um da viel zu gestalten."

1993 erhält Sipek einen zweiten wichtigen niederländischen Preis, den Prins Bernhard Fonds Preis für Architektur und Angewandte Kunst. Das Preisgeld von 100 000 Gulden wird auf seinen ausdrücklichen Wunsch für die Restaurierung der Prager Burg verwendet. Er gestaltete den mittleren Eingangsbereich im zweiten Burghof, die Bildergalerie und das Präsidentenbüro. Die Türen im Eingangsbereich sind aus Glas und unter einem Baldachin aus patinierter Bronze - derselben patinierten Bronze, die das grünliche Dach des Veitsdom prägt - schwebt eine geflügelte Leopardin. Sipek gibt der kolossalen Architektur der Prager Burg eine schwungvolle Fußnote. Er verändert die Burg nicht grundlegend, setzt jedoch einige Elemente dazwischen, die ihr mehr Leichtigkeit und einen unbeschwerten Anschluß ans 21. Jahrhundert vermitteln. Ob er nach der Ära Havel Burgarchitekt bleiben wird, sieht er eher skeptisch:

"Wahrscheinlich überhaupt nicht. Prinzipiell nicht. Zweite Sache ist, es würde wahrscheinlich sehr stark davon abhängen, wer der Präsident ist. Aber wenn ich jetzt zum Beispiel sehe, was sich die ODS jetzt hier leistet mit der Präsidentenwahl, kann ich mir nicht vorstellen, dass wenn ein Kandidat der ODS Präsident wird, dass ich dann mitarbeiten könnte."

Doch Sipeks Werke werden weiterhin präsent bleiben. Wer sich für seine Bauten in Prag interessiert, dem sei die Fußgängerbrücke über die Chotkova Straße empfohlen und natürlich seine Design-Gallerie Arzenal. Arzenal befindet sich im Zentrum Prags in der Nähe des Altstädter Rings in der Valentinska Strasse und bietet Objekte von Sipek zum Verkauf und zur Besichtigung an. Darin befindet sich auch ein von ihm gestaltetes thailändisch-japanisches Restaurant. Mit Arzenal hat sich Sipek eine Traum erfüllt.

"Es heißt auch kulturelle Kreuzung und wir wollen tatsächlich verschiedene Arten von Kulturen hier zusammenbringen. Also wir versuchen jetzt Veranstaltungen, wir haben paar Ausstellungen gemacht, Fotografie, wir haben den Aspekt der Mode hier dazu gezogen. Wir haben hier schon paar kleine Konzerte gemacht. Aber das sind eben so Sachen, die wir intensivieren wollen. Wir haben für den Aids-Fonds hier Veranstaltungen gemacht, wir wollen mit Amnesty international zusammenarbeiten. Einfach so, dass es nicht nur kommerzielle Sache ist, sondern dass es tatsächlich den Kommerz mit dem kulturellen Träger verbindet."

Die Ausstellung von Borek Sipek ist noch bis zum 23. November im Alten Königspalast der Prager Burg zu sehen und ist täglich außer Montags von 10.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Und mit dieser Information sind wir am Ende unseres heutigen Kultursalons angelangt. Am Mikrofon verabschiedet sich von Ihnen Martina Zschocke.